StPO I: Die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme, oder: Hin und her, vor und zurück.

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Und dann heute gleich noch einmal ein StPO-Tag. Heute dann aber mit drei BGH-Entscheidungen.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 16.12.2021 – 1 StR 285/21 -, der noch einmal zur Wirksamkeit einer Revisionsrücknahme Stellung nimt.

Der Angeklagte ist vom LG wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden. Der Verteidiger legt Revision ein. Danach schreibt der Angeklagte selbst am 18.11.2021 dem BGH, er würde das Rechtsmittel zurücknehmen, wenn er ab dem nächsten Monat seine Therapie beginnen könne. Auf den Hinweis des BGH, dass eine Rücknahme nur ohne Bedingung erklärt werden könne, schreibt der Angeklagte am 02.12.2021, dass er zwar gestern auf Rat seines Verteidigers diesem gegenüber schriftlich erklärt habe, er wolle die Revision durchführen. Inzwischen sei er aber nach reiflicher Überlegung zu dem endgültigen Entschluss gekommen, das Rechtsmittel doch zurückzunehmen. Er halte also nicht länger an seiner anderslautenden Erklärung vom Vortag fest.

Mit am 07.12.2021 beim BGH eingegangenem Schreiben vom selben Tage leitete der Verteidiger des Angeklagten dem BGH die vom Angeklagten am 01.12.2021 abgegebene Erklärung zu, auf der eine weitere (handschriftliche) Erklärung des Angeklagten vom 03.12.2021 aufgebracht ist, mit der dieser mitteilt, dass er am 03.12.2021 nochmals mit seinem Verteidiger gesprochen habe und er „nunmehr unwiderruflich“ erkläre, dass die Revision nicht zurückgenommen werden solle; sein Schreiben vom 02.12.2021 und die darin erklärte Rücknahme seien „gegenstandslos“. Mit weiterem Schreiben vom 03.12.2021, beim BGH eingegangen am 10.12.2021, teilte der Angeklagte mit, er habe das Schreiben vom 02.12.2021 im Zustand der Verwirrung und Panik verfasst, weil er gedacht habe, das Revisionsverfahren stehe einer Therapie entgegen.

Der BGH hat die Erklärung vom 02.12.2021 als wirksame Rücknahme des Revision angesehen:

„2. Der Angeklagte hat seine Revision mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 wirksam zurückgenommen ( § 302 Abs. 1 StPO ). Da dies allerdings vom Angeklagten durch seine nachfolgenden Schreiben in Zweifel gezogen wird, stellt der Senat die eingetretene Rechtsfolge durch deklaratorischen Beschluss fest (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 ‒ 2 StR 27/21 Rn. 2 und vom 20. Februar 2017 ‒ 1 StR 552/16 Rn. 8 mwN).

Der Angeklagte hat seine Revision mit am 6. Dezember 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangenem Schreiben vom 2. Dezember 2021 wirksam zurückgenommen. Mit der von ihm ‒ unbedingt abgegebenen ‒ Erklärung vom 2. Dezember 2021 hat er ausdrücklich und unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er das Rechtsmittel zurücknimmt. Diese Rücknahmeerklärung ist unwiderruflich und unanfechtbar ( BGH, Beschluss vom 8. Juni 2021 ‒ 2 StR 27/21 Rn. 3 mwN; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, 64. Aufl., § 302 Rn. 9 mwN) und hat daher trotz der nachfolgenden Erklärungen des Angeklagten, er wolle an seinem Rechtsmittel festhalten, sein Schreiben vom 2. Dezember 2021 sei „gegenstandslos“, Bestand. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte bei Abgabe der Rücknahmeerklärung nicht in der Lage gewesen sein könnte, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen, seinen Willen frei zu bilden und zu erklären sowie die Bedeutung seiner Erklärung zu verstehen, liegen ‒ auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Angeklagten in seinem am 10. Dezember 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schreiben vom 3. Dezember 2021 ‒ nicht vor; der Inhalt des Schreibens des Angeklagten vom 2. Dezember 2021, das dieser nach einem Gespräch mit seinem Verteidiger über die Frage der Revisionsrücknahme verfasst hat, lässt erkennen, dass der Angeklagte seine Entscheidung über die Revisionsrücknahme nach einer gründlichen Abwägung getroffen hat.“

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