Heute dann mal ein Tag der AG-Entscheidungen. Der Opener ist das AG Dortmund, Urt. v. 28.02.2017 – 729 OWi-250 Js 147/17-49/17. Es hat einen Verkehrsunfall/Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zum Gegenstand, zu dem das AG folgende Feststellungen getroffen hat:
„Am 21.11.2016 um 17.01 Uhr fuhr der Betroffene mit seinem PKW VW-Touran die Schützenstraße in Dortmund entlang. Er war zu dieser Zeit Fahrzeugführer. Unmittelbar vor der Einmündung der Fliederstraße stand auf der rechten Straßenseite auf dem Fahrbahnrand der S mit seinem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX. Er stand dabei mit der Front leicht schräg gestellt in Richtung des ankommenden Betroffenen. Der S hatte das Abblendlicht seines Fahrzeugs eingeschaltet und blendete den Betroffenen. Der Betroffene konnte die Lichter des ihn blendenden Fahrzeugs bereits etwa 50 m vor dessen Erreichen wahrnehmen. Trotz der Blendung fuhr der Betroffene mit ungeminderter Geschwindigkeit weiter und fuhr so auf das an der Einmündung Fliederstraße (und damit unmittelbar hinter der blendenden Stelle) stehende Fahrzeug der K, einen Kia Picanto mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XXX auf. Das Fahrzeug der Zeugin wurde im Bereich des Hecks an der Stoßstange beschädigt. Ebenso wurde eine Rückleuchte des Fahrzeugs beschädigt.“
Das AG geht von Fahrlässigkeit aus:
Der Betroffene war damit wegen Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer durch Außenachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt nach §§ 1 Abs. II, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen. Die Blendung des Betroffenen durch ein bereits weit vorher erkennbar an dem Fahrbahnrand parkendes Fahrzeug entschuldigt den Betroffenen bei einem Unfall, der ohne Blendung ohne weiteres hätte vermieden werden können, nicht und nimmt auch nicht den ihm zu machenden Fahrlässigkeitsvorwurf. Vielmehr muss ein Fahrzeugführer seine Fahrweise derartigen Umständen anpassen und notfalls gar anhalten. Keinesfalls darf er ohne jede Sicht ins Blaue hinein fahren in der Hoffnung, es werde „hinter dem Licht“ schon nichts passieren. “
Ergebnis: Regelgeldbuße 35 €. Eine ähnliche Argumentation gibt es beim Rotlichtverstoß, wenn der Betroffene „geblendet“ in die Kreuzung einfährt und sich dann dahin einlässt, er habe wegen der Blendung das Rotlicht nicht gesehen.
Ich kann mich an einen Fall erinnern, in dem eine Autofahrerin einem an einer rechts-vor-links-Kreuzung von rechts kommenden Radfahrer die Vorfahrt genommen und diesen verletzt hat. Die StA hatte das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung mangels Strafantrag oder besonderem öffentlichen Interesse eingestellt. Im OWi-Verfahren hat sich die Dame ebenfalls damit verteidigt, sie habe den von rechts kommenden Verkehr aufgrund der tief stehenden Sonne überhaupt nicht wahrnehmen können.
Ich frage mich, ob Menschen, die so etwas vortragen, sich auch nur 30 Sekunden lang Gedanken machen, was ihre Einlassung bedeutet: Sind diese Menschen ernsthaft der Meinung, sie dürften, wenn sie nichts sehen können, eben einfach blind weiterfahren? Reinigen die auch nicht die Scheibe, wenn es schneit, sondern argumentieren, sie könnten halt witterungsbedingt nichts sehen?