Ich hatte in der vergangenen Woche über die Anfrage eines Kollegen berichtet, die zweigeteilt war. Den ersten Teil hatte ich in der vorigen Woche eingestellt: Ich habe da mal eine Frage: Bekomme ich nur die Grundgebühr oder auch die/eine Verfahrensgebühr?. Den zweiten Teil bringe ich dann heute. Da geht es um folgende Problematik:
„Ein zweiter Problemkreis: Freispruch nach zwei bis drei Instanzen als Wahlverteidiger. Wir haben uns unter anderem auf den Schwerpunkt § 130 StGB spezialisiert. Natürlich kommt dann das Thema Reisekosten. Das Gericht trägt auf unseren KFA in der Regel vor, es wären nur Reisekosten eines ortsansässigen Anwaltes entstanden. Darauf versichern wir, daß wir nicht nur ein besonderes Vertrauensverhältnis mit dem Angeklagten haben (was in jedem Falle stimmt) und auch, daß es in Deutschland höchstens fünf Anwälte gibt, die eine Anklage nach § 130 bis in die Revision bekommen und dann auch noch entkräften können (was uns erfreulicherweise schon gelang). Dann setzt das Gericht in der Regel dennoch nach ortsansässigen Maßstäben fest, wir gehen in Beschwerde und die erstinstanzliche Kostenentscheidung wird dann dort bestätigt, obwohl wir mit der Beschwerdebegründung nochmal auf das besondere Fachwissen eingehen, nicht selten unter Vorlage anderer von uns erwirkter Entscheidungen. Die Beschwerdeinstanz entgegnet dann in der Regel, Fachwissen ergebe sich einzig aus einem Fachanwaltstitel. Auch hier die höfliche Bitte: Können Sie uns einen Tip geben, wie man beispielsweise „Fachwissen“ und ein „besonderes Vertrauensverhältnis“ nachweisen kann? Gerade bei § 130 ist es derzeit so, daß die meisten Anwälte allein die Annahme eines solchen Themas verweigern, weswegen die Mandanten nach einer Odyssee erst zu uns gelangen. Wenn andere Kanzleien das Thema annehmen, dann ist fast immer nach der ersten Instanz Schluß. Wie ist es dann möglich, daß die Kostenbeamten das ignorieren und allen ernstes von sich geben, die entsprechenden Mandanten sollen sich einen Strafrechtler vor Ort suchen?“
M.E. ganz interessant. Ich bin auf Lösungsvorschläge gespannt.
Das ist natürlich Unsinn. Der Fachanwalt verfügt über theoretisches Wissen und praktische Erfahrung, welche über den Durchschnitt hinausgehen. So sagt es die FAO.
Allerdings gibt es auch Spezialisten für bestimmte Teilbereiche einer Fachanwaltschaft. zB für Revisionsverfahren oder eben 130er-Sachen. Ein Spezialist hat Wissen in speziellen Ausschnitten einer Fachanwaltschaft, die noch über die Kenntnisse eines Fachanwalts hinausgeht.
Ein Blick ins Gesetz (§ 7 BORA) oder die Kenntnis von Rechtsprechung (BGH I ZR 53/13) ist auch Kostenbeamten nicht verwehrt.
Siehe
Die Auffassung, besondere Fachkunde als Auswahlkriterium beschränke sich auf Fachanwaltstitel, halte ich gelinde gesagt für Unfug. Wenn mir beispielsweise bei bestehender Anlagegenehmigung Ein Vergehen nach § 326 I S. 1 Alt. 2 StGB vorgeworfen wird (gefährliche Abfälle unter wesentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren behandelt), dann brauche ich einen Strafverteidiger, der auch über vertiefte Kenntnisse im Abfallrecht verfügt (oder mit einem entsprechend versierten Kollegen zusammenarbeitet). Da reicht mir auch der FA für Strafrecht und Verwaltungsrecht u.U. nicht, wenn der noch nie im Leben Abfallrecht gemacht hat.
Mit der bloßen (gerne auch belegbaren) Behauptung, schwerpunktmäßig gegen den Vorwurf eines bestimmten Tatbestandes des Kernstrafrechts zu verteidigen, als Begründung für die Erforderlichkeit eines auswärtigen Verteidigers täte ich mir aber schwer, da müsste m.E. schon dargelegt werden, was dieser Anwalt kann, das der 0815-Fachanwalt für Strafrecht von nebenan nicht kann, und warum der Mandant davon ausgehen durfte, so einen Spezialisten zu brauchen. Bei den Meinungsäußerungsdelikten könnten da eventuell vertiefte Expertise im Presserecht und/oder Erfahrung mit Verfassungsbeschwerden helfen, allerdings nur dann, wenn über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Äußerung tatsächlich ernsthaft zu diskutieren war. Jemand, dem vorgeworfen wird, dass er beispielsweise bei der letzten Demo der Paranoiden Erwerbslosen Gegen die Intellektualisierung des Abendlandes ein Schild mit der Aufschrift „Syrer in die Gaskammer“ durch die Gegend getragen habe, braucht wohl kaum einen Spezialisten für den § 130 StGB.
Fachwissen ergibt sich nicht nur aus einem Fachanwaltstitel
Gem. § 7 I S.1 BORA darf unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen, „wer seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben wurden“. Und gem. § 7 I S.2 BORA qualifizierende Zusätze nur verwenden, wenn er zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig ist.
Der BGH hat im Urt. v. 24.07.2014 – I ZR 53/13 – dort ging es um die Frage, ob die Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ eines RA auf seinem Briefbogen irreführend ist – ausgeführt, daß wer die Bezeichnung als Spezialist für Familienrecht für sich in Anspruch nimmt, die sie begründenden Tatsachen darlegen und beweisen muß, „wenn seine Werbung als unrichtig beanstandet wird und die klagende Partei diese Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufklären kann“.
Die Sache ist zwar im Wettbewerbsrecht entschieden worden. Kann m.E. auch für das Kostenrecht argumentativ genutzt werden.
Ich würde also entsprechende langjährige praktische Erfahrungen und besondere theoretische Kenntnisse darlegen und entsprechend einem Fachanwalt (§ 15 FAO) wie Fortbildung im Strafrecht mit mindestens 15 Zeitstunden/jährlich, wissenschaftlich Publikationen, Teilnahme an fachspezifischer der Aus- oder Fortbildung (als Teilnehmer oder Dozent) etc. unter Beweis stellen.
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