Machen wir heute mal nur einen „Kessel“ bzw. „Strauß Buntes“. Über den Newsletter der LTO bin ich auf die Nachricht zum dem Kollegen des AG Delmenhorst gestoßen. Da heißt es (vgl. auch hier bei Welt-online):
„Mit einem Putztuch und Politur hat ein Amtsrichter in Delmenhorst einen Streit um ein beschädigtes Auto einfach weggeputzt. Ein Autobesitzer hatte geklagt, weil eine Frau angeblich die Tür seines Wagens beschädigt hatte.
Der Richter bestellte die Kontrahenten samt Auto vor das Gericht, um sich den Schaden anzuschauen. Schließlich zückte er die Putzutensilien, rieb über die Autotür – und weg war der vermeintliche Lackschaden.
Dies sei nicht das erste Mal, dass der Jurist zu unkonventionellen Mitteln greife, sagte eine Sprecherin des Oberlandesgerichts in Oldenburg. 2011 habe er einen Nachbarschaftsstreit um Äste, die über eine Gartengrenze ragten, mit einer Säge lösen lassen.“
Das ist mal eine Streitschlichtung, die allerdings in Strafverfahren und Bußgeldverfahren so kaum möglich ist. Jetzt stellt sich natürlich nur die Frage: Wie wird abgerechnet? 🙂 😉 Kann der Richter die bei ihm entstandenen Kosten gegenüber der Staatskasse geltend machen, wenn er das überhaupt will?
Ich finde es bedenklich, wenn ein zur Neutralität verpflichteter Richter Beweise zerstört und statt eine Entscheidung zu treffen, Fakten schafft. Natürlich kann man dieses Handeln auch als bodenständig, hemdsärmelig, oder lebensnah verbrämen.
Ich vermute mal, er wird sich vor dem Handanlegen durch Rückfrage vergewissert haben, daß der Kläger nichts gegen diesen Versuch hat. Ihm dürfte klar gewesen sein, daß der Versuch auch scheitern kann. Außerdem dürfte er damit gerechnet haben, selbst im „Erfolgsfalle“ noch eine Kostenentscheidung treffen zu müssen, da an dem Fahrzeug ja jedenfalls ein „Schaden“ – wenn auch nur in Form eines oberflächlichen Substanzauftrages – eingetreten war.
Daher vermute ich auch, daß der Richter sich zuvor durch Nachfrage vergewissert hat, ob dieses „Beweismittel“ im Zweifelsfalle entbehrlich ist. Weil vielleicht die Verursachung des Substanzauftrages gar nicht im Streit stand o.dgl.
Zu „verbrämen“ gibt es also vermutlich nichts. Mit der gebotenen Vorsicht kann ein Richter durchaus derart „unkonventionell“ an die Sache (und ans Werk) gehen. Ich würde mir wünschen, daß solches öfter zu vermelden wäre und einigen Zeitgenossen die Augen dafür geöffnet würden, womit man Gerichte nicht unbedingt belasten muß.
Es gibt übrigens auch anderswo – in Hohenstein-Ernstthal und Zwickau z.B. – redlich bemühte Amts- bzw. Landrichter, die zumindest in Nachbarschaftsangelegenheiten den Weg an die streitumfangene Grenzhecke o.dgl. nicht scheuen und vor Ort versuchen, Kompromisse zu vermitteln. Leider nicht immer mit Erfolg, was der Starrköpfigkeit einzelner Parteien (meist der Kläger) geschuldet ist.
hierzu eines meiner ersten Erlebnisse als Amtsrichterin in Nachschaftssachen:
Nach jahrelangem erbittertem Nachbarschaftsstreit um eine auf, an, über oder unter (derüber wurde seitenlang Papier gefüllt) der Grenze gelegene Weinbergsmauer hatte ich die Streithähne samt Anwälten (die sich nicht minder stritten) an einem warmen sonnigen Maimorgen endlich zu einer einigermaßen vernünftigen und endgültigen Einigung gebracht. Monate später berichtete mir der Bürgermeister des Ortes, dass sich beide Parteien unabhängig voneinander bei ihm beklagt hätten, ich hätte ihnen ihren schönen Streit genommen. Naja so nicht wörtlich, aber im Ergebnis: Da die Sache mit dem Weinberg nun geklärt sei, hätten sie (wechselseitig) nun nichts mehr gegen den Nachbarn in der Hand…
Drum überlege sich, wer Nachbarschaftsfrieden stiften will.