StPO I: Der BGH und die fehlerhafte richterliche Vernehmung, oder: Mich überrascht es nicht

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Heute ist dann mal wieder ein StPO-Tag. Und den fangen wir ganz oben an, nämlich beim BGH mit dem BGH, Beschl. v. 24.04.2019 – 4 StR 16/19 – betreffend eine fehlerhafte richterliche Vernehmung und einem darauf beruhenden (Beweis)Verwertungsverbot. Das greift (natürlich) nicht:

„1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung der „§§ 168c Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 und 2 StPO, 58a, 247a sowie 255a StPO“ rügt, kann der Begründung zu dem geltend gemachten Verfahrensfehler trotz der eingangs zitierten Paragraphenkette noch hinreichend entnommen werden, dass alleiniger Gegenstand der Verfahrensrüge die Verletzung der Anwesenheits- und Benachrichtigungsrechte des Angeklagten im Zusammenhang mit der richterlichen Vernehmung des Tatopfers ist. Weitergehende Verfahrensverstöße, etwa die Verletzung der §§ 255a, 247a StPO oder des Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK, werden in der Revisionsbegründung nicht aufgegriffen und sind deshalb nicht Stoßrichtung der Rüge.

Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einem Verstoß gegen § 168c Abs. 3 und Abs. 5 StPO beruht.

Fehlerhaft zustande gekommene richterliche Vernehmungen, die wegen eines Verstoßes gegen § 168c StPO nicht verwertet werden können, dürfen als nichtrichterliche Vernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 1992 – 1 StR 759/92, BGHR § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 15; und vom 31. Januar 2001 – 3 StR 237/00, juris Rn. 6 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 251 Rn. 15; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., § 251 Rn. 19). Voraussetzung hierfür ist, dass die Anforderungen des § 251 Abs. 1 StPO erfüllt sind, dass der Tatrichter sich des minderen Beweiswertes bewusst ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1997 – 5 StR 234/96, NStZ 1998, 312, 313; Beschluss vom 27. Januar 2005 – 1 StR 495/04, juris Rn. 6) und dass dieser die Verfahrensbeteiligten auf die beabsichtigte Verwertung als nichtrichterliche Vernehmung gemäß § 265 StPO hingewiesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1997 – 5 StR 234/96, aaO).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Anforderungen an die Ersetzung der persönlichen Vernehmung des Nebenklägers durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung als nichtrichterliche Vernehmung gemäß §§ 255a Abs. 1, 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO sind erfüllt. Da die Erziehungsberechtigten des Tatopfers dessen Einvernahme wegen befürchteter psychischer Beeinträchtigungen endgültig verweigerten, konnte es „aus einem anderen Grunde“ im Sinne von § 251 Abs. 1 Nr. 3 StPO in absehbarerer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden (vgl. LR-StPO/Sander/Cirener, 26. Aufl., § 251 Rn. 32; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., § 251 Rn. 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 251 Rn. 21; jeweils mwN). Das Landgericht war sich des minderen Beweiswertes einer nichtrichterlichen Vernehmung ausweislich der Urteilsgründe bewusst.“

Mich überrascht die Entscheidung nicht.

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