„Erkennender Richter“ im Berufungsverfahren, oder: Eingang der Akten maßgeblich

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Als zweite Entscheidung des Tages im „Nachmittagsposting“ dann eine zum Ablehnungsrecht, und zwar der KG, Beschl. v. 29.06.2018 – 2 Ws 123/18. Er betrifft/beantwortet die Frage: Wer ist eigentlich im Berufungsverfahren erkennender Richter i.S. des § 28 Abs. 2 StPO. Die Antwort hat Auswirkungen auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen eine im Ablehnungsverfahren ergangene Entscheidung. Das war hier von Bedeutung, da der Verteidiger des Angeklagten den Vorsitzenden der Berufungskammer wegen Besorgnis der Befangenheit nach Aufhebung einer Pflichtverteidigerbestellung abgelehnt hatte. Das Ablehnungsgesuch wurde zurückgewiesen. Dagegen dann die sofortige Beschwerde. Frage: Zulässig? Das KG sagt, nein:

„Die Beschwerde  ist unzulässig, denn sie betrifft einen erkennenden Richter, so dass sie nur zusammen mit dem noch ausstehenden Urteil angefochten werden kann (§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO). Bereits mit dem Eingang der Akten bei der Berufungsstrafkammer nach § 321 StPO sind die nach der Geschäftsverteilung zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung berufenen Richter „erkennende Richter“ im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO geworden (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2013, 215; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1998, 144). Dies gilt unabhängig davon, ob bereits ein Termin zur Hauptverhandlung bestimmt oder eine sonstige Maßnahme getroffen worden ist, die die Entscheidung vorbereitet oder nicht. Die Eigenschaft als erkennender Richter beginnt erstinstanzlich bereits mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses und nicht erst mit der Terminierung (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 238; Hanseatisches OLG Bremen, NStZ 1991, 95). Denn schon dann steht aufgrund der Geschäftsverteilung fest, wer zur Mitwirkung an der Hauptverhandlung berufen ist, und dass diese durchgeführt werden muss. Nichts anderes gilt für Verfahren in der Berufungsinstanz. Denn mit dem Eingang der Akten bei dem Landgericht steht ebenfalls dessen Zuständigkeit fest und damit auch die Pflicht, über eine Berufung zu verhandeln. Erkennende Richter im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO sind aber nicht nur die Richter, die in der Hauptverhandlung mitwirken, sondern auch diejenigen, die nach § 27 StPO berufen sind, über Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe aaO). Denn § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO bezweckt auch aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit, gegen den Verwerfungsbeschluss nur eine Nachprüfung gemeinsam mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil zuzulassen, um zu verhindern, dass die bevorstehende oder begonnene Hauptverhandlung verzögert oder in Frage gestellt wird.“

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