Bei der Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Habe ich nur mit einem Fachanwaltstitel “ Fachwissen“?, habe ich mich bei der Antwort ein wenig bedeckt gehalten. Die Frage ging ja auch an sich nicht so sehr in den Bereich „Nur Fachanwaltstitel = Fachwissen?“, was m.E. übrigens Quatsch ist. Zwar ist es richtig, dass ein Fachanwalt besondere Kenntnisse und Erfahrungen hat – bzw. besser: „haben sollte“ – aber nicht nur der Fachanwalt hat bestimmtes Fachwissen. Die mitgeteilte Argumentation der Staatskasse ist insofern auch „witzig“, weil bei der Bemessung der Rahmengebühren der Fachanwaltstitel kein gebührenerhöhendes Kriterium sein soll. Er soll dort „gebührenneutral“ sein. Also was nun?
Ich habe dem Kollegen (nur) geschrieben:
„Mir fällt auch nichts so recht ein, wie Sie Ihre Kompetenz nachweisen können, außer, dass die Verfahren, in denen Sie tätig waren und die die Spezialmaterie zum Gegenstand hatten, aufgelistet werden.“
Aber: Ich habe ihn dann noch auf eine Entscheidung des OLG Zweibrücken hingewiesen, auf die ich zu der Zeit gerade gestoßen war. Das ist der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.09.2016 – 6 W 47/16. Er behandelt eine Reisekostenproblematik bei/nach Beauftragung eines nicht ortsansässigen Vertreters. Die Sache hat nichts mit Strafrecht zu tun, sondern es geht um Insolvenzverfahren. Das OLG Zweibrücken nimmt aber dazu Stellung, dass man durch die Vertretung in einer Vielzahl von gleichartigen Verfahren zum Spezialisten werden kann. Vielleicht kann man ja aus der Entscheidung „Honig saugen“.
Das OLG meint, dass ein Rechtsanwalt, der in einer größeren Zahl von gleichartigen Verfahren von ein und derselben Partei beauftragt wurde, bereits dadurch zum Spezialisten geworden ist/wird. Und dann der Leitsatz des OLG:
Hat ein Insolvenzverwalter eine Vielzahl gleichartiger Zivilprozesse an verschiedenen Gerichtsorten, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet zu führen (hier: Klagen gegen weit über 100 Kommanditisten), kann es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sein, einen einzigen Rechtsanwalt mit der Bearbeitung aller dieser Verfahren zu betrauen mit der Folge, dass hierdurch anfallende Reisekosten von der unterlegenen Gegenpartei zu erstatten sind.
Ich weiß, ich weiß. Passt nicht genau – aber welche Entscheidung passt schon genau. Aber die Argumentation kann man ja ggf. übertragen:
b) Vorliegend erscheint die Mandatierung eines auswärtigen Anwalts trotz der dadurch entstehenden Mehrkosten gleichwohl geboten vor dem Hintergrund dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter eine Vielzahl gleichartiger Zivilprozesse zu führen hatte, in denen an verschiedenen Gerichtsorten jeweils die Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin in Anspruch zu nehmen waren. Zum einen wird der Rechtsanwalt, der mit einer großen Zahl an gleichartigen Verfahren von einer und derselben Partei betraut wurde, bereits dadurch zum Spezialisten. Denn er ist verlässlicher als jeder andere Rechtsanwalt mit den tatsächlichen und rechtlichen Eigentümlichkeiten der Ansprüche vertraut, die der Kläger gerichtlich vielerorts verfolgen muss (Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 03.06.2008 3 W 549 u. 550/08 – Juris). Der Rechtsanwalt, der alle gleichartigen Verfahren für eine Partei führt, erhält dadurch einen Gesamtüberblick, wie ihn ein Rechtsanwalt, der nur einziges Verfahren am Gericht seines Kanzleisitzes führt, nie haben kann. Wird etwa der Vortrag durch ein Instanzgericht als unzureichend erachtet, kann er auch in allen Verfahren nachbessern……“
Der BGH sieht es übrigens teilweise anders – das will ich nicht verschweigen. Daher hat das OLG die Rechtsbeschwerde zugelassen.