Als zweite Entscheidung kommt dann hier das KG, Urt. v. 25.07.2022 – (3) 161 Ss 93/21 (34/22).
Das AG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Berufung hat das LG verworfen. Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte. Das KG hat das landgerichtliche Urteil wegen eines Fehlers in der Strafzumessung – insoweit komme ich auf das Urteil demnächst noch einmal zurück – aufgehoben. Das KG gibt dem LG aber eine m.E. ganz interessante Überlegung mit auf den Weg, auf die ich hier verweisen möchte.
Das AG und damit auch das LG waren von folgenden Feststellungen ausgegangen:
„Nach den getroffenen Feststellungen schlug und würgte der Angeklagte die Geschädigte, seine damalige Lebensgefährtin, die sich zuvor von ihm getrennt hatte, in deren Wohnung bis zur Bewusstlosigkeit. Als sie das Bewusstsein wiedererlangte, trat er mit seinen mit Sportschuhen beschuhten Füßen auf Kopf, Bauch und Unterleib der Geschädigten ein. Da Nachbarn an die Wohnungstür klopften, verließ der Angeklagte zunächst die Wohnung, kehrte aber etwa 50 Minuten später wieder zurück, verschaffte sich mit dem entwendeten Wohnungsschlüssel Zutritt zur Wohnung und schlug der Geschädigten so wuchtig in das Gesicht, dass mehrere Gesichtsknochen brachen. Als sie um Hilfe rief, presste der Angeklagte seine Jacke auf ihr Gesicht, wodurch sie abermals für kurze Zeit das Bewusstsein verlor. Daraufhin ließ der Angeklagte von der Geschädigten ab und verließ die Wohnung. Durch die Misshandlungen erlitt die Geschädigte neben den Knochenbrüchen im Gesicht, die operativ durch Einsetzen eines Metallimplantats behandelt werden mussten, ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades, punktförmige Hauteinblutungen im Augenbereich sowie diverse Hämatome.“
In seiner „Segelanweisung“ führt das KG dazu aus:
„Den Ausführungen im Urteil des Amtsgerichts lässt sich nicht nur mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass es bezüglich der ersten Tat eine gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) als gegeben angesehen hat, sondern auch bezüglich der zweiten Tat, wenn dies auch der Paragraphenkette nicht eindeutig zu entnehmen ist. Diesen Umstand wird das Landgericht bei der erneut vorzunehmenden Strafzumessung ebenfalls in seine Überlegungen einzustellen haben.
Als gefährliches Werkzeug wird ein Gegenstand bezeichnet, der unter Berücksichtigung seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Benutzung konkret geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. für viele BGH NStZ 2012, 563). Für die ganz h.M. kommt es maßgeblich auf den gefährlichen Gebrauch eines solchen Werkzeuges und nicht auf dessen objektive Beschaffenheit an (vgl. BGH NStZ 2015, 213, Kissen als Tatwerkzeug; Beschluss vom 5. November 2014 – 1 StR 503/14 -, juris; NStZ 2011, 275, 366, zu § 177 Abs. 4 StGB a.F.; Grünewald a.a.O. Rdn. 16 m.w.N.; Hardtung in Münchner Kommentar StGB 4. Aufl., § 224 Rn. 20; Sternberg-Lieben in Schönke-Schröder StGB, 30. Aufl., § 224 Rn. 4.). Daran gemessen ist auch eine Jacke in der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten Verwendung als gefährliches Werkzeug zu qualifizieren. Fehlende Feststellungen zur objektiven Beschaffenheit der Jacke stehen dem nicht entgegen. Denn nach den Urteilsausführungen war ihr Gebrauch (festes Drücken auf das Gesicht der Geschädigten) geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (Atemnot und kurzfristiger Verlust des Bewusstseins).“