Ich hatte ja schon das vorgezogene RVG-Rätsel angekündigt. Das kommt heute dann schon zur Mittagszeit. Also hier das Rätsel:
„Guten Tag Herr Kollege Burhoff,
eine gebührenrechtliche Frage treibt mich um:
Der Mandant wurde vom Schöffengericht freigesprochen. Ich habe meine Wahlverteidigergebühren (immerhin knapp 3 T €) angemeldet, eine Abtretungsanzeige des Mandanten ordnungsgemäß zur Akte gereicht und auf die Anmeldung und Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren verzichtet (auf Nachfrage des Rechtspflegers).
Jetzt bekomme ich die Mitteilung, dass das Kostenfestsetzungsverfahren ausgesetzt wird, weil die StA Berufung eingelegt hat.
Sehe ich das richtig, dass ich – weil ich ja verzichtet habe – nun nicht einmal die Pflichtverteidigergebühren erhalte? Ist es überhaupt korrekt, das Verfahren auszusetzen bis zur Rechtskraft? Richtig ist natürlich, dass keine (rechtskräftige) Kostengrundentscheidung vorliegt wegen des Rechtsmittels. Aber als Pflichtverteidiger erhalte ich ja auch bei Einlegung eines Rechtsmittels die angemeldeten (Pflichtverteidiger-)Gebühren der Instanz.
Ich bin gerade ein wenig sprachlos (nicht nur wegen des Kostenverfahrens, sondern auch weil der Sitzungsvertreter auch auf Freispruch plädiert hatte).“
Na? Jemand trotz Silvester Lust, eine Antwort zu geben?
Die Konstellation dürfte vergleichbar mit LG Koblenz, Beschl. v. 06.07.2010 – 9 Qs 67/10 sein, dort auch Verzicht und anschließende Aufrechnung der Staatskasse mit offenen Gerichtskosten. Der Verzicht ist nicht anfechtbar. Darum immer erst Festsetzung der PV-Gebühren beantragen, danach die Differenz zu den WV-Gebühren. Lehrgeld für den Kollegen, sofern nicht in der Berufung ein Freispruch herauskommt. Da tröstet auch die Verzinsung nicht.
Nach meiner Auffassung sind die Gebühren nicht „weg“, denn wie jede Willenserklärung ist auch der hier erklärte Verzicht der Auslegung zugänglich. Und da wird man wohl gut auf Grund der Umstände, insb. des Telefonats, damit argumentieren können, dass der Verzicht nur für den Fall der antragsgemäßen Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren erfolgte. Dieser Verzicht sollte nämlich eine mögliche Doppelbelastung der Staatskasse vermeiden durch die sonst mögliche spätere Abrechnung der Pflichtverteidigergebühren.
Praxishinweis: Ich mache mir in diesen Fällen immer die Arbeit und schreibe 2 Rechnungen/KFA, einmal die PV-Abrechnung und dann den KFA für die notwendigen Auslagen. Erstens geschieht die Festsetzung der Gebühren nach § 49 in der Regel zügiger und man hat erstmal 80% der Mittelgebühr im Sack. Manchmal kommen irgendwelche Revisoren auch auf den absurden Gedanken, dass die notwendigen Gebühren unterhalb der 49er Gebühren festzusetzen wären. Jedenfalls ist es einfacher, sich nur noch über die Höhe des Restes zu streiten, als wenn man auf den Gesamtbetrag warten muss.
So etwas passiert mir nicht.
Ich rechne immer erst nach Rechtskraft ab
Auf die Pflichtverteidigergebühren wurde – wohl in Ansehung der Entscheidungen OLG Ffm., Beschl. v. 30.03.2010 – 2 Ws 42/10 – wiederum im Anschluß an – 1 BvR 2251/08 – gerade nur „unter der Prämisse“ verzichtet, damit die vollen Wahlverteidigergebühren festgesetzt werden können. Diese können zwar jetzt – vor Rechtskraft – noch nicht voll festgesetzt werden. Wohl aber schon teilweise insoweit, als die Wahlverteidigergebühren die der Höhe der bereits verdienten Pflichtverteidigergebühren entsprechen und diese nicht übersteigen.
Klarstellend würde ich unter Bezifferung des Betrages beantragen, das jetzt nur der den Pflichtverteidigergebühren entsprechende Betrag als Teil der Wahlverteidigerkosten festgesetzt werden und notfalls sofortige Beschwerde einlegen.
Im übrigen ist das Kostensetzungsverfahren auszusetzen, bis die Entscheidung, auf die der noch nicht entscheidbare weitere Festsetzungsantrag (Differenz zwischen vollen Wahlverteidigergebühr und Pflichtverteidigergebühr) gestützt wird, rechtskräftig ist, § 104 III S. 2 ZPO, § 464b S.3 StPO.
Pingback: Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Ich habe verzichtet – sind die Gebühren jetzt weg? – Burhoff online Blog
Guten Tag zusammen, die Lösung war sehr einfach. Nach Beantragung des Vorschusses gem. § 47 RVG sind die Pflichtverteidigergebühren kommentarlos durch den R´pfleger festgesetzt worden.