„Der Maulwurf bleibt im Bau“? Der ein oder andere wird sich fragen: Was ist damit gemeint? Nun, ist ganz einfach. Die ein wenig kalauerhafte Überschrift passt als „Eyecatcher“ gut zum BGH, Beschl. v. 22.01.2015 – AK 34/14; sie ist übrigens ein Vorschlag meines „Urteilsdealers des Vertrauens“ – Ehre, wem Ehre gebührt.
Bei dem Beschluss handelt es sich um die Sechs-Monats-Entscheidung des BGH in dem Verfahren wegen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a. gegen den „Maulwurf“ beim BND, der für den US-Geheimndienst „geschnüffelt“/gearbeitet haben soll (vgl. wohl hier). Der befindet sich seit dem 03.07.2014 in U-Haft, nachdem er am 02.07.2014 vorläufig festgenommen worden ist. Und somit stand jetzt die „Sechs-Monats-Prüfung“ nach § 121 StPO an.
An dem Beschluss des BGH sind m.E. zwei Dinge interessant: Nun, nicht die Frage des dringenden Tatverdachts, auf den der BGH recht viele Worte verwendet. Nein, mich interessiert mehr der Haftgrund und die Frage der wichtigen Gründe i.s. des § 121 StPO. Und da bin ich dann doch schon überrascht, wie knapp – vorsichtig ausgedrückt – der BGH, Beschluss an der Stelle formuliert.
Zum Haftgrund heißt es nur:
„Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Beschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen, Fluchtanreiz bildenden Freiheitsstrafe zu rechnen. Wie im Haftbefehl des Ermittlungsrichters im Einzelnen dargelegt ist, könnte der Beschuldigte bei dem Unterfangen, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen, mit der Unterstützung US-amerikanischer Stellen rechnen. Der Zweck der Untersuchungshaft kann deshalb auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).“
Erscheint mir ein wenig knapp und ist ja auch nicht mehr als die Verknüpfung: „hohe Freiheitsstrafe“ = Fluchtgefahr, wobei sogar noch offen bleibt, wie hoch die Freiheitsstrafe denn sein sein könnte. Eine Verknüpfung, die die OLG bei den Land- und Amtsgerichten im Übrigen ungern sehen. Aber als BGH und wenn der BND im Spiel ist, darf man wohl so argumentieren.
Und zu den „wichtigen Gründen“ i.S. des § 121 StPO heißt es (nur):
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.
Das dem Beschuldigten durch den US-amerikanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellte Notebook der Marke ACER muss ausgewertet werden, was sich wegen der Verschlüsselung als technisch außerordentlich schwierig und zeitaufwändig erweist. Dies konnte noch nicht abgeschlossen werden. Gleiches gilt für die sachverständige Bewertung der verratenen Dokumente, die in Auftrag gegeben worden ist, um den Umfang des verursachten Verratsschadens festzustellen. Der Beschuldigte hat zwar den Tatvorwurf von Anfang an im Grundsatz eingeräumt, indes Einzelheiten, vor allem zur Dauer der Verratstätigkeit, zu den Kontakten mit dem Mitarbeiter des US-amerikanischen Geheimdiensts, zu seiner Entlohnung sowie zu der Verstrickung des Vaters in die Verschleierung der Geldzahlungen, erst im Verlauf mehrerer Nachvernehmungen und in dem Maße zugegeben, wie ihm jeweils Erkenntnisse aus den aufwändigen und noch andauernden Auswertungen der sichergestellten Datenspeicher, darunter dem Laptop der Marke LENOVO des Beschuldigten, sowie Erkenntnisse aus den Finanzermittlungen vorgehalten werden konnten.
Das Verfahren ist danach bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.
Auch das in meinem Augen: Gewogen und zu leicht befunden, denn: Was macht das Verfahren denn nun „besonders schwierig“, wenn der Beschuldigte weitgehend geständig ist/war? Und sind unsere Ermittlungsbehörden und der sicherlich mit einegschaltete BND nicht in der Lage, die Verschlüsselung des Notebooks in einem Zeitraum von sechs Monaten zu knacken? Dann aber armes Deutschland. Und wieso muss ich die „verratenen Dokumente“ sachverständig bewerten? Ergibt sich der „Verratschaden“ nicht von selbst aus den Dokumenten?
Was mich aber vor allem stört/irritiert: Kein Wort des BGH dazu, dass man nun aber beim GBA sich bitte mal beeilen soll. Wie lange soll denn noch „ausgewertet werden“. Bis zum St. Nimmerleins-Tag? So ist der Beschluss nichts anderes als ein „Freifahrtschein“ für den GBA, der sich nicht beeilen muss, zumindest vom BGH dazu nicht aufgefordert wird. Die Rechtsprechung des BVerfG lässt grüßen.
Aber: Das scheint derzeit en vogue zu sein. Ich erinnere da nur an den OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2014 – 2 Ws 542/14 (dazu Freibrief/Freilos – Erstaunliches zur U-Haft-Fortdauer vom OLG Dresden). Da hatte das OLG nicht nur keine Frist gesetzt bzw. weitere zeitliche Vorgaben gemacht, sondern der Strafkammer gleich mit auf den Weg gegeben, dass sie für die Eröffnung sich auch Zeit lassen darf, weil ja auch die StA schon so lange gebraucht. M.E. falsch und m.E. auch falsch, wenn auch nicht ganz so schlimm wie das OLG Dresden, der BGH. An der Stelle darf eben in der Haftprüfung nicht geschwiegen werden, sondern da muss im Hinblick auf Art. 1 und 2 GG jedenfalls „Dampf auf den Kessel“. Sonst trödelt man weiter vor sich hin.
„Und sind unsere Ermittlungsbehörden und der sicherlich mit einegschaltete BND nicht in der Lage, die Verschlüsselung des Notebooks in einem Zeitraum von sechs Monaten zu knacken?“
Wenn das Notebook anständig verschlüsselt ist (wovon auszugehen ist, wenn es von einem amerikanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellt wurde), dann dürfte eine Entschlüsselung nach derzeitigem Stand der Technik von vornherein aussichtslos sein – es sei denn, der Beschuldigte stellt sein Passwort zur Verfügung. Selbst frei verfügbare Verschlüsselungssoftware ist in der Lage, ein System so zu schützen, dass die Behörden es nicht knacken können (jedenfalls nach dem, was man so liest).
Das müsste den Ermittlern allerdings inzwischen klar sein und den „wichtigen Grund“ jedenfalls in dieser Hinsicht entfallen lassen.
„(jedenfalls nach dem, was man so liest).“ – und Sie glauben, wir lesen alles? 🙂
Natürlich nicht. Aber vielleicht hatten Sie (oder, falls Sie eher nicht im Bereich der Computerkriminalität verteidigen, einer Ihrer Kollegen) schon einmal einen Mandanten, dessen Rechner von den Ermittlungsbehörden wegen gelungener Verschlüsselung nicht ausgelesen werden konnte? Oder lehrt die Praxis eher, dass die Ermittler es in der Regel schaffen, Verschlüsselungen zu knacken?