So, es ist Freitagnachmittag und da gibt es dann ja noch zum Wochenausklang das Gebührenrätsel. Heute dann mal eins, das seinen Ursprung in der Facebook-Gruppe „Fachanwälte für Strafrecht“ hat. Da gibt es hin und wieder (auch) Gebührenfragen, die ich beantworte und die ich dann auch mal nach hier übernehme. Wer die Frage also ggf. kennt: Nicht wundern. Es geht um Folgendes:
„Sehr geehrter Herr Burhoff,
wir „kennen“ uns aus der Facebook Gruppe für Strafverteidiger und ich verfolge hier mit großem Interesse Ihre Beiträge.
Ihren Post vom heutigen Tage nehme ich zum Anlass, meine Frage auf diesem Wege zu stellen und würde mich über eine Antwort sehr freuen:
Ich habe mit einem Mandanten vereinbart, dessen Vertretung vor dem Schöffengericht als Wahlverteidiger zu übernehmen. Als Honorar haben wir pauschal 1.500 Brutto vereinbart, hiervon sollte das gesamte Verfahren abgedeeckt sein – also der ganze Instanzenzug falls er in der ersten Runde am Amtsgericht keine Bewährung mehr bekommt., als Honorar für alles hatten 1.500 vereinbart; eine schriftliche VV haben wir nicht geschlosen.
Er hat mir die 1.500 übergeben und ich habe den Empfang ordnungsgemäß quittiert.
Der Mandant war zu diesem Zeitpunkt bereits angeklagt und hatte einen Pflichtverteidiger. Ich habe dem Gericht gegenüber die Vertretung als Wahlverteidiger angezeigt, um Entpflichtung des Kollegen gebeten und mitgeteilt dass das Mandat – für alle Instanzen – wirtschaftlich gesichert ist.
Gut, nun kündigt mein Mandant mit (noch bevor über meinen Entpflichtungsantrag entschieden ist) das Mandat vor dem Termin am AG – der bereits hier notiert wurde – wieder, bittet um Abrechnung nach dem RVG und Rückzahlung des Überschusses.
Meine Frage ist nun: Kann ich die Verfahrensgebühr für den Termin am AG auch abrechnen, denn dieser wurde ja hier frei gehalten. Und kann ich darüber hinaus eventuell sogar auch die Verfahrensgebühren für ein Berufungs- und Revisionsverfahren abrechnen da das ja zwischen uns so vereinbart war?!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksankeit beim Lesen und einen guten Rutsch ins neue Jahr,
mit freundlichen Grüßen aus ……………“
Wer wagt, gewinnt….. 🙂
Wenn keine Vergütungsvereinbarung in Textform vorliegt, gibt es nur die gesetzlichen Gebühren. Also 4100 VV, 4104 VV, 7002 VV, 7008 VV. Der Überschuss wäre dann tatsächlich zurückzuzahlen.
Die Verfahrensgebühr entsteht jeweils für das Betreiben des Geschäfts (Vorbm. 4 Abs. 2), sodass für Berufung und/oder (Sprung-)Revision mangels Tätigkeit noch keine angefallen ist und der Auftrag auch vorher endete.
Ich gehe davon aus, dass auch keine Vergütungsvereinbarung in Textform geschlossen wurde. Dann gilt folgendes: Gemäß § 3a Abs. 1 RVG ist die Vergütungsvereinbarung formnichtig. Daher gibt’s nur die gesetzliche Vergütung (so BGH in einer mir nach der Fundstelle nicht erinnerlichen Entscheidung, nachdem er zuvor keine Vergütung zuerkennen wollte). Gesetzliche Vergütung ist hier: VV 4100, 4106 zzgl. Auslagen und USt. Gebühren für Folgeinstanzen gibt’s nicht. Denn diesen stünde ein Schadensersatzanspruch des Mdt wegen Fehlberatung entgegen. Denn der Mdt. hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist und dass deshalb der Auftrag für die Folgeinstanzen derzeit aus Kostengründen noch erteilt werden sollte.
„noch nicht (!) erteilt werden sollte.“
Durch die Mandatskündigung endete der Auftrag mit Zugang der Kündigungserklärung bevor der Verteidigungsauftrag als ganzer erledigt war. Gemäß dem Grundsatz des § 15 IV RVG ist dies auf bereits entstandene Gebühren ohne Einfluss, d.h. Grund- und Verfahensgebühr für 1. Instanz sind dem Grunde nach entstanden und bleiben erhalten. Mangels konkret vereinbarter Höhe, würde ich hier von den Mittelgebühren ausgehen.
Fraglich ist die Entstehung der Terminsgebühr nach Nr. 4112 VV RVG. RA hat diese nicht mehr wahrnehmen können, weil Mdt. das Wahlverteidigermandat – das als Dienstvertragsverhältnis i. S. der §§ 611 ff. BGB qualifiziert werden kann – gekündigt hat. Über den Kündigungsgrund ist nichts bekannt; jedenfalls spricht nichts für eine vom RA zu vertretende Kündigung seines Mdt.
Da es sich bei dem Anwaltsvertrag um Dienste höherer Art handelt, ist die Kündigung des Anwaltsvertrages durch den Mandanten auch ohne wichtigen Grund jederzeit möglich § 627 I BGB – anders als durch den RA der grundsätzlich nicht zur Unzeit – § 627 II S. 1 BGB – kündigen darf.
Vorliegend kann der RA daher gem. § 628 I S. 1 BGB zumindest für die schon konkret anstehende Terminsgebühr eine Teilvergütung verlangen, wobei er sich allerdings – nach der Rechtsprechung – Ersparnisse anrechnen lassen muß; vgl. BGH III ZR 67/85.
Hier hat der RA mit Mdt. eine Gebührenpauschalvereinbarung über brutto 1.500 € geschlossen und Mdt. hat den Betrag in voller Höhe bereits als Vorschuß erhalten.
Eine Individualvereinbarung dahingehend, daß das vereinbarte Honorar aber ohne Rücksicht auf eine vorzeitige Beendigung des Mandats stets voll zahlbar sein sollte (vgl. dazu BGHSt 27, 366, 370 f.) kann m. E. vorliegend aber nicht gesehen werden.
Insoweit würde ich hier eine Terminsgebühr mit Abschlag von ca. 10 -20 % von der Mittelgebühr, zuzüglich Auslagenpauschale und MWSt als angemessen erachten.
Insgesamt darf der RA mithin m.E. die entstandene Grundgebühr und die Verfahrensgebühr vor dem AG nebst Auslagenpauschale und entsprechender MWSt behalten, zusätzlich die Terminsgebühr nach Nr. 4112 VV RVG nebst Auslagenpauschale und MWSt mit Abzug.
Die überschießenden Beträge muß er entsprechend als ungerechtfertige Bereicherung zurückzahlen.
Berufungs- und Revisionsverfahrensgebühren erhält er nicht, weil deren mögliches Entstehenkönnen bei Kündigung noch gar nicht feststand.
Dieselbe Pauschalvergütung, egal ob für eine oder für 3 Instanzen und egal wie viele Termine anfallen? Damit hätte ich auch ohne die Formnichtigkeit Bauchschmerzen.
Nach RVG fallen nur die 4100, 4106 an. Für das „Freihalten“ eines Termins gibt es noch keine Terminsgebühr, auch in anderen Fällen in denen der Termin kurzfristig platzt nicht, da müsste der Kollege schon mindestens vergeblich angereist sein. Gebühren für die Berufung gibt es nicht, m.E. braucht man da noch gar nicht mal auf die Haftung zu rekurrieren, ich gehe vielmehr nach der obigen Schilderung davon aus, dass der Auftrag der Verteidigung im Berufungsverfahren hier ohnehin unter der aufschiebenden Bedingung stand, dass es in erster Instanz keine Bewährung gibt. Bevor also das Ergebnis der ersten Instanz noch nicht feststeht können auch keine gesetzlichen Gebühren für das Berufungsverfahren anfallen.
Falls ein Anwalt eine Vergütung wirksam vereinbart dürfte er daran gebunden sein. Falls sie wegen Nichteinhaltung der Textform unwirksam ist,hat er ggf. ebenfalls Pech, da zumindest nach der RSpr. er sich wegen widersprüchlichen Verhaltens an der unwirksamen Vereinbarung festhalten lassen muss.
Wegen § 628 BGB bekommt er nur eine anteilige Vergütung, die man dann wohl aus dem Verhältnis der gesetzlichen Gebühren für 1. Instanz zu gesetzlichen Gebühren für alle Instanzen errechnen wird (ich meine es gab vom OLG Düsseldorf eine in diese Richtung gehende Entscheidung).
Die Vereinbarung scheint mir ziemlich verunglückt zu sein (von den 1500 sind ja noch dazu knapp 240 € USt)….
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