StPO II: Verletzung der Mitteilungspflicht? oder: Verständigungs- oder Organisationsgespräch?

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Im zweiten Posting des Tages dann noch einmal etwas zur Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO9, und zwat der BGH, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 StR 228/21. Die Sache ist zum zweiten Mal beim BGH. Der BGH hatte ein erstes Urteil des LG aufgehoben. Das hatte in dann erneut wegen  Untreue verurteilt, allerdings nicht mehr zu einer Freiheitsstrafe, sondern zu einer Geldstrafe.  Dagegen hat der Angeklagate dann nochmals Revision eingelegt, mit der u.a. ein Verstoß gegen § 243 Abs. 4 StPO gerügt worden war. Die hatte keinen Erfolg.

Die Rüge des Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO war im Hinblick auf ein zwischen der Vorsitzenden und dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft am 06.04.2020 geführtes Telefonat erhoben worden. In dem Telefonat hatte die Vorsitzende den Oberstaatsanwalt gefragt, ob er für einen gemeinsamen Besprechungstermin mit der Strafkammer und dem Verteidiger zur Verfügung stehe. Der Oberstaatsanwalt hatte dies bejaht und zugleich aber mitgeteilt mit, er wolle bereits jetzt erklären, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, wie vom Verteidiger vorgeschlagen, nicht einverstanden sei. Dies hat die Vorsitzende in einem zu den Akten gebrachten Vermerk niedergelegt, der vor der Hauptverhandlung dem Verteidiger im Wege der Akteneinsicht und dem Angeklagten durch Übersendung einer Kopie des Aktenauszuges bekannt gemacht wurde. In der Hauptverhandlung teilte sie den Inhalt dieses Vermerks dann nicht (noch einmal) mit.

Der BGH sieht keinen Rechtsfehler:

„a) Die Rügen eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 4 StPO zeigen keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.

aa) Die Rüge eines Verstoßes gegen die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO im Hinblick auf ein zwischen der Vorsitzenden und dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft am 6. April 2020 geführtes Telefonat ist unbegründet. In dem Telefonat fragte die Vorsitzende den Oberstaatsanwalt, ob er für einen gemeinsamen Besprechungstermin mit der Strafkammer und dem Verteidiger zur Verfügung stehe. Der Oberstaatsanwalt bejahte dies und teilte mit, er wolle bereits jetzt erklären, dass er mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO, wie vom Verteidiger vorgeschlagen, nicht einverstanden sei. Dies legte die Vorsitzende in einem zu den Akten gebrachten Vermerk nieder, der vor der Hauptverhandlung dem Verteidiger im Wege der Akteneinsicht und dem Angeklagten durch Übersendung einer Kopie des Aktenauszuges bekannt wurde. In der Hauptverhandlung teilte sie den Inhalt dieses Vermerks nicht mit.

Einen Rechtsfehler deckt die Revision damit nicht auf, denn Gegenstand des Telefongesprächs war nicht die Möglichkeit einer Verständigung, so dass es nicht der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO unterfiel. Die Mitteilungspflicht greift ein, sobald bei außerhalb einer Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168 Rn. 85; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2020 – 2 BvR 900/19, NJW 2020, 2461; BGH, Beschluss vom 18. August 2021 – 5 StR 199/21, NStZ 2022, 55). So verhält es sich hier nicht.

Die Frage der Vorsitzenden zielte allein auf die Organisation eines gemeinsamen Gesprächs zwischen den Verfahrensbeteiligten hin. Die Äußerung des Oberstaatsanwalts in diesem Zusammenhang stellt lediglich eine einseitige Willensbekundung auf den – wie allseits bekannt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 5 StR 366/19 Rn. 42) – bereits im ersten Durchgang von der Verteidigung formulierten Vorschlag einer Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO dar, die als solche (eine Reaktion der Vorsitzenden hierauf wird auch von der Revision nicht bestimmt behauptet) nicht mitteilungsbedürftig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2020 – 5 StR 366/19 Rn. 42). An der inhaltlichen Richtigkeit des Vermerks der Vorsitzenden bestehen keine Zweifel, zumal nach der Äußerung des Oberstaatsanwalts – anders als möglicherweise in anderen Fällen – auch keine Reaktion der Vorsitzenden hierzu nahelag, denn ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft kommt eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO von vornherein nicht in Betracht. Die von der Revision in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung von § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO liegt nicht vor, denn das Protokoll gibt den Verfahrensgang zutreffend wieder.

bb) Soweit die Revision das Fehlen einer sogenannten „Negativmitteilung“ nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO rügt, also einer ausdrücklichen Mitteilung der Vorsitzenden, dass keine Verständigungsgespräche stattgefunden hatten, schließt der Senat aus, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO beruht. Denn auch nach dem Vortrag der Revision (insbesondere auch zu dem ausführlich dokumentierten und in der Hauptverhandlung mitgeteilten Erörterungstermin am 9. November 2020) kann der Senat ausschließen, dass es Gespräche über die Möglichkeit einer Verständigung gegeben hat (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. August 2014 – 2 BvR 2172/13, NStZ 2014, 592, 594; BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 1 StR 523/13, NStZ-RR 2014, 115; vom 25. Februar 2015 – 5 StR 258/13, NStZ 2015, 232 mwN).“

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