Entziehung der Fahrerlaubnis: Unbewusste Aufnahme von Drogen/Kokain und Haaruntersuchung

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Die zweite verwaltungsrechtliche Entscheidung kommt – wie bereits angekündigt – auch aus Bayern.

In dem VGH Bayern, Beschl. v. 14.09.2020 – 11 CS 20.1292 – ist die Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen Kokainkonsums im Streit. Es geht mal wieder um die unbewusste Einnahme von Drogen, hier: Kokain, und um die Verwertbarkeit einer Haaruntersuchung. Zu den Fragen der BayVGH:

„b) Daran gemessen ist das Landratsamt bei Erlass des Bescheides zu Recht von feststehender Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen und wird ihr Widerspruch voraussichtlich keinen Erfolg haben.

Die Antragstellerin hat in der Stellungnahme ihres Bevollmächtigten vom 10. Oktober 2019 die Einnahme von Kokain einräumen lassen. An diesem Eingeständnis, das im Übrigen in der Beschwerdebegründung in Bezug genommen und wiederholt wurde, muss sie sich festhalten lassen.

Daran anknüpfend ist das Verwaltungsgericht zutreffend – wie von Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV vorausgesetzt – von einem bewussten Konsum ausgegangen. Die vom Betroffenen unbemerkte Verabreichung durch Dritte und daher unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof derartige Behauptungen nur dann für beachtlich gehalten, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass der Einnahme von Betäubungsmitteln Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk zugänglich zu machen, ferner, dass diesem die Aufnahme des Betäubungsmittels tatsächlich unbekannt blieb (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18 m.w.N.).

An einem solchen Vortrag fehlt es hier. Insbesondere bleibt das Motiv unerfindlich, aus dem der in Berlin wohnhafte Freund der Antragstellerin dieser zwischen dem 12. Juni und dem 16. Juni 2019 gleich mehrmals Kokain ins Getränk gemischt haben sollte. Das Vorbringen, er sei „am besagten Tag“ ziemlich alkoholisiert gewesen und habe sich nichts dabei gedacht, erweist sich insoweit als unbehelflich. Ferner lässt sich die Darstellung der Antragstellerin nicht damit vereinbaren, dass die Kriminalpolizeiinspektion Kempten am 17. Juni 2019 bei der Durchsuchung ihrer Wohnung Kokainkonsumutensilien vorgefunden hat sowie ca. 1 Gramm Kokainstein, das in einem Papierbriefchen eingewickelt war, welches nach dem daktyloskopischen Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 7. Oktober 2019 Fingerspuren der Antragstellerin trägt. All dies sind gewichtige Indizien für den Eigenkonsum der Antragstellerin.

Dass die Antragstellerin Kokain konsumiert hat, wird im Übrigen durch das Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg vom 5. September 2019 bestätigt. Danach fanden sich in der am 24. Juli 2019 genommenen Haarprobe der Antragstellerin Cocain und Cocainabbauprodukte in Konzentrationen, die einen gelegentlichen Konsum von Kokain im Zeitraum von etwa Mai 2018 bis Mai 2019 belegen.

Dieses Gutachten ist auch verwertbar. Soweit die Antragstellerin einwendet, die Haarprobe sei nicht ordnungsgemäß entnommen worden und könne nachträglich kontaminiert worden sein, greift dies nicht durch. Eine Verunreinigung der Haare durch exogene Antragungen stellt eine Ausnahme dar. Wer eine solche behauptet, muss deshalb einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2018 – 11 ZB 18.344 – juris Rn. 19). Daran fehlt es hier. Das Vorbringen, es sei nicht unüblich, dass ein Polizeibeamter berauschende Substanzen sicherstelle, dadurch Drogenrückstände an seinen Händen hafteten und dass er bei einer Durchsuchung die Plastikverpackung von aufgefundenen Betäubungsmitteln mit seinem Taschenmesser aufschneide, stellt sich als rein spekulativ dar. Zudem ist in dem Gutachten festgehalten, dass die Haare vor der Analyse dekontaminiert wurden (vgl. dazu auch Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP]/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt DGVP/DGVM, S. 254; Anhang C zur GTFCh-Richtlinie „Anforderungen an die Untersuchung von Haarproben“, Abschnitt 4.1).

Ebenfalls ins Leere geht der Einwand, die bei der Probe entnommenen Haare seien regelmäßig gebleicht sowie gefärbt, stark ausgewaschen bzw. in ihrer Struktur verändert worden und damit ungeeignet, den Konsum von Betäubungsmitteln nachzuweisen. Durch intensive Haarkosmetik wie Bleichen und Färben kann zwar ein Teil der Substanzen aus den Haaren entfernt und deren Nachweisbarkeit erschwert werden (vgl. Möller in Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3.Aufl. 2016, § 3 Rn. 246; Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehrsrecht, 2007, Rn. 1227), so dass die Eignung behandelter Haare zum Nachweis einer Abstinenz in Frage gestellt ist (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, S. 268 f.; BayVGH, B.v. 28.6.2010 – 11 CS 10.508 – juris Rn. 65). Dass aber umgekehrt die kosmetische Behandlung fehlerhaft einen positiven Befund zur Folge haben kann, ist in den vorbenannten Quellen nicht beschrieben und auch durch die Antragstellerin nicht dargelegt.

Durch den vorgelegten ärztlichen Befundbericht des MVZ Labors K vom 28. Februar 2020 wird das behördlich herangezogene Gutachten nicht erschüttert. Insoweit erscheint bereits nicht hinreichend gesichert, dass die dort untersuchte Haarprobe tatsächlich von der Antragstellerin stammt und diese unverändert beim Untersuchungslabor eingegangen ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.6.2010 – 11 CS 10.508 – juris Rn. 57 ff.; VGH BW, B.v. 25.11.2010 – 10 S 2162/10 – juris Rn. 10; Anhang C zur GTFCh-Richtlinie „Anforderungen an die Untersuchung von Haarproben“, Abschnitt 2.1). Ferner hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass jene Probe sieben Monate nach der ersten, durch das rechtsmedizinische Institut der Universität Erlangen-Nürnberg untersuchten Haarprobe entnommen wurde und das entsprechende Haarsegment zwischenzeitlich durch äußere Einflüsse beeinflusst worden sein kann. Im Übrigen verhält sich der Befundbericht nur zu einer gewohnheitsmäßigen Aufnahme von Kokain und stellt, in Einklang mit den Erkenntnissen zur Eignung von Haaranalysen als Negativattest (vgl. dazu BayVGH, B.v. 28.6.2010 – 11 CS 10.508 – juris Rn. 65; Anhang C zur GTFCh-Richtlinie „Anforderungen an die Untersuchung von Haarproben“, Abschnitt 6.1), klar, ein gelegentlicher Konsum lasse sich nicht ausschließen…..“

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