Archiv für den Monat: August 2015

Wer A sagt, muss auch B sagen – der BGH tut es aber nicht

© Birgit Reitz-Hofmann - Fotolia.com

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Wer kennt ihn nicht, den Spruch: „Wer A sagt, sollte auch B sagen „? Der passt mE. ein wenig abgewandelt zur BGH-Rechtsprechung zu den Beweisverwertungsverboten, nämlich: „Wer A sagt, sollte auch B sagen“, oder eben „Wer A sagt, muss auch B sagen – der BGH tut es aber nicht“. Und es geht um den BGH, Beschl v. BGH, Beschl. v. 20.05.2015 – 4 StR 555/14 – betreffend die Verwertung der von zu anderen Zwecken entnommenen Körperzellen, um sie zur Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren zu verwenden, in anderen Strafverfahren.

Grundlage der Entscheidung ist ein im Grunde genommen ganz einfacher Sachverhalt: Dem Angeklagten werden mehrere Taten zur Last gelegt. Er soll am 09.08.2018 eine Frau überfallen haben und ihr im Rahmen eines Gerangels mit bedingtem Tötungsvorsatz zahlreiche Verletzungen mit einem Messer zufügt haben. Ein Täter konnte zunächst nicht ermittelt werden. Außerdem soll der Angeklagte am 10.01.2012 einen ihm aus der Betäubungsmittelszene Bekannten, der eine frühere Betäubungsmittellieferung des Angeklagten bis dahin nicht bezahlt hatte, wiederum mit einem Messer bedroht und verletzt haben. Im Anschluss an die letzte Tat wird der Angeklagte vorläufig festgenommen worden. Er hat sich zum Tatgeschehen nicht eingelassen.

Die Strafkammer hat ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der ersten Tat das LG maßgeblich dann darauf gestützt, dass bei der Untersuchung von Spurenmaterial an einer am Tatort sichergestellten Nylonstrumpfhose ein DNA-Identifizierungsmuster festgestellt werden konnte, das mit dem in der DNA-Analyse-Datei gespeicherten Muster des Angeklagten übereinstimmt, das aus der Untersuchung einer nach der Festnahme am 10.1.2012 freiwillig abgegebenen Speichelprobe gewonnen wurde. Der Angeklagte hat insoweit ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht, das DNA-Muster dürfe nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der Tat vom o9.12.2008 herangezogen werden.

Der BGH sagt: A, so der Leitsatz der Entscheidung: „Die Untersuchung von zu anderen Zwecken entnommenen Körperzellen, um sie zur Erstellung eines DNA-Identifizierungsmusters zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren zu verwenden, ist durch die Verwendungsregelung des § 81a Abs. 3, 1. Halbsatz StPO nicht gedeckt“.

Aber er sagt dann nicht B = Beweisverwertungsverbot, sondern auf der Grundlage seiner „Abwägungslehere“, die das BVerfG (leider) mitträgt:

Nach diesen Grundsätzen resultiert aus der unzulässigen Verwendung der Speichelprobe des Angeklagten kein Beweisverwertungsverbot für das in der DNA-Analyse-Datei gespeicherte DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten. Zwar liegt in der Verletzung einer gesetzlich geregelten Verwendungs-beschränkung ein Verfahrensverstoß von nicht unerheblichem Gewicht. Die überwiegenden Gesichtspunkte sprechen jedoch gegen die Annahme eines Verwertungsverbots. Das verwertete DNA-Identifizierungsmuster des Angeklag-ten hätte ohne Weiteres durch nochmalige Entnahme von Körperzellen und de-ren molekulargenetische Untersuchung auf der Grundlage einer richterlichen Anordnung nach § 81g Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO erlangt werden können, die im vorliegenden Fall durch den Beschluss des Amtsgerichts F. vom 29. November 2012 auch tatsächlich erging. Der Beweiswert des molekulargenetischen Untersuchungsergebnisses wurde durch den Verfahrensverstoß nicht berührt. Der Verstoß beruht zudem nicht auf Vorsatz der Ermittlungsbehörden. Diese hatten vielmehr im Hinblick auf das sich ausschließlich auf Maßnahmen im laufenden Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 10. Januar 2012 beziehende Einverständnis des Angeklagten zunächst ausdrücklich von einer Untersuchung abgesehen und eine richterliche Anordnung nach § 81g StPO einge-holt. Mit der Verwendung der vorhandenen Speichelprobe anstelle einer nochmaligen Entnahme von Körperzellen des Angeklagten hatte das Vorgehen der Ermittlungsbehörden ferner eine Zielrichtung, die auf Schonung der Rechtssphäre des Angeklagten ausgerichtet war und sich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls im Ansatz als nicht völlig unvertretbar darstellte. Schließlich ist den Regelungen in § 81a Abs. 3 StPO und § 81g Abs. 5 StPO zu entnehmen, dass die Verwendung gewonnener Körperzellen und eines molekulargenetischen Untersuchungsergebnisses nach der gesetzgeberischen Wertung gerade nicht ausnahmslos auf das Ausgangsstrafverfahren beschränkt ist. Nach § 81a Abs. 3 StPO hätte die Speichelprobe des Angeklagten als solche grundsätzlich in dem anhängigen, gegen unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tat am 9. Dezember 2008 Verwendung finden können und die Vorschrift des § 81g Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 StPO gestattet es, ein nach § 81e Abs. 1 StPO für Beweiszwecke im laufenden Ermittlungsverfahren erhobenes DNA-Identifizierungsmuster bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81g Abs. 1 StPO zu Zwecken der Identitäts-feststellung in künftigen Verfahren in der DNA-Analyse-Datei zu speichern (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 81g Rn. 12b; Senge aaO § 81g Rn. 24).“

Mir der Abwägungslehre kann man m.E. alles „gesund beten“ – gerade so, wie man es braucht.

In die Kirche gehen darf man auch im „(Maßregel)Vollzug….

© ogressie Fotolia.cm

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Schon etwas älter ist der KG, Beschl. v. 18.12.2014 – 2 Ws 376/14 Vollz – der sich mit den Rechten eines im Maßregelvollzug Untergebrachten befasst, nämlich mit der Teilnahme am gemeinsamen Hofgang,  der Einschränkung des Schriftverkehrs sowie der Teilnahme an Gottesdiensten im Krankenhaus. Ich will hier heute nur die mit dem Gottesdienstbesuch zusammenhängenden Ausfürhungen vorstellen.  Der Untergebrachte hatte vom Krankenhaus des Maßregelvollzuges die Ermöglichung seiner Teilnahme an den einmal wöchentlich in der (fußläufig erreichbaren) Kirche auf dem Klinikgelände stattfindenden evangelischen Gottesdiensten begehrt. Das war mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Antragsteller die dafür notwendige Lockerungsstufe nicht habe. Dieser habe jedoch die Möglichkeit von Gesprächen mit dem katholischen Seelsorger, der die Station des Untergebrachten regelmäßig besuchen würde. Der evangelische Seelsorger sei zudem schriftlich zu erreichen.

Na, schon da habe ich so meine Schwierigkeiten. Einen „Evangelen“ an die „Katholiken“ verweisen? Geht m.E. gar nicht. Und auch das KG hatte mit der Versagung der Teilnahme am Gottesdienst Probleme:

„c) Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm die Teilnahme an evangelischen Gottesdiensten in der auf dem Klinikgelände befindlichen Kirche zu ermöglichen, gilt Folgendes:

Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben; sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (vgl. BVerfGE 108, 282, 297). Zur grundrechtlich geschützten Religionsausübung gehören insbesondere kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente oder Prozession u.a. (vgl. BVerfGE 24, 236, 246).

Auch im Rahmen der Unterbringung im Krankenhaus des Maßregelvollzuges ist das Recht auf ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke verleiht § 32 BerlPsychKG dem Untergebrachten das Recht, innerhalb der Einrichtung am Gottesdienst und an den Veranstaltungen von Religions- und Glaubensgemeinschaften teilzunehmen. Ein Ausschluss eines Untergebrachten von der Teilnahme sieht das BerlPsychKG nicht vor. Insofern unterscheidet sich § 32 BerlPsychKG von den für die Strafgefangenen maßgeblichen Regelungen des § 54 StVollzG.

Zwar ist das Recht der Untergebrachten auf Teilnahme beispielsweise an Gottesdiensten nicht dadurch sicherzustellen, dass die Einrichtung selbst Initiativen ergreifen muss. Diese hat jedoch die Teilnahme dadurch zu fördern, dass sie Initiativen der berufenen Personen oder Stellen nicht nur duldet, sondern unterstützt (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 9/1226, Seite 16).

Damit hat der Beschwerdeführersteller ein Recht, an den in der Einrichtung stattfindenden Gottesdiensten – zumindest seines Glaubensbekenntnisses – teilzunehmen. Hierzu zählen nicht nur jene Gottesdienste, die auf der dem Untergebrachten zugewiesenen Station oder innerhalb des die Station beherbergenden Hauses stattfinden. Das Teilnahmerecht der Untergebrachten erstreckt sich vielmehr auf alle auf dem Klinikgelände abgehaltene Gottesdienste. Denn bereits angesichts der Bedeutung des grundrechtlich garantierten Rechts auf ungestörte Religionsausübung ist der in § 32 BerlPsychKG verwendete Begriff der „Einrichtung“ weit auszulegen. Im Übrigen ist der Begriff der „Einrichtungen“ in § 10 Abs. 1 Satz 1 BerlPsychKG legal definiert als „psychiatrische Krankenhäuser, psychiatrische Abteilungen in einem Krankenhaus, für psychisch Kranke geeignete Heime oder Teile von solchen Heimen“. Als psychiatrisches Krankenhaus ist das Krankenhaus des Maßregelvollzugs daher – zumindest hinsichtlich seiner standortbezogenen Anlagen – in seiner Gesamtheit als eine Einrichtung im Sinne des BerlPsychKG anzusehen.

Das Recht auf Teilnahme an innerhalb des Krankenhauses des Maßregelvollzugs angebotenen Gottesdiensten besteht unabhängig von der jeweiligen Lockerungsstufe der Untergebrachten. Eine ungestörte Religionsausübung muss auch einem Untergebrachten ermöglicht werden, dem Ausgänge auf dem Klinikgelände nicht gewährt werden können. Um etwaigen Fluchtgefahren zu begegnen, sind seitens des Krankenhauses geeignete Maßnahmen zu ergreifen, etwa in Form einer Begleitung des Untergebrachten.“

Na bitte, geht doch 🙂 .

Strafzumessung: Straferschwerend ist „eine Vielzahl von Straftaten“

© eyetronic Fotolia.com

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Strafzumessung ist nicht einfach – so hat man zumindest den Eindruck, wenn man die BGH-Rechtsprechung verfolgt. Denn immer wieder sind es häufig – im Grunde genommen – Kleinigkeiten, die zur Aufhebung im Strafausspruch führen. So auch im BGH, Beschl. v. 28.05.2015 – 2 StR 32/15, bei dem es um eine Verurteilung wegen Wohnungseinbruchsdiebstahlstaten ging. Der BGH hat den Strafausspruch aufgehoben:

Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung hinsichtlich der Bemes-sung der Einzelstrafe im Fall II 1 der Urteilsgründe nicht stand. Das Landgericht hat für die am 4. Dezember 2004 begangene erste von insgesamt sechs in einem Zeitraum von sieben Jahren begangenen Taten die Annahme eines min-der schweren Falls des Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 3 StGB) geprüft. Im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände hat es straferschwerend berücksichtigt, dass „dem Angeklagten mit insgesamt sechs Fällen eine Vielzahl von Straftaten zur Last gelegt wird […]“ (UA S. 42, 43). Dabei hat das Landgericht nicht erkennbar bedacht, dass die straferschwe-rende Berücksichtigung der später begangenen Straftaten rechtlich nur dann unbedenklich ist, wenn der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt zur Bege-hung weiterer Straftaten entschlossen war oder wenn die spätere Tatbegehung auf seine besondere Rechtsfeindlichkeit schließen ließe (vgl. Senat, Beschluss vom 26. September 2001 – 2 StR 383/01 -, wistra 2002, 21; BGH, Beschluss vom 9. November 2006 – 5 StR 338/06 -, NStZ 2007, 150; vgl. auch BGH, Be-schluss vom 30. September 2009 – 2 StR 270/09 -, NStZ-RR 2010, 40; Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 46 Rn. 37b). Dies ist durch die Feststellungen nicht belegt.

Bei dieser Sachlage begegnet die Strafrahmenwahl in diesem Fall durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Da das Landgericht in seine im Übrigen sorgfältig abgefasste Gesamtwürdigung alle Umstände zahlreiche strafmildernde Umstände von Gewicht eingestellt und dabei insbesondere strafmildernd die lange zurückliegende Tatzeit bedacht hat, vermag der Senat unter den hier gegebenen Umständen nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Abwägung aller Umstände zur Annahme eines minder schweren Falles und zu einer milderen als der verhängten Einzelstrafe von acht Monaten gelangt wäre. Die Sache bedarf daher mit Blick auf diese Einzelstrafe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe neuer Verhandlung und Entscheidung.“

AG München: Wir schützen die Unschuldsvermutung und die (öffentlichen) Aktenzeichen….

entnommen wikimedia.org Author Bubo

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Author Bubo

Der regelmäßige Leser dieses Blogs weiß: Ich habe Problem mit/bei dem AG München bzw. dieses offenbar mit mir. Ich erinnere: Ich hatte mal wieder eine Entscheidung des AG München angefordert, zu der es eine PM des AG München gegeben hatte. Die hatte mir das AG verweigert mit der Begründung: Nicht rechtskräftig, daher gibt es die Entscheidung nicht (vgl. dazu Die Dickfelligkeit des AG München – wie gehabt, oder: Beim AG München ist alles anders). Die „Geschichte“ läuft noch, mein entsprechender Antrag an den Präsidenten ist ja auch erst eine Woche alt.

Nun, ich bin aber offenbar nicht der Einzige, der Probleme mit dem AG München hat. Jedenfalls habe ich nach meinem letzten Posting Nachricht von einem Kollegen erhalten, der sich auch an das AG München gewandt hatte. Ausgangspunkt seiner Anfrage war die Pressemitteilung Nr. 49/15 des AG München v. 17.08.2015. Das war die Geschichte mit dem Aufdruck „FCK CPS“ auf einem Gegenstand, der gut sichtbar gegenüber bestimmten Polizeibeamten eingesetzt wird, und der Frage: Strafbare Beleidigung. Der Kollege war aber – anders als ich – genügsam. Er wollte vom AG München nun aber noch nicht einmal die anonymisierte Entscheidung, sondern nur das Aktenzeichen des Verfahrens, in dem die Entscheidung ergangen ist, um die Entscheidung auf der Grundlage seiner der PM in einer Rechtsprechungsdatenbank einzustellen.

Wer nun glaubt, dass das kein Problem ist, der täuscht sich in einem bayerischen Amtsgericht, vor allem im AG München. Das entwickelt/mausert sich zu einem besonderen Hort der Rechtsstaatlichkeit. Denn man teilt dem Kollegen mit, dass mit der Mitteilung des Aktenzeichens die Anonymisierung nicht mehr gewährleistet sei. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Es gelte der Grundsatz der Unschuldsvermutung. Daher könne vor Rechtskraft das Aktenzeichen nicht mitgeteilt werden.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, freut sich aber natürlich darüber, dass beim AG München die Unschuldsvermutung (so) ernst genommen wird. Doch wieso nun gerade durch die Bekanntgabe des Aktenzeichens die Anonymität einer Angeklagten betroffen sein, erschließt sich einem/mir nicht – dem Kollegen übrigens auch nicht. Und wenn man sich mal die Pressemitteilung Nr. 49/15 ansieht, dann hat das AG über die Person der Angeklagten mehr Informationen bekannt gemacht – wie Geschlecht, Alter, Tätigkeit, Vorahndung – als man mit dem Aktenzeichen nur annähernd zum Ausdruck bringen könnte.

Und: Man fragt sich: Warum sind andere Gerichte nicht so rechtsstaatlich wie das AG München und warum nicht? Da haben wir z.B. die „Sicherungsverfügung“ des LG München I v. 17.03.2015 im Verfahren 5 Kls 401Js 160239/11 im Verfahren gegen „Dr. Rolf Ernst Br. u.a.“ mit der Nebenbeteiligten „Deutsche Bank AG“ – na das ist aber mal anonymisiert. Oder wie wäre es mit der der Terminsnachricht des BGH „Verhandlungstermin in Sachen 1 StR 602/14 für den 3. September 2015 (Revision gegen Urteil im Fall Schreiber)“. Und mal ganz abgesehen davon, dass die Fachzeitschriften voll sind von nicht rechtskräftigen Volltextveröffentlichungen.

Der Kollege hat es dann noch einmal versucht und nochmal an das AG München geschrieben, um das AG vielleicht doch noch überzeugen zu können. Ergebnis – was sicherlich nicht überrascht: Kein Erfolg. Und jetzt noch mit der nachgeschobenen Begründung, dass es über das Aktenzeichen möglich sei, den zuständigen Richter herauszufinden, darüber dann das zuständige Berufungsgericht und darüber dann der Name des Angeklagten. Aber hallo, wie denn das? Zuständiger Richter ja und Berufungsgericht auch, aber Name der/des Angeklagten? Wenn alle schweigen, wird man den so nicht „herausbekommen“.

Wie geht es weiter? Gar nicht, denn der Kollege hat entnervt aufgegeben, was ich einerseits verstehen kann, andererseits aber nun auch wieder schade ist. Denn damit zahlt sich „Dickfelligkeit“ mal wieder aus.

Im Übrigen es geht auch anders und vor allem einfacher/schneller. Ich hatte in der vergangenen Woche beim OLG Hamm nach einer bislang nur über eine PM bekannt gewordenen Entscheidung gefragt. Auch per Email 🙂 .  Heute bekomme ich die Nachricht aus Hamm, „dass die Einstellung der von Ihnen gewünschten Entscheidung ….. in die Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW, NRWE, veranlasst wurde. Die Entscheidung steht Ihnen daher in Kürze unter www.nrwe.de zur Verfügung.“ Na bitte, geht doch, und: Die Entscheidung ist auch schon  online 🙂 .

Warum man sich in Bayern so sperrig anstellt, ich weiß es nicht. Tja, und ich werde jetzt wohl keine Entscheidungen mehr bekommen 🙂 .

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Ist bei Verbindung in der HV auch noch eine Terminsgebühr entstanden?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Das Freitagsrätsel beruhte ja nicht auf einer konkreten Anfrage eines Kollegen, sondern auf einem Beschluss, den ich in der vergangenen Woche zugesandt bekommen habe. Nämlich den LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.08.2015 – 10 Kls 1/14, auf den ich mich dann zur Lösung auch beziehe. Da heißt es zum Anfall der Hauptverhandlungsterminsgebühr:

„Zwar ist die hinzuverbundene Sache 20 Js 7603/12 (14 KLs 8/13) ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht ausdrücklich durch den Vorsitzenden gemäß § 243 Abs. 1 S. 1 StPO aufgerufen worden. Allerdings ist der Aufruf der Sache keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens. Unterbleibt er, so ist der Beginn der Hauptverhandlung deshalb von dem Zeitpunkt an anzunehmen, in welchem der Vorsitzende für die Beteiligten erkennbar kundgibt, die Verhandlung in der Sache durchführen zu wollen (vgl. OLG Dresden NStZ-RR 2009, 128; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 243 Rn. 4). Dabei muss aber zu dem Zeitpunkt die Durchführung der Hauptverhandlung möglich sein, insbesondere muss der Eröffnungsbeschluss vorliegen (vgl. OLG Dresden a.a.O., OLG Bremen NStZ-RR 2013, 128).

Vorliegend hat der Vorsitzende nach der Verkündung des Eröffnungsbeschluss hinsichtlich des Verfahrens 14 KLs 8/13 (= 20 Js 7603/12) zu erkennen gegeben, dass das Gericht die Hauptverhandlung auch in jener Sache durchführen möchte, indem er mitgeteilt hat, dass das Gericht eine Verbindung beabsichtigt. Damit hat er den Beteiligten, auch dem Pflichtverteidiger rechtliches Gehör hierzu gegeben. Insbesondere im Hinblick auf den Schriftsatz des Pflichtverteidigers vom 10. April 2015 war die (zuvor) protokollierte Erklärung, dass für das Verfahren 10 Kls 8/14 auf die Einlassungsfrist verzichtet werde, auch so zu verstehen, dass – im Namen des Angeklagten – auch auf die Ladungsfrist verzichtet werde.

Damit liegt der Fall hier anders, als in dem vom OLG Dresden und OLG Bremen (beide a.a.O.) entschiedenen Fällen, in denen zugleich in einem Beschluss – ohne eine weitere Unterbrechung und Verhandlung – die Verbindung und Eröffnung des hinzuverbundenen Verfahrens beschlossen worden waren.“

Man sollte als Verteidiger in diesen Sachen also auf Folgendes achten:

  1. Für die Frage, ob in allen Verfahren eine Terminsgebühr entstanden ist oder nur in einem Teil, kommt es darauf an, ob in allen Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Dazu ist ein ausdrücklicher Aufruf nicht erforderlich. Zur Klarstellung/Sicherheit sollte der Verteidiger aber auf einen ausdrücklichen Aufruf auch in den hinzuzuverbindenden Verfahren drängen, da grds. eben erst nach Aufruf der Sache eine Hauptverhandlung stattfindet.
  2. Entscheidend ist zudem, dass die Verbindung der Verfahren auf jeden Fall erst nach Aufruf aller Sachen und dem Vorliegen aller prozessualen Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung, wie z.B. der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgt.
  3. Geht es um die gesetzlichen Gebühren (§§ 45, 55 RVG) muss der Rechtsanwalt zudem Pflichtverteidiger (geworden) sein. Liegt eine ausdrückliche Bestellung nicht vor, stellt sich – so war es beim LG Düsseldorf der Fall – die Frage der konkludenten Bestellung.Die Diskussion sollte man vermeiden und darauf achten, dass die Bestellung erfolgt.