Verwerfung II: Verwerfung des Einspruchs trotz Entbindung, oder: Man fasst es nicht

Die zweite Entscheidung kommt heute vom OLG Stuttgart. Es ist der OLG Stuttgart, Beschl. v. 24.09.2018 – 2 Rb 24 Ss 835/18. Das ist eine dieser Entscheidunge, bei denen man – wenn man den zugrunde liegenden Sachverhalt – liest, meint: Das gibt es doch eigentlich nicht. was? Nun, ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG, obwohl der Betroffene von seiner Anwesenheitspflicht entbunden war. Doch gibt es: Hier wurde der Betroffene am 12.12.2017 vom Erscheinen entbunden und am 13.12.2017 wurde dann verworfen.

Zu Recht rügt der Betroffene die Verletzung rechtlichen Gehörs.

„Bei Verwerfung des Einspruchs kann gerügt werden, dass das Amtsgericht zu Unrecht den Einspruch wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen hat, weil die Voraussetzun­gen hierfür nicht gegeben waren (Göhler, 17. Auflage, OWiG § 74 Rn. 48a). Eine Verwer­fung des Einspruchs ist nur bei unerlaubter Abwesenheit des Betroffenen – nicht bei Abwe­senheit des vertretungsberechtigten Verteidigers – möglich (Göhler a.a.O. § 74 Rn. 19). Für die Gehörsrüge muss bei Verwerfung des Einspruchs der vom persönlichen Erschei­nen entbundene Betroffene darlegen, welcher Sachvortrag infolge der fehlerhaften Ein­spruchsbegründung unberücksichtigt geblieben ist (Göhler a.a.O. § 80 Rn. 16c). Die erho­bene Verfahrensrüge entspricht diesen Erfordernissen. Der Betroffene hat insbesondere die schon im Rahmen des Antrags auf Entbindung vom persönlichen Erscheinens ange­brachten Einwendungen vorgetragen und dargelegt, dass diese unberücksichtigt blieben. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG ist die Verhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durch­zuführen, wenn er nicht erschienen ist und vom persönlichen Erscheinen entbunden war. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG sind u. a. schriftliche Erklärungen des Betroffenen durch Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung einzufüh­ren. Hierunter fallen auch die in einem Schriftsatz eines Verteidigers vorgetragenen Anga­ben des Betroffenen, wenn beide nicht anwesend sind und der Verteidiger bei den schriftsätzlich vorgetragenen Angaben Verteidigungsvollmacht hatte (Göhler a.a.O. § 74 Rn. 11a). Auch diese Voraussetzungen wurden ausreichend mit der Verfahrensrüge vorgetra­gen.

Der Betroffene ist daher in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, da das Amtsgericht seine Einwendungen nicht berücksichtigt hat und trotz aus­reichender Entschuldigung aufgrund des Entbindens vom persönlichen Erscheinen den Ein­spruch verworfen hat.W

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