Ersatz des Verdienstausfall nach Verkehrsunfall, oder: Was ist mit einer „falschen“ Krankschreibung?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstellle, handelt es sich um das OLG Dresden, Urt. v. 13.07.2022 – 1 U 2039/21. Es behandelt eine Frage, die bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden ist, nämlich die Frage nach Ersatz des Verdienstausfall: in Zusammenhang mit einer „falschen“ Krankschreibung.

Im entschiedenen Fall hatte das LG dem bei einem Verkehrsunfall verletzten Kläger Verdienstausfall für nur 2 1/2 Monate und nicht für die gesamte Zeit seiner Krankschreibung, die erheblich länger gedauert hatte, zugesprochen. Der Kläger hatte sich auf eine Krankschreibung bezogen, die aber nicht zutreffend war. LG und OLG haben das nicht ausreichen lassen.

Dazu der Leitsatz aus der umfangreichen begründeten OLG-Entscheidung:

Dem Geschädigten steht gegenüber dem Schädiger kein Anspruch auf Schadenersatz wegen Verdienstausfall zu, wenn er im berechtigten Vertrauen auf eine objektiv falsche Krankschreibung nicht arbeitet und deshalb einen Verdienstausfall erleidet. Der Geschädigte muss vielmehr nachweisen, dass er tatsächlich objektiv arbeitsunfähig war.

Das OLG hat im Übrigen die Revision gegen sein Urteil zugelassen:

„Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, soweit die Berufung des Klägers hinsichtlich der Erstattung eines weiteren Verdienstausfalles zurückgewiesen worden ist.

Der Rechtsstreit hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. Es gibt – soweit ersichtlich – weder höchstrichterliche noch obergerichtlichen Entscheidungen zu der Frage, ob im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten letzterem ein Anspruch auf Verdienstausfall für die gesamte Zeit der Krankschreibung zusteht, wenn er – wie hier der Kläger – hierauf berechtigterweise vertraut, sich aber im Nachhinein herausstellt, dass eine Krankschreibung objektiv nicht oder zumindest nicht während der gesamten Zeit der Krankschreibung unfallbedingt und damit berechtigt war. Das Auftreten der Frage ist in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten und berührt daher das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 543 Rdnr. 11). Zudem ist die rechtliche Würdigung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2001 und vom 23.06.2020, die allerdings im Bereich des Drittleistungsrechts ergangen sind, wie sie der Kläger vornimmt, nämlich dass bereits das berechtigte Vertrauen des Geschädigten auf die Krankschreibung maßgebend für einen Anspruch auf Verdienstausfall wegen Arbeitsunfähigkeit ist, durchaus vertretbar.“

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