Meine Frage vom vergangenen Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Eine oder mehrere Angelegenheiten im Bußgeldverfahren? beantworte ich dann mit dem Hinweis auf den LG Bonn, Beschl. v. 30.03.2016 – 27 Qs 12/16 – mit den beiden (amtlichen) Leitsätzen:
- Selbstständige, nicht formell verbundene oder als solches getrennte Bußgeldverfahren führen zu mehreren Angelegenheiten bzw. mehreren Rechtsfällen i.S.d. § 15 RVG, unabhängig davon, ob sie in einem Aktenband geführt werden. Der Rechtsanwalt hat deshalb bei einer derartigen Durchführung für jedes dieser Verfahren Anspruch auf gesonderte Gebühren und Auslagen.
- Sofern es im Bereich der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten der Behörde freisteht, mehrere prozessuale Taten in einem Bescheid zu bündeln oder mehrere, jeweils einzeln kostenpflichtige Bescheide zu erlassen, ist diese Entscheidung auch im Bereich der Kostenerstattung nachzuvollziehen.
Und daraus folgt: Ein Rechtsmittel hatte also Erfolg. Kann man im Beschluss nachlesen.
Die Entscheidung ist hinsichtlich der Ausführungen des LG zur Frage der Angelegenheiten zutreffend und entspricht insoweit der vom LG angeführten Rechtsprechung. Dass diese Sicht dem Bezirksrevisor nicht gefallen wird, dürfte auf der Hand liegen. Denn: Nach der amtsgerichtlichen Festsetzung waren aus der Staatskasse rund 275 EUR/brutto zu erstatten. Das LG hat – selbst unter Berücksichtigung der geänderten/reduzierten Gebührensätze – rund 1.700 EUR festgesetzt. Und das ist zutreffend, denn: Wer A sagt, muss auch B sagen: Oder: Wenn die Justiz 19 einzelne (Bußgeld)Verfahren gegen den Betroffenen einleitet und dann auch führt, muss sie damit rechnen, dass im Fall des Freispruchs erhebliche Kosten auf sie zukommen. Dem kann man nicht durch den Hinweis auf organisatorische und erst recht nicht auf statistische Gründen entgehen, zumal der Verteidiger – entgegen der Auffassung des LG Detmold in seinem m.E. fiskalisch geprägten Beschl. v. 25. 2. 2015 – 4 Qs 21/15 – keine Eingriffsmöglichkeiten hat.
Ob die Auffassung des LG hinsichtlich der Gebührenhöhe ebenfalls zutreffend ist, lässt sich ohne Kenntnis der Akten und damit weiterer für die Gebührenbemessung maßgeblicher Einzelheiten nicht abschließend beurteilen. Ob die „Gleichartigkeit“ der Verfahren ein Bemessungsgesichtspunkt ist/sein darf, kann man m.E. bezweifeln. Denn, wenn ich es mit 19 Verfahren/verschiedenen Angelegenheiten zu tun haben, dann muss man m.E. in jedem dieser Verfahren separat die Angemessenheit der Gebühren prüfen. Unabhängig davon: Der Ansatz der Mindestgebühren erscheint mir auf jeden Fall verfehlt. Denn das bedeutet, dass es kein gebührenrechtlich denkbar geringeres Verfahren gibt.