Der regelmäßige Leser dieses Blog weiß, dass ich auch im „Rechtspfleger-Forum“ angemeldet bin, dort nach interessanten Fragestellungen stöbere und auch mit diskutiere. Natürlich unter Klarnamen, so wie es sich m.E. gehört. Manchmal macht es richtig Spaß und ich freue mich dann auch immer, wenn ich dort einen der Fragenden von meiner (Gebühren)Auffassung habe überzeugen können.
Manchmal ärgere ich mich allerdings auch. Und das war vor einigen Tagen bei folgendem Posting der Fall, das unter der Headline „§ 43 RVG Unwirksame Aufrechnung bei Abtretung“ eingestellt war:
„Mich interessiert, ob Ihr auch so ein Theater mit den Rechtsanwälten habt, wenn die Gebührenansprüche an diese abgetreten wurden. Die sind immer völlig empört, wenn ich um Darlegung der weiteren Voraussetzungen des § 43 RVG bitte.
Dort heißt es „Tritt der Beschuldigte oder der Betroffene den Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den Rechtsanwalt ab, ist eine von der Staatskasse gegenüber dem Beschuldigten oder dem Betroffenen erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde.“
Ich bekomme hier in epischer Breite zu hören, wann der Anspruch fällig ist, dass die Abtretung rechtzeitig mitgeteilt wurde und weiteres irrelevantes Geschreibe, anstelle dass mal auf die Frage eingegangen wird, ob durch eine potentielle Aufrechnung der Anspruch vereitelt oder beeinträchtigt würde.“
Mich ärgert(e) schon die Diktion in dem Posting. Mal abgesehen davon, dass ich in § 43 RVG und daher auch nirgendwo in der Kommentarliteratur eine Stelle entdecke, in der eine Art „Darlegungslast“ des Verteidigers/Rechtsanwalts betreffend die angesprochenen Fragen entdecken kann. Da gilt dann wohl: da mihi factum, dabo tibi ius. Oder: Man muss sich schon selbst Gedanken machen, Frau Rechtspflegerin.
So sehen das übrigens auch Kollegen von ihr, die auf das Posting geantwortet haben:
Der eine hat zitiert: „Mich interessiert, ob Ihr auch so ein Theater mit den Rechtsanwälten habt, wenn die Gebührenansprüche an diese abgetreten wurden. Die sind immer völlig empört, wenn ich um Darlegung der weiteren Voraussetzungen des § 43 RVG bitte.“ und darauf dann kurz geantwortet:
„Wozu auch?“
Und der zweite hat dann darauf nachgesetzt und gefragt:
„Das frage ich mich allerdings auch grad… Welche Darlegungspflichten soll denn bitte der RA noch haben außer dem, was er Dir da „in epischer Breite“ mitteilt?“
Das beruhigt. Der Ausgangsfragestellerin kann man nur ans Herz legen, ihr „Motto“, das sie in ihrem Profil mitteilt, mal zu überdenen bzw. zu beherzigen:
„Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“ Curt Goetz
In dem Sinne: Schönes Wochenende, ach so, noch nicht ganz. Es kommt ja noch das Rätsel.
Habe in der Frage eben nachgeschlagen und bin bei Kotz, Beck’scher Online-Kommentar RVG auf folgendes Zitat gestoßen:
„Auch nach § 96a BRAGO war es bereits umstritten, in welcher Intensität das Vorliegen einer Beeinträchtigung bzw. Vereitelung des Vergütungsanspruchs darzulegen war. Die weit überwiegende Meinung geht dabei davon aus, dass der Rechtsanwalt Beeinträchtigung bzw. Vereitelung darzulegen und ggf. glaubhaft zu machen hat (KG NJW 1979, 2255; OLG Bamberg JurBüro 1977, 1250; 1977, 1576; OLG München JurBüro 1978, 1530; Schneider/Wolf/N. Schneider Rn. 49 ff.; MAH VergütungsR/Latz § 37 Rn. 126; Gerold/Schmidt/Burhoff Rn. 26; Hansens StV 1991, 44 ff. (46))“.
Der Verweis auf die vorletzte Fundstelle hat mich etwas irritiert 😉
Vielleicht hat die Rechtspflegerin auch das Musterschreiben bei Burhoff, RVG, § 43 Rdnr. 41 gelesen und vermisst in den Anträgen die dort genannten Sätze :
„Die Kosten sind vom Mandanten trotz mehrerer Mahnungen bislang nicht gezahlt worden. Die Aufrechnung der Staatskasse vereitelt bzw. beeinträchtigt daher die Realisierung dieses Vergütungsanspruchs…..“
Daraus könnte man durchaus ableiten, dass der Anwalt schon ein bisschen dazu schreiben sollte, weshalb sein Anspruch vereitelt oder beeinträchtigt wird…
Rdn. 49
Ich schaue mir da Zuhause mal an. Bin im Moment nicht an Platz 🙂
Ich zitiere mal noch schnell aus der o.g. Entscheidung des KG:
Leitsatz 3:
„Daß die Aufrechnungserklärung der Staatskasse im Falle ihrer Wirksamkeit den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts „beeinträchtigen werde“, ist regelmäßig anzunehmen, soweit der fällige Anspruch noch unbeglichen und nicht durch anrechenbare Vorschüsse gedeckt ist.“
und in den Gründen:
„An dieses gesetzliche Erfordernis, das den Umfang der Unwirksamkeit umschreibt, dürfen nach Auffassung des Senats keine zu strengen Anforderungen gestellt werden.“
Ich bin zwar noch nie „Opfer“ einer derartigen Aufforderung der Staatskasse gekommen, aber das o.g. vorzutragen (wenn es denn stimmt) sollte doch nicht so schwer sein.
Es scheint, als sei die so arg gescholtene Rechtspflegerin weit und breit die einzige, die weiß, was „Darlegungslast“ bedeutet und nach welchen Grundsätzen sich diese im deutschen Recht normalerweise verteilt. Dass sie sich dafür hier in diesem Stil anmachen lassen muss, ist schon erstaunlich, um es einmal milde auszudrücken.
Die Rechtspflegerin hat vollkommen recht. Jetzt muss man sich schon rechtfertigen, wenn man das Gesetz anwendet!?