Kostenfestsetzungsverfahren, oder: Beginn der Verzinsungspflicht

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich zwei Entscheidungen vor, die mit „Verzinsungsfragen“ befassen.

Die erste ist der KG, Beschl. v. 29.10.2019 – 1 Ws 31/19, der sich zum Beginn der Verzinsungspflicht im Kostenfestsetzungsverfahren äußert, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

„Der Verurteilte hat mit Festsetzungsantrag seiner Verteidigerin Rechtsanwältin RA1 vom 27. Dezember 2015 seine notwendigen Auslagen infolge der erstinstanzlichen Verteidigung durch Rechtsanwältin RA1 und die Mitverteidigerin Rechtsanwältin RA2 sowie seiner revisionsinstanzliche Verteidigung durch — insoweit klargestellt (erst) durch Schriftsatz vom 24. Januar 2018 — Rechtsanwalt RA3 geltend gemacht und auf einen Betrag von 77.041,31 Euro zuzüglich Verzinsung ab Eingang des Antrags (27. Dezember 2015) beziffert. Mit einem ergänzenden Festsetzungsantrag vom 29. Dezember 2015 (Eingang am selben Tag) hat er einen zusätzlichen Betrag von 5.981,17 Euro nebst Verzinsung gefordert, mithin insgesamt 83.022,48 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schriftsätze verwiesen. Es folgte ein Schriftwechsel zwischen dem Rechtspfleger des Landgerichts und Rechts-anwältin RA1, u.a. mit einem (so auch bezeichneten) korrigierten Festsetzungsantrag vom 25. Oktober „2015″ (gemeint 2017) und schließlich einem weiteren Festsetzungsantrag vom 3. Juli 2018, eingegangen am 5. Juli 2018. In letzterem bezifferte Rechtsanwältin RA1 die zu erstattenden notwendigen Auslagen des Verurteilten infolge der Verteidigung durch sie und Rechtsanwältin RA2 im vorbereitenden Ver-fahren und in der ersten Instanz sowie infolge der Verteidigung durch sie, Rechtsanwältin RA2 und Rechtsanwalt RA3 in der Revisionsinstanz auf insgesamt 60.550,71 Euro nebst Verzinsung seit dem 27. Dezember 2015.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. November 2018 hat der Rechtspfleger des Landgerichts die notwendigen Auslagen des Verurteilten auf einen Betrag von 23.329,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 5. Juli 2018 aus 22.223.11 Euro und seit dem 26. Oktober 2017 aus 1.106,70 Euro festgesetzt; wobei er eine Quote von 40 % für den auf die Landeskasse entfallenden Anteil auf die Vergütung der Verteidigung in der ersten Instanz bestimmte. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Von einer Entscheidung über die gemäß Nrn. 4100, 4104 und 4112 VV RVG geltend gemachten Gebühren der Rechtsanwältin RA1 hat der Rechtspfleger abgesehen und insoweit die Entscheidung zurückgestellt.“

Das KG führt zur Verzinsung aus:

„Rechtsfehlerhaft ist die angefochtene Verzinsungsentscheidung.

Es trifft nicht zu, dass der (zuletzt gestellte) Antrag vom 3. Juli 2018 ein „neuer“ Antrag gewesen und „davon auszugehen“ sei, dass „alle bisher gestellten Anträge zu-rückgenommen sein sollen“. Es handelt sich hier um ein komplexes Kostenfestsetzungsverfahren, in dessen Verlauf der ursprüngliche Kostenfestsetzungsantrag mehrfach in Reaktion auf verschiedene Verfügungen des Rechtspflegers modifiziert wurde. Es wurden hierbei auch Teile des ursprünglichen Antrags, nicht jedoch der Antrag insgesamt zurückgenommen. Letztlich geht auch der angefochtene Beschluss nicht von der (vollständigen) Rücknahme des ursprünglichen Antrags vom 27. Dezember 2015 und die Anbringung eines neuen Antrags durch den Schriftsatz vom 3. Juli 2018 aus. Denn sonst wäre nicht nachvollziehbar, warum für einen Teilbetrag in Höhe von 1.106,70 Euro die Verzinsung ab dem 26. Oktober 2017. mithin einen Zeitpunkt vor der Anbringung des Antrages vom 3. Juli 2018 festgesetzt worden ist.

§ 464b Satz 2 StPO bestimmt, dass die Auslagen von der Anbringung des Festsetzungsantrags an zu verzinsen sind. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies erst, wenn der Antrag den Anforderungen des § 103 Abs. 2 Satz 2 ZPO entspricht, d.h. die Kostenberechnung und die zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze dienenden Belege enthält (vgl. Beschlüsse vom 11. November 2010 – 1 Ws 157/10 ¬und 13. Dezember 2011 – 1 Ws 101/11 -).

Hier verhielt es sich so. dass die Anträge vom 27. und 29. Dezember 2015 teilweise erhebliche Lücken aufwiesen und — insoweit — den Anforderungen des § 103 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht entsprachen. Denn es war nicht dargetan und erst recht nicht belegt, dass Rechtsanwältin RA2 und Rechtsanwalt RA3 die sie betreffenden Gebühren bestimmt hatten im Sinne des § 14 RVG. Entsprechende Erklärungen dieser beiden Verteidiger wurden erst sehr viel später eingereicht (Schriftsätze vom 26. Oktober 2017 bzw. 24. Januar 2018). Zudem blieb unklar, für welchen der drei Rechts-anwälte die am 27. Dezember 2015 beantragte Gebühr für die Verteidigung in der Revisionsinstanz geltend gemacht worden war; auch dies wurde erst sehr viel später klargestellt (Schriftsatz vom 24. Januar 2018). Eine Entscheidung betreffend Rechtsanwältin RA2 und Rechtsanwalt RA3 konnte daher nicht ergehen mit der Folge, dass eine Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt festzusetzen war. als die Festsetzungshindernisse behoben waren.

Anders liegt es hinsichtlich der Vergütung der Rechtsanwältin RA1. Die Anträge vom 27. und 29. Dezember 2015 enthielten zwar „handwerkliche“ Mängel, soweit darin für die jeweiligen Hauptverhandlungstage Gebühren „nach RVG VV Nr. 4118 RVG“ (gemeint Nr. 4114) und unter Zugrundelegung eines nicht dem geltenden Recht entsprechenden Gebührenrahmens geltend gemacht wurden. Dies stand jedoch einer Teilentscheidung über die Anträge vom 27. und 29. Dezember 2015 nicht im Wege. bei der es die Aufgabe des Rechtspflegers gewesen wäre, die im Sinne des § 14 RVG angemessenen Gebühren der Rechtsanwältin RA1 und insbesondere die dem Verurteilten zu erstattende Quote seiner notwendigen Auslagen festzusetzen. Der in der Verfügung vom 7. Juli 2016 enthaltenen, das Verfahren nicht fördernden Belehrung der Rechtsanwältin, dass für den vorgelegten Kostenfestsetzungsantrag die Differenzmethode anzuwenden sei, alternativ auch gemäß § 464d StPO eine Quotelung möglich sei — ohne die hier in Betracht kommende Quote zu nennen —. bedurfte es nicht. Die Sache war (abgesehen von der Einholung der Stellungnahme der Bezirksrevisorin des Landgerichts) insoweit entscheidungsreif.

 

Der Senat ändert die Verzinsungsentscheidung dementsprechend ab. ….“

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