Der BGH und die „Sharia-Police“-Westen, oder: Uniformen sind es nicht

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Der ein oder andere wird sich noch erinnern, ein wenig liegt es schon zurück, das LG Wuppertal, Urteil zum öffentliche Tragen von Warnwesten mit der Aufschrift „Sharia Police“. Das LG Wuppertal hatte die sieben Angeklagten im November 2016  von dem Vorwurf dadurch gegen das Uniformverbot (§§ 3 Abs. 1, 28 VersammlungsG) verstoßen bzw. zu dem Verstoß Beihilfe geleistet zu haben, freigesprochen. Mit der Anklage war den Angeklagten vorgeworfen worden, an einem nächtlichen Rundgang durch die Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld teilgenommen zu haben, um junge Muslime davon abzuhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen sowie Alkohol zu konsumieren und sie stattdessen zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des Korans sowie zum Besuch der Moschee zu bewegen. Um Aufmerksamkeit zu erregen, hätten einige der Angeklagten jeweils eine handelsübliche orange Warnweste getragen, die auf der Rückseite mit der Aufschrift „Sharia Police“ versehen gewesen sei.

Einen Verstoß gegen das Uniformverbot (§§ 3 Abs. 1, 28 des VersammlungsG)  hatte das LG verneint und das u.a. damit begründet, dass die von einigen der Angeklagten getragenen Warnwesten aufgrund der insoweit gebotenen Gesamtschau der Tatumstände nicht in der für einen Verstoß gegen das Uniformverbot erforderlichen Weise geeignet gewesen seien, suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber Dritten zu erzielen.

Der BGH hat dieses Urteil nun mit dem BGH, Urt. v. 11.01.2018 – 3 StR 427/17 – aufgehoben. Er meint: Es handelt sich bei den Westen zwar nicht – insoweit folgt der BGH dem LG – um Uniformen oder Uniformteile. Aber: Die Frage, ob es sich bei den von einigen der Angeklagten getragenen Warnwesten um „gleichartige Kleidungsstücke“ im Sinne von § 3 Abs. 1 VersammlG handelte, habe die Strafkammer mit rechtlich nicht tragfähiger Begründung verneint. Sie hat den insoweit anzulegenden Prüfungsmaßstab zwar zutreffend erkannt, aber nicht rechtsfehlerfrei angewendet. Im Einzelnen:

b) Den sich danach ergebenden rechtlichen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.

Die Strafkammer hat zwar bedacht, dass die Warnwesten mit der Aufschrift „Sharia Police“ Assoziationen zu der aus islamisch geprägten Ländern bekannten sog. Religionspolizei hervorriefen, deren Aufgabe darin besteht, im Auftrag des Staates die Vorschriften der Scharia hoheitlich durchzusetzen (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2016 – III-3 Ws 52-60/16, juris Rn. 20). In ihre Prüfung, ob aufgrund dessen das Tragen der Westen im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Tatumstände im konkreten Fall geeignet war, suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung gegenüber anderen zu erzielen, hat sie jedoch einerseits maßgebliche Gesichtspunkte nicht bedacht, andererseits aber auch Umstände in ihre Erwägungen miteinbezogen, die mit Blick auf die dargelegten rechtlichen Maßstäbe jedenfalls nicht die ihnen vom Landgericht zugeschriebene Bedeutung gewinnen können.

Rechtsfehlerhaft ist es insbesondere, dass das Landgericht bei seiner Bewertung der Wirkungen der Aktion der Angeklagten maßgeblich darauf abgestellt hat, weder die als Aufsichtskraft in der Spielhalle tätige Zeugin Sc. noch der Zeuge K. seien tatsächlich eingeschüchtert worden. Darauf kommt es indes nicht entscheidend an. Zum einen ist § 28 i.V.m. § 3 Abs. 1 VersammlG kein Erfolgsdelikt. Die bei der gebotenen restriktiven Auslegung vorausgesetzte suggestiv-militante, einschüchternde Wirkung muss nicht tatsächlich eintreten. Ausreichend ist vielmehr, dass das Tatgeschehen eine derartige Wirkung erzielen kann. Wenn einzelne mit dem Geschehen konfrontierte Dritte dieses als harmlos einstufen, so mag dies zwar Indizwirkung dafür gewinnen, dass die Aktion nicht geeignet war, den Eindruck einer militanten Durchsetzung ihrer eigenen Meinung durch die einheitlich Gekleideten zu erwecken, schließt aber eine derartige Eignung nicht notwendig aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Aktion gerade nicht auf die Personen gerichtet war, die sie tatsächlich wahrnahmen, sondern auf eine Zielgruppe, die das Geschehen eventuell in anderer Weise verstehen konnte. Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Denn es hat außer Betracht gelassen, dass sich die Aktion an junge Muslime richtete, die davon abgehalten werden sollten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen und Alkohol zu konsumieren, und statt dessen zu einem Lebensstil nach den Vorstellungen des Korans sowie zum Besuch der Moschee bewegt werden sollten. Wie die Aktion gerade auf diese Zielgruppe wirken konnte, insbesondere welche Assoziationen bei jungen Muslimen durch das Auftreten einer Gruppe von Männern unter dem gemeinsamen Kennzeichen „Sharia Police“ geweckt werden konnten, ist indes entscheidend dafür, ob dem Tatgeschehen die Eignung zukam, militant und einschüchternd zu wirken.

Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Meinung des Landgerichts aus Rechtsgründen auch ohne Belang, dass es in Deutschland keine offizielle „Scharia-Polizei“ gibt und die Angeklagten für einen verständigen Dritten nicht den Eindruck vermitteln konnten, hoheitliche deutsche Staatsgewalt auszuüben. Darüber hinaus begegnet es rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer „entscheidend“ darauf abgestellt hat, die von den Teilnehmern an dem „Rundgang“ getragene Alltagskleidung sei unter den Warnwesten deutlich sichtbar geblieben. Dieser Umstand mag zwar im Rahmen der Gesamtwürdigung bedeutsam sein, insbesondere wenn die Teilnehmer an dem Geschehen völlig uneinheitliche Alltagskleidung tragen. Die Ausführungen der Strafkammer lassen jedoch besorgen, dass sie aus dem Blick verloren hat, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes und damit aus Rechtsgründen schon das Tragen einzelner uniformer Kleidungsstücke zur Tatbestandsverwirklichung genügen kann; dies impliziert, dass daneben andere, nicht uniforme Kleidungsstücke getragen werden.“

Also: Noch mal neu. Und der BGH weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin: „…. dass die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums (§ 17 Satz 1 StGB) auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht in Betracht kommt. Die Unvermeidbarkeit eines etwaigen Verbotsirrtums der Angeklagten folgt entgegen der Ansicht des Landgerichts insbesondere nicht daraus, dass die Polizeibeamten, welche die Teilnehmer an dem Rundgang kontrollierten, keinen Verdacht einer Straftat begründet sahen. Daraus ergibt sich nicht, dass die Angeklagten keinen Anlass hatten, die Rechtmäßigkeit des von ihnen geplanten Verhaltens zu hinterfragen und gegebenenfalls eine Rechtsauskunft einzuholen. Dadurch wären die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aktion nicht ausgeräumt worden; insbesondere weil es beispielsweise an einer gefestigten Rechtsprechung fehlte, nach der das Vorhaben der Angeklagten erlaubt war (vgl. zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei ungeklärter Rechtslage etwa MüKoStGB/Joecks, 3. Aufl., § 17 Rn. 55 ff.).“

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