StGB I: BGH zur Strafbarkeit des sog. AGG-Hopping, oder: Nach mehr als 10 Jahren geht es weiter

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Heute dann noch einmal ein wenig StGB.

Ein wenig ist allerdings leicht untertrieben, denn der BGH, Beschl. v. 04.05.2022 – 1 StR 3/21 – ist dann fast 25 Seiten lang. Das ist dann schon ein wenig mehr, was der BGH in dem Beschluss zur Strafbarkeit des sog. AGG-Hopping sagt.

Es geht um das Einreichen von sog. Scheinbewerbungen. Der Angeklagte und sein als Rechtsanwalt tätiger Bruder hatten 2011 den Entschluss gefasst, auf der Grundlage von Scheinbewerbungen des Angeklagten wiederholt Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehand­lungsgesetz (AGG) geltend zu machen. Nach dem Tatplan sollte sich der 42-jährige Angeklagte zum Schein auf Stellenangebote bewerben, deren Ausschreibungen aus seiner Sicht Anhalts­punkte für eine Alters- oder sonstige Diskriminierung im Sinne des AGG boten. Nach Ablehnung der Bewerbung sollte sein Bruder die ausschrei­benden Unternehmen in seiner Funktion als Rechtsanwalt anschreiben und sie im Namen des Angeklagten auffordern, an diesen wegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot im Auswahlverfahren eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern zu zahlen. Bei Ausbleiben der Zahlung sollte der behauptete Anspruch in aussichtsreichen Fäl­len gerichtlich weiterverfolgt werden, um auf diesem Wege die geforderte Ent­schädigung zu erhalten oder die beklagten Unternehmen zum Abschluss eines Vergleichs zu bewegen. Der Angeklagte hielt es für möglich und nahm billigend in Kauf, so die Feststellungen, dass ein Anspruch auf Entschädigung auf der Grund­lage einer bloßen Scheinbewerbung tatsächlich nicht bestand.

In Umsetzung dieses Tatplans kam es zu zwölf Taten. Angaben zur subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung enthielten die Forderungsschreiben bewusst nicht; gleichwohl ging der Angeklagte da­von aus, dass die verantwortlichen Personen der ausschreibenden Unternehmen hierüber bereits mit den außergerichtlichen Aufforderungsschreiben getäuscht werden und aufgrund ihres irrigen Eindrucks, die zuvor vom Angeklagten abge­gebene Bewerbung sei ernsthaft gewesen, den geltend gemachten Anspruch er­füllen. Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten und vollendeten Betrugstaten verurteilt.  Die Revision des Angeklagten war erfolgreich.

Ich stelle hier nichts aus den Gründen ein, sondern empfehle die dem Selbststudiom. Nur so viel: Der BGH hat zum Teil die Täuschungshandlungen, zum Teil aber auch den Irrtum verneint. Er hat insgesamt aufgehoben und zurückverwiesen und hat der Kammer beim LG, die nun entscheiden muss, die Frage eines Prozessbetruges zu prüfen, wenn die „Ansprüche“ gerichtlich weiter verfolgt worden sind. Zu Ende ist die Geschichte nach mehr als 10 Jahren also noch nicht.

Hier nur der – wenig aussagekräftige – Leitsatz der Entscheidung, die zur Veröffentlichung (auch) in BGHSt bestimmt ist:

Zu den Voraussetzungen einer Strafbarkeit bei vorgespiegelten Bewerbungen auf diskriminierende Stellenangebote zur Erlangung von Entschädigungsansprü­chen (sog. AGG-Hopping).

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