Wer so lange Strafverfahrensrecht macht wie ich und dabei – schon, um immer up to date zu sein, – auch die verfahrensrechtlichen Neuregelungen und Planungen im Auge hat, der weiß: Seit einigen Jahren steht im Strafverfahren der Opferschutz im Vordergrund. Das kann man bedauern und beklagen und daran erinnern, dass er im Strafverfahren zumindest auch um die Rechte und die Person des Angeklagten gehen sollte, aber: Der Zug fährt schon – mal schneller, mal langsamer – in die andere Richtung bzw. er versucht es. Zu der Entwicklung gehört dann jetzt auch das sog. 3. OpferRRG, das die Bundesregierung am 11.02.2015 verabschiedet hat und das damit seinen parlamentarsichen Weg gehen wird. Zu dem Gesetz und zu den Neuerungen zitiere ich aus der PM des BMJV v. 11.02.2015 und verweise auf folgende Änderungen/Neuerungen:
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„Die Informationsrechte des Verletzten werden, etwa hinsichtlich Zeit und Ort der Hauptverhandlung und der gegen den Angeklagten erhobenen Beschuldigungen, weiter ausgebaut. Zudem wird die Gelegenheit genutzt, die bislang in § 406d bis 406h der Strafprozessordnung (StPO) katalogartig aufgeführten Informationspflichten zum besseren Verständnis neu zu strukturieren und zu erweitern.
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Bei der Anzeigeerstattung (§ 158 StPO) hat der Verletzten künftig Anspruch auf eine schriftliche Anzeigebestätigung und ggf. sprachliche Unterstützung.
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Die Zuziehung von Dolmetschern bei polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen des Verletzten ist nunmehr ausdrücklich in § 161a StPO und § 163 StPO vorgesehen. Darüber hinaus wird das Recht des Nebenklägers auf Übersetzung der zur Ausübung seiner Rechte erforderlichen Dokumente (§ 397 StPO) geregelt.
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Die Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürfnisse des Verletzten wird zentral an den Beginn der StPO gestellt und im § 48 StPO verankert.
Die Umsetzung der Opferschutzrichtlinie wird zudem zum Anlass genommen, der psychosozialen Prozessbegleitung, die nach geltender Rechtslage lediglich im Rahmen der Belehrungspflicht nach § 406h Satz 1 Nummer 5 StPO erwähnt wird, einen eigenen Standort in der StPO einzuräumen und sie damit ihrer praktischen Bedeutung entsprechend fest im deutschen Strafverfahrensrecht zu integrieren.
Psychosoziale Prozessbegleitung ist eine besonders intensive Form der Begleitung für besonders schutzbedürftige Verletzte von schweren Straftaten vor, während und nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst ihre qualifizierte Betreuung, Informationsvermittlung und Unterstützung im Strafverfahren. Damit soll vor allem die individuelle Belastung der Opfer reduziert werden.
In Österreich oder der Schweiz gibt es bereits detaillierte gesetzliche Regelungen zur psychosozialen Prozessbegleitung; in Deutschland hingegen in dieser Form noch nicht. Allerdings wird psychosoziale Prozessbegleitung in einigen Ländern, z. B. in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits praktiziert. Die Erfahrungen hierzu sind sehr positiv und es zeigt sich, dass eine professionelle Begleitung gerade für kindliche und jugendliche Opfer von schweren Gewalt- und Sexualdelikten die erheblichen Belastungen, die ein Strafverfahren mit sich bringt, deutlich reduzieren kann.
Vorgesehen ist ein Rechtsanspruch auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung für die in § 397a Absatz 1 Nummer 4 und 5 StPO genannten Personen, also für Kinder und Jugendliche sowie vergleichbar schutzbedürftige Personen als Opfer schwerer Gewalt- und Sexualstraftaten. Sonstige Opfer schwerer Gewalt- und Sexualdelikte (Personen, die in § 397a Absatz 1 Nummer 1 bis 3 StPO) sollen ebenfalls kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung erhalten, wenn nach Ansicht des Gerichts dies im Einzelfall erforderlich ist. Psychosoziale Prozessbegleitung wird in jedem Fall nur auf Antrag gewährt.“
Hier geht es dann zum RegE: Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren.