In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, was eigentlich ein „Moment“ i.S. einer momentanen Unaufmerksamkeit/eines Augenblicksversagen relevante Zeitspanne ist, bislang nicht geklärt. Das OLG Bamberg hat sich dr Frage jetzt aber mal angenommen und zumindest schon mal entschieden, dass sich die Unaufmerksamkeit/das Augenblicksversagen begrifflich auf die konkrete Tatsituation beziehen muss, die das Absehen vom Fahrverbot begründen soll, und nicht nur auf ein Vorverhalten des Betroffenen. In dem entschiedenen Fall hatte das AG den Betroffenen wegen einer als Führer eines Pkw mit Anhänger begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 320 € verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid angeordneten Fahrverbot von einem Monat hatte das AG demgegenüber abgesehen. Begründung: Der Betroffene habe geglaubt, mit dem von ihm ausgeliehenen Anhänger dürfe er 100 km/h fahren, weil an diesem ein entsprechendes Schild angebracht gewesen sei. Eine diesbezügliche Eintragung in der Zulassungsbescheinigung war jedoch nicht erfolgt, was der Betroffene allerdings nicht überprüft hatte. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hatte Erfolg.
Das OLG Bamberg führt im OLG Bamberg, Beschl. v. 04.01.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 – aus:
„b) Der Irrtum des Betr. bei der Übernahme des Anhängers über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit stellte auch kein sog. ‚Augenblicksversagen‘ dar, welches ein Absehen von dem Regelfahrverbot rechtfertigen könnte. Hiervon kann nur gesprochen werden, wenn eine momentane Unaufmerksamkeit bzw. ein kurzzeitiges Fehlverhalten vorlag (BGH, Urt. v. 29.01.2003 – IV ZR 173/01 = NJW 2003, 1118 = VersR 2003, 364 = ZfS 2003, 242 = DAR 2003, 217 = VRS 105 [2003], 118 BGHR VVG § 61 Fahrlässigkeit, grobe 9 = Schaden-Praxis 2003, 173 = MDR 2003, 505), wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann (BGH, Beschl. v. 11.09.1997 – 4 StR 638/96 = BGHSt 43, 241/249 ff. = NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525). Schon im Hinblick auf den Begriff des Augenblicksversagens ist es kennzeichnend, dass es sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handelt. Dies scheidet hier schon deshalb aus, weil das Fehlverhalten des Betr. bereits bei Übernahme des Anhängers gegeben war, indem er die gebotene Überprüfung der Fahrzeugpapiere unterlassen hat.
c) Unbeschadet des Umstands, dass demnach keine Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die ein Absehen vom Regelfahrverbot gerechtfertigt hätten, hat das AG die aus seiner Sicht zumindest gebotene Gesamtabwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls gänzlich unterlassen. Es hat stattdessen seine Entscheidung allein auf den (vermeidbaren) Irrtum des Betr. über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit gestützt. In diesem Zusammenhang besonders relevante Umstände, die gegen ein Absehen vom Regelfahrverbot sprechen, wie etwa die verkehrsrechtlichen Vorahndungen des Betr. und der Umstand, dass sowohl eine beharrliche wie auch grobe Pflichtverletzung vorlagen, hat es dagegen in seine Erwägungen gar nicht eingestellt.“
Nun ja, zum „Moment“ wohl zutreffend. Aber: Warum führt ggf. der Irrtum nicht zur Annahme einer verminderten subjektiven Vorwerfbarkeit? Da gibt es Rechtsprechung zum Sprinter, die man ggf. entsprechend hätte anwenden können. Letztlich würde das OLG das Absehen vom Fahrverbot aber wohl daran scheitern lassen, dass der Betroffene sich nicht erkundigt hat.
Die Einlassung „Ich dachte, ich darf 100 km/h fahren, wenn es hinten dran steht.“ reicht sicher noch nicht, um Milde walten zu lassen (pardon „eine verminderte subjektive Vorwerfbarkeit anzunehmen“). Hier trat aber die Besonderheit hinzu, dass es ein geliehener Hänger war. Da könnte man die Umstände des Einzelfalls schon mal näher prüfen.
Allerdings würde ich die Einlassung nur gelten lassen, wenn der Betroffene auf der 80er Strecke 100 km/h gefahren wäre (weil es am fremden Hänger hinten dran stand). Der Betroffene ist aber auf der 80er Strecke 120 km/h gefahren.