Vor dem eigentlichen Tagesprogramm ein Posting, das auf einer Email beruht, die ich gestern von einem Kollegen – Richter am AG – erhalten habe.
Es geht um die Änderungen des § 81a Abs. 2 StPO – also den Wegfall des Richtervorbehalts (vgl. dazu die Übersicht hier: Änderungen/Neuerungen in StPO/StGB/StVG, oder: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Verteidiger).
Der Kollege drückt es passen aus. Wie nicht anders zu erwarten: „Der Spaß beginnt“. Der Kollege schreibt:
„Hallo Herr Burhoff,
der „Spaß“ beginnt. Lesen Sie mal den vorletzten Satz!!! *kopfschüttel*
Das mit dem OWiG hat das LG aber zwischenzeitlich gemerkt. J
Betreff: Neuregelung Richtervorbehalt Blutentnahme
Wichtigkeit: Hoch„Liebe Kolleginnen und Kollegen,
angehängt übersende ich Ihnen aus dem aktuell im BGBl. veröffentlichten „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ die Ergänzung von § 81 a StPO. Danach entfällt der Richtervorbehalt für die Entnahme von Blutproben für bestimmte Verkehrsstraftaten.
Die Neuregelung wird sich vor allem für den Bereitschaftsdienst auswirken.
Nach Rücksprache mit OStA pppp. hat die Staatsanwaltschaft die Polizei von der Neuregelung informiert, so dass in einschlägigen Fällen nicht mehr (schon nicht mehr von der Polizei bei der Staatsanwaltschaft) angerufen werden muss. Vermutlich wird es aber, bis sich die Sache herumgesprochen hat, noch den einen oder anderen „Fehlanruf“ geben. Im OWi-Bereich und im Bereich anderer Straftaten (etwa Körperverletzung) ist die Ausnahme nicht einschlägig; insoweit bleibt alles wie bisher. Herr pppp. hat ergänzend mitgeteilt, die StA habe sich mit der Polizei so verständigt, dass (andere) Straftaten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der genannten Verkehrsstraftaten stünden, als mitumfasst angesehen werden. „
Na, ob das das ist, was sich der Gesetzgeber unter der Neuregelung vorgestellt hat (wenn er sich denn etwas vorgestellt hat). „Straftaten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer der genannten Verkehrsstraftaten …“ – das ist die Nötigung (§ 240 StGB), das ist der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB), das ist aber auch ein versuchtes Tötungsdelikt in Zusammenhang mit einem § 315c StGB. Und damit will die StA nichts mehr zu tun haben. Man darf gespannt sein, was die OLG, der BGH und dann auch sicherlich das BVerfG demnächst dazu sagen.
Auch wenn an anderer Stelle/in anderen Blogs der teilweise Wegfall des Richtervorbahlts „bejubelt“ wird und man meint, mehr wäre auch nicht schlimm gewesen, ich bleibe dabei: Ich halte diese Änderung/Aufweichung für den ersten Schritt in die falsche Richtung. Und wie schnell es mit der Aufweichung weiter geht, sieht man sehr schön an der o.a. Mail.
Vielleicht stehe ich auf dem Schlauch, aber ich sehe das Problem dieser E-Mail nicht. Der Richtervorbehalt für die Blutprobenentnahme ist in bestimmten Fällen weggefallen. Auch der Staatsanwalt muss nicht mehr informiert werden, soweit der Richtervorbehalt wegfällt. Möglicherweise haben einige Kollegen, die nicht im Strafrecht zuhause sind, aber im Bereitschaftsdienst damit konfrontiert werden könnten, die Änderung bislang nicht nachvollzogen. Daher werden die Richter per E-Mail informiert und insbesondere sensibilisiert, im Falle eines Anrufs erst einmal zu prüfen, ob sie überhaupt (noch) entscheiden müssen/dürfen. Auch die Polizei wird darüber informiert, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr in bestimmten Fällen nicht mehr anrufen muss.
Wo genau ist das Problem?
Im letzten Satz. Und Sie können sicher sein, der Kollege, der mir die Mail geschickt hat, ist „im Strafrecht zuhause.“ Es ist schön, das es noch Amtsrichter mit Problembewusstsein gibt.
Ok, das Problem sehe ich. Ich hatte im „vorletzten Satz“ gesucht, bzw. im fett gedruckten Teil.
Für mich stellt sich da spontan die Frage, ob Art. 103 GG (inkl. Analogieverbot etc.) nur für das materielle Stafrecht, oder auch das Strafprozeßrecht gilt? In letzterem Fall wäre der Wortlaut von § 81a StPO eigentlich eindeutig. In ersterem Fall (wofür wohl bereits aufgrund des Ausgangsposts einiges sprechen dürfte?) sehen wir in der Tat „Interessanten Zeiten“ entgegen 🙁 .
Das Schlimme ist: Die Sachen kommen erst gar nicht mal zum Ermittlungsrichter. Die Polizei macht es mit Rückendeckung der StA selbst.
Das kommt dabei heraus, wenn man „einen kleinen Finger gibt“. Dann werden die Ermittlungsbehörden „maaslos“ 🙂
Ich habe den Eindruck, als ob damit begonnen wurde, eine Art Schattenjustiz zu schaffen, die ohne richterliche Kontrolle vor sich hin werkeln darf. Mir wird schlecht.
Man kann nur hoffen, dass die O)LG – glaube ich eher weniger – oder der BGH bzw. spätestens das BVerfG dm einen Riegel vorschieben und nicht alles alles mit der Abwägungslehre gesund beten. 🙁
Ob es sinnvoll war, die richterliche Vorabkontrolle bei Blutproben im Zusammenhang mit dem Verdacht von bestimmten Verkehrsstraftaten (nämlich denen, bei denen es u.a. um Fahruntüchtigkeit aufgrund vorheriger Einnahme von Alkohol oder anderer Rauschmittel geht) vollständig abzuschaffen, darüber kann man sich sicher trefflich streiten. (Fälle, in denen ein Richter die Blutprobe jemals abgelehnt hätte, wenn ein Polizist den Verdacht eines solche Verkehrsdelikts auch nur entfernt plausibel schilderte, dürften schon vor der Neuregelung äußerst exotisch gewesen sein).
Die Auslegung als solche halte ich aber für richtig. Wenn der Verdacht einer der genannten Verkehrsstraftaten im Raum steht, dann darf die Polizei die Blutprobe anordnen. Ich sehe keinen Grund, warum das Hinzutreten eines weiteren Tatverdachts dazu führen sollte, dass plötzlich doch wieder ein Richter entscheiden soll. Der Sinn der Norm ist ja, dass die Notwendigkeit einer Blutprobe bei Verdacht auf eine solche Verkehrsstraftat völlig außer Frage steht, für eine Ablehnung blieben da wirklich nur noch Fälle übrig, in denen nicht einmal ein Anfangsverdacht besteht. Warum das Hinzutreten eines weiteren Tatverdachts neben der in der Norm genannten Verkehrsstraftat daran etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich.
Für mich ist es schon ein Unterschied, ob ich nur eine Verkehrsstraftat habe, oder auch noch eine andere Straftat hinzukommt. Aber jeder, wie er es mag. Letztlich ist die Tür geöffent und wir werden sehen, was dem Justizminister (oder seinem Nachfolger) noch so alles einfällt.
Bei den „anderen Straftaten“ ist die BAK doch nicht strafbegründend, sondern schuldmindernd bzw. .-ausschließend. Da reden wir zum einen von viel höheren Promillewerten, die bei Verkehrskontrollen nur sehr selten mal gemessen werden. Zum anderen ist schwer zu sehen, was die Obergerichte machen werden, wenn bei der Feststellung einer solchen zugunsten (!) des Angeklagten sprechenden Tatsache ein Verfahrensfehler unterlaufen ist – soll man dann die BAK nach dem Zweifelssatz auf 3 Promille schätzen, wenn 1,8 Promille verfahrensfehlerhaft gemessen worden sind?
Der Kommentar lässt mich ratlos zurück.
Sehr spannend. Wird die ganze Sache jetzt nicht dadurch auch noch schwammiger? Ich wohne in einem Gebiet, in dem häufig Festivals veranstaltet werden. Unzählige Male hat die Polizei mich schon rausgewunken und wollte einen Urintest – und bei Verweigerung Bluttest und das obwohl ich m.E. glaubhaft angeben konnte, daß ich Anwohner bin. Ich meine, reicht es aus jemandem zu einem Bluttest zu verdonnern, selbst wenn er normal fährt und nur im Grenzbereich eines Festivals langfährt? Und selbst bei Teilnahme an einem – so scheint mir- das ganze doch recht generalisierend.