StPO I: Belehrung und Verständigung, oder: Der richtige Belehrungszeitpunkt

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Heute dann mal wieder drei StPO-Entscheidungen, alle drei stammen vom BGH.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 30.03.2021 – 2 StR 383/20. Er nimmt zum „richtigen“ Zeitpunkt für die Belehrung des Angeklagten in Zusammenhnag mit einer Verständigung (§ 257c StPO) Stellung.

Der BGH hatte folgendes Verfahrensgeschehen zu beurteilen:

„Der Vorsitzende teilte ? nach telefonischen Vorgesprächen mit der Staatsanwaltschaft und einem Verteidiger ? in der Hauptverhandlung vom 26. März 2020 als vorläufiges Beratungsergebnis der Strafkammer unter anderem mit, dass die bisherige Beweisaufnahme hinsichtlich des Angeklagten T. gewichtige Indizien ergeben habe, dass dieser eine Tötung nicht billigend in Kauf genommen habe, und zudem keine belastbaren Umstände ersichtlich seien, die für eine jedenfalls konkludente Mittäterschaft des Angeklagten Y. bezüglich der Schüsse des Angeklagten T. sprächen. Am darauffolgenden Sitzungstag gab die Strafkammer einen Verständigungsvorschlag bekannt, mit dem dem Angeklagten T. unter im Einzelnen aufgeführten Bedingungen eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen drei Jahren und drei Jahren und sechs Monaten und dem Angeklagten Y. eine Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und zudem die Aufhebung der Haftbefehle in Aussicht gestellt wurden. Den Verteidigern und den Angeklagten wurde Gelegenheit gegeben, ihre Verteidigung mit Blick auf den Verständigungsvorschlag einzurichten und sich zum Verständigungsvorschlag zu äußern. In Anbetracht des vom Landgericht zur Bedingung der Verständigung gemachten „angemessenen“ Täter-Opfer-Ausgleichs kam es im weiteren Verlauf der Verhandlung zur Übergabe von 10.000 € an den Nebenkläger, der den ihm in der Hauptverhandlung übergebenen Betrag entgegen- und die Entschuldigung der Angeklagten annahm. Anschließend stimmten beide Angeklagte nach Rücksprache mit ihren Verteidigern sowie die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft der Verständigung zu.

Erst danach belehrte der Vorsitzende die Angeklagten erstmals gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO. Die Verteidiger der Angeklagten gaben sodann eine Erklärung zur Sache ab, die von den Angeklagten jeweils als richtig bestätigt wurden.“

Das Landgericht hat den Angeklagten dann verurteilt. Mit der Verfahrensrüge wird in der Revision eine zu späte Belehrung geltend gemacht. Der BGh sieht das auch so:

„2. Die Rüge ist begründet. Der von den Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte die Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 ? 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358, 359; vom 11. Mai 2016 ? 1 StR 71/16, StV 2018, 111 mwN, und vom 8. November 2018 ? 4 StR 268/18, NStZ 2019, 169).

Die Geständnisse der Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Die Angeklagten haben die ihnen zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass den Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bei Abgabe ihrer Geständnisse bekannt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2019 ? 1 StR 295/19, NStZ-RR 2019, 385), bestehen nicht. Der Umstand, dass die Angeklagten noch vor Abgabe ihrer Geständnisse belehrt worden sind, ändert an dieser Beurteilung nichts (zu dieser Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 8. November 2018 ? 4 StR 268/18, NStZ 2019, 169). Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Angeklagten davon ausgegangen sind, an ihre erklärte Zustimmung gebunden zu sein. Eine „qualifizierte“ Belehrung, mit der sie darauf hingewiesen worden wären, dass sie an ihre erklärte Zustimmung nicht gebunden seien und diese folgenlos noch einmal überdenken könnten, ist nicht erfolgt.“

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