Und dann zum Schluss noch der OLG Rostock, Beschl. v. 20.08.2021 – 21 Ss OWi 102/21 (B), der auch – zumindest im weiteren Sinn – etwas mit dem Hauptverhandlungstermin zu tun hat. Ergangen ist der Beschluss in einem Bußgeldverfahren. Der Betroffene war von der Anwesenheitspflicht im Termin nicht entbunden. Er erscheint aber nicht. Sein Nichterscheinen entschuldigt er mit einem ärztlichen Attest. Das AG verwirft trotzdem. Begründung: Das vorgelegte ärztliche Attest lasse keine gerichtliche Prüfung einer etwaigen Verhandlungsunfähigkeit zu.
Dagegen die Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hat:
„1. Die gegen die Einspruchsverwerfung gerichtete Rüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG ist nicht zulässig erhoben.
a) Zwar durfte das Amtsgericht den Einspruch nicht mit der oben genannten Begründung verwerfen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausbleibt (§ 74 Abs. 2 OWiG) ist nicht, ob er sich durch eigenes Vorbringen genügend entschuldigt hat, sondern vielmehr, ob er entschuldigt ist, das heißt, ob sich aus den Um-ständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und im Wege des Freibeweises feststellbar waren, eine ausreichende Entschuldigung ergibt. Hierbei ist der Betroffene nicht zur Glaubhaftmachung oder zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe verpflichtet. Im Falle des Nichterscheinens wegen einer Erkrankung oder ähnlicher Umstände liegt ein Entschuldigungsgrund vor, wenn die damit verbundenen Einschränkungen oder Beschwerden nach deren Art und Auswirkung eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar machen, wobei Verhandlungsunfähigkeit nicht gegeben sein muss (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2016 – (2 B) 53 Ss-OWi 491/16; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 281). Der Tatrichter muss dabei eine ärztliche Bescheinigung nicht ungeprüft anerkennen. Bloße Zweifel an der Aussagekraft eines Attests dürfen jedoch nicht ohne weiteres zu Lasten des Betroffenen gehen. Vielmehr hat der Tatrichter in solchen Fällen von Amts wegen den Umständen nachzugehen, die Zweifel an der Entschuldigung begründen können, und den Sachverhalt aufzuklären (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.04.2005 – 1 Ss 40/05 m.w.N.).
Daran fehlt es hier. Ausweislich der Urteilsgründe hatte dem Gericht ein ärztliches Attest vom 27.05.2021 vorgelegen, das das Gericht mangels „konkreter Angaben“ zu Art und Schwere der angeblichen krankheitswertigen Beeinträchtigungen nicht als genügende Entschuldigung akzeptiert hat. Eine irgendwie geartete Nachfrage des Gerichts bei der behandelnden Ärztin oder sonstige Nachforschungen haben offenbar nicht stattgefunden.
b) Ob das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht, kann das Rechtsbeschwerdegericht vor-liegend jedoch nicht nachprüfen. Die formgerechte Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG erfordert nämlich, dass der Betroffene die die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen so genau und schlüssig vorträgt, dass sich die Verhinderung zum Terminszeitpunkt aufgrund der konkreten Umstände im Einzelnen für das Rechtsbeschwerdegericht erschließt. Hierzu gehört im Krankheitsfall die jedenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch zu benennende Art der Erkrankung, die aktuell bestehende Symptomatik und die Darlegung der daraus zur Terminszeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Aus dem Vortrag der konkreten Umstände der Erkrankung muss sich ergeben, dass diese als Entschuldigungsgrund auch geeignet waren und damit die Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Erscheinens in der Hauptverhandlung rechtfertigen. Ist der vorgebrachte Entschuldigungsgrund offensichtlich ungeeignet, das Fernbleiben des Betroffenen zu entschuldigen, kann das Urteil auf diesem Mangel nicht beruhen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2020 – (1 B) 53 Ss-OWi 49/20 (35/20) – m.w.N. – juris -).
Diesen Anforderungen wird das Rügevorbringen nicht gerecht, denn es werden weder die Art der Erkrankung, die am Terminstag bestehende Symptomatik und daraus zur Termins-zeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen mitgeteilt, so dass das Rechtsbeschwerdegericht nicht prüfen kann, weshalb dem Betroffenen die Teilnahme an der Hauptverhandlung krankheitsbedingt unmöglich oder unzumutbar gewesen sein soll.“
Na ja, das hätte man auch anders machen können. Man lässt die Frage der Zulässigkeit der Verwerfung des Einspruchs offen und stützt die Verwerfung der Rechtsbeschwerde nur auf die nicht ausreichende Begründung. So fragt man sich, warum das OLG dem Betroffenen und dem Verteidiger erst erklärt, dass das AG Mist gebaut hat, um dann dem Verteidiger zu erklären, dass er nicht ausreichend begründet hat. Das ist dann wohl der berühmte „Ätsch-Effekt“.