Heute stelle ich dann wieder drei Entscheidungen vor, die mit Pflichtverteidigungsfragen zu tun haben.
An der Spitze der KG, Beschl. v. 09.04.2020 – 2 Ws 30-31/20 – zur (nachträglichen) Auswechslung des Pflichtverteidigers. Ergangen ist der Beschlussin einem Verfahren, in dem um Fortdauer der Sicherungsverwahrung gestrittetn wird. Die wird gegen den Veruretilten seit März 2007 vollstreckt. In der Folgezeit hat die Strafvollstreckungskammer jeweils die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet, zuletzt mit Beschluss vom 12. 06.2019. Diese Entscheidung hat das KG durch Beschluss vom 19.09.2019 – 2 Ws 124/19 – bestätigt. Mit Beschluss vom 12.02.2020 hat die Strafvollstreckungskammer erneut die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich u.a. die sofortige Beschwerde.
Zudem hat das LG mit weiterem Beschluss vom 12.02.2020 einen Antrag auf Entlassung „seines bisherigen und Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers“ zurückgewiesen. Die Entscheidung hat der Sicherungsverwahrte mit dem Rechtsmittel der (einfachen) Beschwerde angefochten. Das Rechtsmittel, um das hier geht, hatte keinen Erfolg:
„Die – gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde auszulegende – Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthaft und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO). Sie ist jedoch teils unzulässig und im Übrigen unbegründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu u.a. ausgeführt:
„Soweit sie sich gegen die Ablehnung der Entlassung des bisherigen und Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer wendet, ist sie mangels Beschwer unzulässig. Denn eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für das im Rechtszug abgeschlossene Verfahren ist unzulässig (vgl. KG, Beschluss vom 16. März 2015 – 4 Ws 30/15 –).“
Diese Ausführungen macht sich der Senat zu eigen und weist ergänzend auf Folgendes hin:
a) Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Entlassung des bisherigen und Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers auf das erstinstanzliche Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer bezieht, ist sie – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat – unzulässig. Denn die für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels erforderliche Beschwer des Rechtsmittelführers (vgl. BGHSt 28, 327, 330; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 62. Aufl., vor § 296 Rn. 8) setzt voraus, dass die ergangene Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den betroffenen Verfahrensbeteiligten bewirkt, seine Rechte und geschützten Interessen unmittelbar beeinträchtigt und die Beseitigung eines unzutreffenden Beschlusses dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstige Entscheidung eröffnet (vgl. BGHSt 27, 290, 293; Senat, Beschlüsse vom 21. November 2017 – 2 Ws 182/17 – mwN und vom 15. Dezember 2014 – 2 Ws 379/14 – jeweils mwN). Vorliegend war das Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung im ersten Rechtszug mit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer abgeschlossen.
Der Senat hält an der nach wie vor herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung fest, nach der eine nachträgliche, rückwirkende Bestellung für ein abgeschlossenes Verfahren (vgl. BGH, NStZ-RR 2009, 348; NStZ 1997, 299; Senat aaO mwN) oder einen abgeschlossenen Instanzenzug (vgl. KG, Beschluss vom 16. März 2015 aaO) unzulässig ist und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag – wie hier – rechtzeitig gestellt wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. Oktober 2012 – 3 Ws 215/12 – juris; KG Beschlüsse vom 30. September 2014 – 4 Ws 84/14 –, 12. Januar 2011 – 3 Ws 13/11 – und 4. November 2009 – 3 Ws 717/09 –; Senat StV 2007, 372, 373). Denn die Bestellung des Pflichtverteidigers dient nicht dem Kosteninteresse des Betroffenen oder seines Verteidigers, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Betroffener in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist (vgl. OLG Hamm aaO; Senat StV 2007, 372, 373 mwN; Beschlüsse vom 21. November 2017 aaO und 15. Dezember 2014 aaO).
b) Nach § 143 Abs. 1 StPO – neugefasst durch das am 13. Dezember 2019 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 ( I S. 2128) – endet die Bestellung des Pflichtverteidigers erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Da die Bestellung des Pflichtverteidigers dementsprechend über den Abschluss des ersten Instanzenzuges hinaus andauert, ist der Sicherungsverwahrte durch die ablehnende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer insoweit beschwert, als diese die Pflichtverteidigerbestellung für die noch nicht abgeschlossene Beschwerdeinstanz betrifft.
Insoweit ist die sofortige Beschwerde jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses unbegründet. Der Senat merkt insoweit lediglich an, dass § 143 StPO n.F. keine Regelung zur Zurücknahme der Bestellung eines Pflichtverteidigers mehr enthält, sondern nunmehr § 143a StPO n.F. den Verteidigerwechsel regelt. An den inhaltlichen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer ändert dies indes nichts.“
Nun ja, das war letztlich zu erwarten. Man wird also wie bisher zwei Richtungen/Meinungen haben: Einmal die OLG, die an der alten Rechtsprechung trotz der Neuregelungen festhalten und die LG, die – nach wie vor und m.E. zutreffend – die nachträgliche Beiordnung für zulässig halten. Unschön.