Verteidigung im Steuerstrafverfahren, oder: Eine oder drei Angelegenheiten?

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Die zweite Entscheidung des Tages stammt vom AG Bad Liebenwerda. Das hat im AG Bad Liebenwerda, Urt. v. 11.06.2019 – 12 C 25/19 – u.a. zum Begriff der Angelegenheiten im (Steuer)Strafverfahren Stellung genommen.

Grundlage war u.a. folgender Sachverhalt:

„Im Jahr 2012 leitete das Finanzamt Cottbus gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen ÜLStr 057/408/12 wegen der Nichtabgabe von Steuererklärungen ein. Der Kläger beauftragte den Beklagten mit seiner Vertretung im Ermittlungsverfahren. Der Beklagte zeigte am 03.12.2012 gegenüber dem Finanzamt seine Vertretung an. Der Kläger leistete an den Beklagten einen Vorschuss i.H.v. 4.000 EUR.

Am 17.09.2013 eröffnete das Finanzamt dem Kläger die Erweiterung des Strafverfahrens wegen der Nichtabgabe der Steuererklärung für die Umsatzsteuer der Jahre 2010 und 2011 (BI. 33 der Akte). Das Finanzamt legte den Tatzeitraum für 2 Handlungen fest vom 30.09.2011 bis zum 31.12.2012. Inzwischen arbeiteten die vom Kläger beauftragten Steuerberater der ppp. Steuerberatungsgesellschaft mbH in den Steuerangelegenheiten des Klägers (BI. 31 – 32 der Akte).

Am 28.02.2014 zeigte das Finanzamt die Erweiterung des Ermittlungsverfahrens wegen Nichtabgabe der Steuererklärung für das Jahr 2009 an (BI. 34 der Akte). Das Finanzamt bestimmte den Tatzeitraum für die Zeit vom 01.01.2011 bis 18.09.2013. Das Finanzamt versandte zu den in 3 Teilen geführten Ermittlungen jeweils gesonderte Anhörungsbögen. Am 12.03.2014 zeigte der Beklagte gegenüber dem Finanzamt seine Vertretung an.“

Es kommt dann zum Streit zwischen Kläger und Beklagtem und dem Zivilverfahren, in dem der Kläger Rückzahlung von Gebühren verlangt. Er war der Auffassung, die Abrechnung des Beklagten sei fehlerhaft. Der Beklagte könne nicht Gebühren für die einzelnen vorgeworfenen Handlungen dreimal in der Rechnung geltend machen. Es handele sich gebührenrechtlich um dieselbe Angelegenheit, wie das Kammergericht am 18.01.2012 entschied (1 Ws 2/12). Die mehrfach in Rechnung gestellten Verfahrensgebühren wären auch nicht angefallen, wenn der Beklagte für alle Veranlagungszeiträume eine Kompaktberatung vorgenommen hätte. Die Terminsgebühr könne der Beklagte nicht verlangen. Es fehle am konkreten Hinweis zum Gebührenansatz.

Die Klage hat keinen Erfolg. Das AG führt u.a. aus:

„Der Umfang der rechtsberatenden Dienste war vom Tatvorwurf begrenzt. Dieser bezog sich bei Beauftragung des Beklagten auf das Jahr 2008 und nach den Erweiterungen durch das Finanzamt auf die dort genannten anderen Tatzeiträume. Die getrennten Tatzeiträume, für die das Finanzamt nacheinander die Ermittlungen aufnahm führen dazu, die Tätigkeit des Beklagten gebührenrechtlich nicht als eine Angelegenheit zu betrachten.

Zum Begriff der Angelegenheit führt der BGH aus:

Die Angelegenheit bedeutet den Rahmen, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, wobei im Allgemeinen der dem Anwalt erteilte Auftrag entscheidet. Als Gegenstand wird das Recht oder Rechtsverhältnis angesehen, auf das sich auftragsgemäß die jeweilige anwaltliche Tätigkeit bezieht.

Allerdings relativiert der BGH diese Definition durch die Aussage, dass die Würdigung, ob eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, vom jeweiligen Einzelfall abhängig und nicht einer generalisierenden Beurteilung zugänglich sind. So kann man wohl sagen, dass eine Angelegenheit dann vorliegt, wenn 3 Voraussetzungen erfüllt sind: Ein Auftrag, ein Rahmen der Tätigkeit, ein innerer Zusammenhang. Nur wenn diese 3 Voraussetzungen vorliegen, liegt eine Angelegenheit vor. Fehlt eine der Voraussetzungen, sind mehrere Angelegenheiten gegeben.

So verhält es sich hier. Der Kläger erteilte nicht einen Auftrag, sondern 3 in einem zeitlichen Abstand von mehreren Monaten verteilt auf einen Zeitraum von 14 Monaten. Jeder Tatvorwurf bezog sich auf einen eigenen Tatzeitraum, einen eigenen Tatentschluss des Klägers für den jeweiligen steuerpflichtigen Zeitraum und somit um jeweils eine eigene Tat. Es spielt keine Rolle, wie der strafrechtliche Vorwurf von der Strafverfolgungsbehörde behandelt wird. Grundsätzlich steilt daher jedes Ermittlungsverfahren einen Rechtsfall dar (Hamann, Kostengesetze, 37. Auflage W 4100 Rn. 8, Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 16. Aufl. VV 4100-4101. 2005 Rn. 46). Das im Jahr 2012 eröffnete Ermittlungsverfahren erfuhr daher 2 eigenständige Erweiterungen.

Gebührenrechtlich liegen damit 3 Rechtsfälle vor (Landgericht Hamburg, Beschluss vom 05.08.2008-622 Qs 43/08). Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Kammergerichts Berlin findet auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Der Sachverhalt ist nicht vergleichbar. Dort schlug der Beschuldigte innerhalb weniger Minuten im Zustand verminderter oder aufgrund erhobener Schuldfähigkeit wahllos auf 3 Straßenpassanten ein und leistete gegenüber dem Polizeibeamten Widerstand. Die einzelnen aufgenommene Strafanzeigen behandelte derselbe Sachbearbeiter. Bei Würdigung des Einzelfalls, wie vom BGH verlangt, ist der vorliegende Rechtsstreit mit dem vom Kläger bemühten in keinster Weise zu vergleichen.

Damit ist für jeden Rechtsfall – jeder Tatvorwurf mit eigenem Tatzeitraum – in der Gebührenrechnung in nicht zu beanstandender Weise die Grundgebühr nach VV 4100, die Verfahrensgebühr nach VV 4104 und zu den jeweils dort genannten Terminen (03.12.2012 und 23.09.2013) die Terminsgebühr nach VV 4102 angefallen. Eines weiteren Hinweises des Beklagten für den Anfall der Terminsgebühr bedurfte es nicht, weil die hierzu notwendigen Angaben in der Rechnung vorhanden sind.“

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