Urteilsgründe III: 450 Seiten Urteilsgründe sind zu lang, oder: Verschwendung von Ressourcen

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Und zum Schluss dann noch einmal ein Hilferuf des 2. Strafsenats des BGH. Der hatte über die Revision des Angeklagten gegen eine Verurteilung durch das LG Aachen wegen Zwangsprostitution zu befinden. Die Urteilsgründe waren 450 Seiten lang.

Das war dem BGH dann mal (wieder) ein wenig zu viel und er gibt nochmal im BGH, Beschl. v. 01.09.2020 – 2 StR 115/20 – den Hinweis: In der Kürze liegt die Würze 🙂 :

„Die Fassung der 450 Seiten umfassenden Urteilsgründe gibt dem Senat Anlass zu folgendem Hinweis:

Den gesetzlichen Anforderungen an eine – aus sich heraus verständliche – Beweiswürdigung genügt es, klar und bestimmt die für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts maßgeblichen Gesichtspunkte im Rahmen einer strukturierten, verstandesmäßig einsichtigen Darstellung hervorzuheben. Als Ergebnis einer wertenden Auswahl des Tatgerichts zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist das Beweisergebnis daher nur soweit zu erörtern, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist. Eine Dokumentation des Ermittlungsverfahrens und der Beweisaufnahme, etwa indem über hunderte von Seiten weitgehend gleichlautende Aussagen sowie polizeiliche Vernehmungen von Zeugen im Wortlaut mitgeteilt werden, wird dem nicht gerecht. Das Abfassen unangemessen breiter Urteilsgründe führt zu einer vermeidbaren Vergeudung personeller Ressourcen. Angesichts der durchweg hohen Belastungen der Strafjustiz sollte es im Interesse der Tatgerichte liegen, Arbeitskraft und Zeit nicht für das Verfassen mehrerer hundert Seiten starker Urteilsgründe in einfach gelagerten Fällen aufzuwenden (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 ? 2 StR 470/06, NStZ 2007, 720; Beschluss vom 11. März 2020 ? 2 StR 380/19, NStZ-RR 2020, 258; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Aufl., Rn. 350 ff. jew. mwN).“

Schön der nochmalige Hinweis: „Angesichts der durchweg hohen Belastungen der Strafjustiz sollte es im Interesse der Tatgerichte liegen, Arbeitskraft und Zeit nicht für das Verfassen mehrerer hundert Seiten starker Urteilsgründe in einfach gelagerten Fällen aufzuwenden.“ Da hätte der Senat auch schreiben können: Leute, geht vorsichtiger mit den knappen Ressourcen um, beschränkt euch auf das, was wichtig ist.

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