StGB III: Versuchter Wohnungseinbruchsdiebstahl, oder: Wenn der Beschuldigte noch auf der Leiter steht

Bei der dritten Entscheidung handelt es sich dann um einen auf eine Haftbeschwerde hin ergangenen Beschluss. Ja, richtig gelesen. Das gibt es tatsächlich, dass sich ein LG die Mühe macht und subsumiert. In diesem Fall war es das LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 15.04.2021 – 12 Qs 18/21, das im Rahmen einer Haftbeschwerde zu einem versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahl Stellung genommen hat.

In dem zur Prüfung anstehenden Haftbefehl wurde dem Beschuldigten zur Last gelegt:

„In der Nacht vom 2. auf den 3. März 2021, gegen 2:20 Uhr, begab sich der Beschuldigte auf das Grundstück des Zeugen P. in der pp. Straße pp. in Nürnberg, wofür er das abgesperrte Gartentor überwinden musste, da er die Absicht hatte, in das dortige Wohnhaus des Zeugen einzudringen, dieses nach Stehlenswertem zu durchsuchen und möglichst Hochwertiges zu entwenden. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, nahm der Beschuldigte eine im Garten des Anwesens stehende Leiter, lehnte diese gegen die Hauswand und bestieg diese in der Absicht, sich anschließend auf den Balkon des ersten Stockwerks des Anwesens zu hangeln und von dort aus in die Wohnung einzudringen. Der Zeuge P. bemerkte diesen Vorgang jedoch, machte die Hausinnenbeleuchtung an und begab sich selbst auf den Balkon, von wo aus er den Beschuldigten aufforderte, sich zu entfernen, was dieser tat.“

Darin hatte das AG einen versuchten schweren Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 242, § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4, §§ 22, 23 StGB) gesehen.  Anders das LG. Das hat den dringenden Tatverdacht verneint und den Haftbefehl aufgehoben:

„Die zulässig erhobene Beschwerde ist in der Sache begründet. Nach gegebenem Ermittlungsstand besteht für das unmittelbare Ansetzen zum Wohnungseinbruchsdiebstahl, und damit für dessen Versuch, kein dringender Tatverdacht.

Ein dringender Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO liegt vor, wenn auf der Grundlage der ermittelten Tatsachen angenommen werden kann, dass sich der Beschuldigte mit großer Wahrscheinlichkeit der ihm angelasteten Tat schuldig gemacht hat; bloße Vermutungen genügen dagegen nicht (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2007 – StB 34/07, juris Rn. 4). Die Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Ein unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung besteht in einem Verhalten des Täters, das nach seiner Vorstellung in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung führt oder im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2020 – 4 StR 397/19, juris m. w. N.).

2. Diese allgemeinen Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. April 2020 (5 StR 15/20, juris) im Hinblick auf den Versuchsbeginn beim Wohnungseinbruchsdiebstahl unter Auswertung der bisherigen Rechtsprechung zusammengefasst und präzisiert. Dazu hat er ausgeführt (aaO Rn. 6-8 m. w. N.):

Bei Diebstahlsdelikten ist darauf abzustellen, ob aus Tätersicht bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf das in Aussicht genommene Stehlgut besteht. Hierfür ist entscheidend, ob der Gewahrsam durch Schutzmechanismen gesichert ist. Ist das der Fall, reicht für den Versuchsbeginn der erste Angriff auf einen solchen Schutzmechanismus regelmäßig aus, wenn sich der Täter bei dessen Überwindung nach dem Tatplan ohne tatbestandsfremde Zwischenschritte, zeitliche Zäsur oder weitere eigenständige Willensbildung einen ungehinderten Zugriff auf die erwartete Beute vorstellt. Sollen mehrere gewahrsamssichernde Schutzmechanismen hintereinander überwunden werden, ist schon beim Angriff auf den ersten davon in der Regel von einem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme auszugehen, wenn die Überwindung aller Schutzmechanismen im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit paraten Mitteln erfolgen soll. Nicht erforderlich für das unmittelbare Ansetzen zur geplanten Wegnahme ist, dass der angegriffene Schutzmechanismus auch erfolgreich überwunden wird. Deshalb reicht der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelmäßig aus, um einen Versuchsbeginn anzunehmen. Demnach liegt ein versuchter Diebstahl noch nicht vor, wenn der Täter lediglich einen gewahrsamssichernden Schutzmechanismus anleuchtet, um ihn zu untersuchen. Desgleichen wenn er in der Nähe des Tatorts eintrifft, aber noch nicht sogleich mit der Benutzung des bereitgelegten Einbruchswerkzeugs beginnen will, oder er sich lediglich mit Mittätern zur Rückseite des Gebäudes begibt, in das eingebrochen werden soll. Kein Versuch ist weiter anzunehmen, wenn mit zeitlicher Verzögerung erst noch umfangreiches Werkzeug herbeigeschafft werden muss, um einen Bankautomaten aufbrechen zu können, oder wenn lediglich das Treppenhaus betreten und noch nicht auf den Wohnungsinhaber mit dem Ziel eingewirkt wird, den von ihm geschützten Gewahrsam anzugreifen. Beim Übersteigen eines Gartenzauns oder -tors mit der Absicht, in ein dahinter liegendes Haus einzubrechen, kommt es darauf an, ob Zaun oder Tor schon eine gewahrsamssichernde Funktion zukommt. Ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl ist hingegen zu bejahen, wenn der Täter das Einbruchswerkzeug bereits angesetzt hat, um damit einen Schutzmechanismus zu überwinden und anschließend in ein Gebäude zum Stehlen einzudringen.

3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im konkreten Fall ein unmittelbares Ansetzen des Beschuldigten zum Wohnungseinbruchsdiebstahl nicht hinreichend wahrscheinlich angenommen werden.

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