Seit dem 31.07.2020 steht auf der Homepage des BMJV der „Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Justizkosten-und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021–KostRÄG 2021) online. Dabei handelt es sich um den lange erwarteten Entwurf u.a. zur Anhebung der anwaltlichen Gebühren.
Dazu heißt es auf der Homepage des BMJV:
„Die Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) sind zuletzt zum 1. August 2013 erhöht worden. Mit Blick auf die erheblich gestiegenen Kosten für den Kanzleibetrieb und im Interesse einer Teilhabe der Anwaltschaft an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung erscheint eine erneute Anhebung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung geboten.
Gleichzeitig sind auch die Sach- und Personalkosten der Justiz gestiegen. Mit einer Erhöhung der Rechtsanwaltsgebühren sowie der ebenfalls geplanten Anpassung der Honorare der Sachverständigen, Sprachmittlerinnen und Sprachmittler sowie der Entschädigungen für Zeuginnen und Zeugen sind zudem höhere Ausgaben des Staates in Rechtssachen verbunden. Daher bedürfen auch die Gerichtsgebühren einer Anpassung.
Darüber hinaus greift der Entwurf weiteren Änderungsbedarf im Bereich des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts auf, der sich seit der letzten größeren Überarbeitung im Jahr 2013 ergeben hat.“
Einige markige Worte zu einem in meinen Augen mickrigen Entwurf, zumindest betreffend Änderungen des RVG (in Teil 4 und 5 VV RVG). Für die anderen Bereiche kann ich es nicht abschließend beurteilen. Aber viel besser wird es im Zweifel auch nicht sein. Darum hat man wohl lieber diesen Gesetzesentwurf auch gar nicht erst „3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz“ genannt. Das war wohl selbst dem BMJV etwas viel/übertrieben.
Ich will hier jetzt nur kurz die Änderungen vorstellen, die für Straf- und Bußgeldrechtler kommen, also Teil 4 und 5 VV RVG. Das ist nicht viel und in meinem Augen auch nichts Weltbewegendes, aber das kann man von dieser BMJV-Ministerin eh nicht erwarten.
Also dann hier die wesentlichen Einzelheiten:
1. An der Spitze natürlich die lineare Anhebung der Gebühren um 10 %, die für alle Teile des RVG gilt. Das hört sich viel an. Ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass die letzte Erhöhung aus dem Jahr 2013 stammt und davor die Anwaltsgebühren letztmals 1994 angehoben worden sind. Die Einführung des RVG 2004 hatte keine linearen Erhöhungen gebracht. Die Erhöhungen, die durch das RVG eingetreten sind, waren auf die geänderten Strukturen zurückzuführen. 10 % nicht viel? Nein, wenn man sich mal die Steigerungen in anderen Bereichen in dem Zeitraum ansieht, werden die sehr schnell aufgefressen. Und: Wenn ich auf die Schnelle richtig gerechnet habe, dürften die Gehälter der Bundesbeamten in dem Zeitraum um rund 20 – 25 % brutto gestiegen sein.
2. In § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG – Stichwort: Erstreckung – wird eingefügt: „und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt und beigeordnet“. M.E. sinnvoll, denn: Werden Verfahren zunächst verbunden und erfolgt erst danach die anwaltliche Bestellung oder Beiordnung in dem nunmehr verbundenen Verfahren, gilt Absatz 6 Satz 1 unmittelbar (siehe Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 24. Auflage, Rn. 205 zu § 48). Es sind keine Gründe ersichtlich, warum das Gericht nach Absatz 6 Satz 3 die Erstreckungswirkung ausdrücklich anordnen sollte. Die vorgeschlagene Ergänzung von Absatz 6 Satz 3 stellt dies klar und beschränkt den Anwendungsbereich auf die Fälle der nach der Beiordnung oder Bestellung erfolgten Verfahrensverbindungen und stellt damit indirekt auch klar, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Bestellung oder Beiordnung nach der Verbindung deshalb nicht erforderlich ist, weil Absatz 6 Satz 1 unmittelbar gilt.“ Habe ich doch schon immer gesagt.
3. In § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG werden die Wörter „als die Höchstgebühren“ durch die Wörter „als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren“ ersetzt. Damit wird der Streit um die Auslegung dieser Regelung im Sinne der herrschenden Meinung geregelt.
4. Es wird dann demnächst einen neuen Absatz 3 bei der Vorbem. 4.1 VV RVG geben. Da soll es dann heißen:„Kommt es für eine Gebühr auf die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung an, so sind Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen. Dies gilt nicht für Wartezeiten und Unterbrechungen, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat, sowie für Unterbrechungenvon jeweils mehr als einer Stunde,soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden.“
Gemeint sind damit die Längenzuschläge bei den den Terminsgebühren der Pflichtverteidiger. Mit der Regelung will man das Rechtsprechungsdurcheinander beseitigen. Ob das gelingt, wage ich zu bezweifeln. Die o.a. Formulierung wird – das räume ich ein – manchen Streitpunkt beseitigen, es werden sich aber neue auftun. Und zwar vor allem in Verfahren mit mehreren Verteidigern und bei der Auslegung des Begriffs „zu vertreten hat“. Bezirksrevisoren sind sehr erfinderisch in dem, was Rechtsanwälte zu vertreten habe.
5. In Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG werden die Wörter „in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil bestimmen, entstehen die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren“ durch die Wörter „sind die Vorschriften dieses Teils entsprechend anzuwenden“ ersetzt.
Eine in meinen Augen „geniale Änderung“ 🙂 . Die brinngt an der Stelle m.E. nämlich nichts, aber: Sie nimmt ein Argument an anderer Stelle, wenn es nämlich um die Frage geht, welche Gebühren für die Tätigkeit des Zeugenbeistands im Strafverfahren entstehen bzw., ob die als Einzeltätigkeit abzurechnen sind. da ist nämlich immer – mit Recht – mit der (bislang) unterschiededlichen Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG und in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG argumentiert worden. Das ist dann demnächst nicht mehr möglich. Und so bringt man noch mehr Wasser auf die Mühlen derjenigen, die von einer Einzeltätigkeit ausgehen, was falsch ist. Ich frage mich, warum man nicht so mutig ist und die Streitfrage eindeutig in dem ein oder anderen Sinn endgültig regelt.
So, das ist es im Wesentlichen. Der Rest sind redaktionellen Änderungen ohne große Auswirkungen. Wie gesagt, in meinen Augen mickrig. Allein schon, dass nicht in der Nr. 7000 VV RVG wieder eine Regelung zugunsten der Abrechenbarkeit von Scans aufgenommen worden ist, sagt alles. Der Entwurf trägt in meinen Augen deutlich die Handschrift der Bundesländern. Die wollten so wenig wie möglich an zusätzlichem Geld ausgeben. Daher auch die zeitgleich Anhebung der Gerichtskosten pp. Dagegen hatten sich BRAK und DAV gewehrt. Und was haben wir jetzt? Wie man bei dem Ergebnis schreiben kann „Auch wenn nicht alle Forderungen von DAV und BRAK in den vorliegenden Referentenentwurf Eingang gefunden haben – das vorliegende Ergebnis ist ein Erfolg und zeigt, dass sich die Mühen der letzten Monate gelohnt haben.“ erschließt sich mir – zumindest für Teil 4 und 5 VV RVG nicht. Man sollte sich lieber hinsetzen und weinen.
Wie geht es nun weiter? Derzeit läuft die Anhörung der Verbände, wohl bis zum 24.08. Danach gibt es dann einen Regierungsentwurf. Ich rechne bei dem nicht mehr mit Änderungen. Dieses kleine Paket scheint festgezurrt zu sein. Und dann geht es ins Gesetzgebungsverfahren. Auch da wird es m.E. keine Änderungen geben. Die Länder werden sich dagegen wehren. In Kraft treten sollen die Änderungen ggf. schon am 01.01.2021. M.E. ambitioniert, aber – wie Corona gezeigt hat – möglich ist alles, wenn man will.
Ja, wenn man will. Wenn man gewollt hätte, hätte man auch einen besseren Entwurf – für Teil 4 und 5 – vorstellen können.
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