Vollstreckung eines niederländischen Knöllchens, oder: Rechtliches Gehör gewährt?

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Bei der zweiten OWi-Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.06.2017 – 1 AR 2/16. Er nimmt zu einer etwas abseits gelegenen Problematik Stellung, nämlich zur Vollstreckung ausländischer Geldsanktion. Gegen den Betroffenen sollte eine in den Niederlanden verhängte Geldsanktion in Höhe von 115 EUR hier in Deutschland vollstreckt werden. Die Bewilligungsbehörde hatte die niederländische Entscheidung für vollstreckbar erklärt. Dagegen der Einspruch des Betroffenen. Den hat das AG verworfen, ohne zu prüfen, ob dem Betroffenen in dem niederländischen Verfahren rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die Frage hatte das AG als unerheblich angesehen, da nach niederländischem Recht von einer Kenntnisnahme durch die betroffene Person ausgegangen wird, wenn drei Briefe an deren Adresse versandt worden sind und diese nicht als unzustellbar zurückgelangt sind.

Das OLG Zweibrücken sieht das jedoch anders und hat auf die Rechtsbeschwerde hin aufgehoben. Es sei zu prüfen, ob rechtliches Gehör im Ausgangsverfahren gewährt worden ist. Ist das nicht der Fall, ist die Vollstreckung einer Geldsanktion nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG unzulässig:

Nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG ist die Vollstreckung einer Geldsanktion nicht zulässig, wenn die zugrunde liegende Entscheidung in einem schriftlichen Verfahren ergangen ist und der Betroffene oder ein nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates befugter Vertreter nicht über das Recht zur Anfechtung oder über die Fristen entsprechend den Vorschriften dieses Rechts belehrt worden ist.

Die Vorschrift schränkt den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung bereits ihrem Wortlaut nach in der Weise ein, dass ein Anfechtungsrecht überhaupt erst bestehen muss (Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 27; Bock, a. a. O., § 87b, Rn. 338; Böttger, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, 2012, Rn. 2808c; vgl. auch Gesetzesbegründung a. a. O., S. 25). Zudem muss in jedem Falle eine Belehrung erfolgen, auch dann wenn diese nach dem Recht des ersuchenden Staates nicht vorgesehen ist (vgl. auch die Gesetzesbegründung, a. a. O.).

Hinzu kommt, dass der Wortlaut nahelegt, dass dem Betroffenen tatsächlich ermöglicht worden ist, von der Belehrung Kenntnis zu nehmen.

Auch der Gesetzgeber hat die Gewährung rechtlichen Gehörs für erforderlich gehalten und macht dies an dem Begriff des schriftlichen Verfahrens nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG fest (vgl. auch Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 24f.). Die Gesetzesbegründung unterscheidet indes nicht klar, ob dies vor Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung (hierfür Trautmann, NZV 2011, 57 [60]; Trautmann, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, a. a. O., Rn. 24: im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde) oder jedenfalls vor deren Rechtskraft zu erfolgen hat. Danach setzt das schriftliche Verfahren nach § 87b Abs. 3 Nr. 3 IRG voraus, dass dem Betroffenen „die ihm vorgeworfene Handlung durch die zuständige Behörde eines Mitgliedstaates vorher schriftlich bekannt gegeben worden ist“ (a. a. O., S. 25). Im Weiteren behandelt die Gesetzesbegründung jedoch das Erfordernis der Bekanntgabe der Entscheidung des ersuchenden Staates. Es kann hier indes die Frage offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt nach dem Willen des Gesetzgebers rechtliches Gehör zu gewähren ist, denn das Amtsgericht hat es auch für unerheblich gehalten und damit nicht ausgeschlossen, dass dem Betroffenen in dem Zeitraum zwischen Erlass des Ausgangsbescheids vom 23. Mai 2013 und dessen Rechtskraft die Möglichkeit zur Stellungnahme nicht eingeräumt worden ist.

Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist nach dem Willen des Gesetzgebers auch nicht obsolet, soweit die Vorgaben nach Art. 5 EU-RhÜbk beachtet sind. Der Gesetzgeber verweist in seiner Begründung zwar auf Art. 5 EU-RhÜbk, geht jedoch ausdrücklich lediglich auf das Übersetzungserfordernis nach Art. 5 Abs. 3 EU-RhÜbk ein. Folglich kann aus der Gesetzesbegründung nicht darauf geschlossen werden, dass eine Vorgehensweise in Übereinstimmung mit Art. 5 EU-RhÜbk bereits hinreichend wäre, sondern nur, dass in der Vorschrift notwendige Vorgaben enthalten sind.

Aus dem Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (RB Geld) ergibt sich nichts anderes. …..“

Andere Länder, andere Sitten – was die Zustellung angeht.

Und >>Werbemodus an: Zur Bestellung zum vom OLG zitierten „Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahren“, geht es hier. Gibt es inzwischen in der 5. Auflage. <<Werbemodus aus>>.