Biokost für den U-Haft-Gefangenen in der JVA?

Das OLG Celle, Beschl. v.09.05.2011 -1 Ws 186/11 (UVollz) setzt sich neben verfahrensrechtlichen Fragen auch mit der m.E. ganz interessanten Frage des Anspruchs des U-Haft-Gefangenen auf Verpflegung mit Bio-Produkten auseinander. Dazu erhält die JVA vom OLG, das die ablehnende Entscheidung der JVA vornehmlich aus verfahrensrechtlichen Gründen beanstandet hatte, „begleitende Hinweise“. Es heißt zu der Frage im Beschluss:

a. Das für die Beurteilung der Frage, ob ein Untersuchungshaftgefangener Ansprüche auf Verpflegung mit Bio- bzw. Reformprodukten geltend machen kann, maßgebliche NJVollzG enthält an zwei Stellen Vorschriften über den Bezug von Nahrung. Nach § 169 Abs. 1 NJVollzG, der auf § 23 NJVollzG verweist, sind Gefangene gesund zu ernähren. Besondere Verpflegung erhalten sie im Fall medizinischer Indikation bzw. aus religiösen Gründen. Darüber hinaus können sich Untersuchungshaftgefangene nach § 142 Abs. 3 NJVollzG aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot regelmäßig Nahrungsmittel im angemessenen Umfang kaufen. Dabei soll seitens der Anstalt für ein Angebot gesorgt werden, dass auf Wünsche und Bedürfnisse der Gefangenen Rücksicht nimmt.

b. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein, ob dem Antragsteller der Bezug von Nahrungsmitteln außerhalb der sonstigen Anstaltsverpflegung ermöglicht werden muss. Denn die Kammer hat die Antragsgegnerin nicht zur Verpflegung des Antragsstellers mit Bio- oder Reformprodukten verpflichtet, sondern nur, für ein erweitertes Nahrungsmittelangebot zu sorgen, das dem Antragsteller ermöglicht, auf seine Kosten Nahrungsmittel zu erwerben. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu § 23 NJVollzG gehen damit an der Sache vorbei.

c. § 142 Abs. 3 NJVollzG begründet einen Anspruch eines Untersuchungshaftgefangenen, dass ihm der Einkauf von Nahrungsmitteln ermöglicht wird (vgl. zu der ähnlich konzipierten Vorschrift des § 22 StVollzG OLG Frankfurt, ZfStrVo 1979, 57). Er hat jedoch keinen Anspruch darauf, beliebige Gegenstände kaufen zu können. Die Anstalt selbst ist hingegen gehalten, für entsprechende Einkaufsmöglichkeiten zu sorgen. In welcher Weise dies geschieht, steht im Ermessen des Anstaltsleiters (vgl. OLG Koblenz, NStZ 1991, 151; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 22 Rn. 2). Demnach wäre die von der Kammer ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null in Frage gekommen. Eine solche setzt allerdings voraus, dass das Ermessen so stark eingeschränkt ist, dass keine andere Entscheidung rechtsfehlerfrei wäre. Anhaltspunkte sind hierfür nicht ersichtlich. Gleichwohl konnte die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht unbeanstandet bleiben. Denn die Überprüfung des Senats umfasst auch, ob die Ablehnung der Maßnahme rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 167 Abs. 4 NJVollzG i.V.m. § 115 Abs. 5 StVollzG). Dies ist der Fall. Die Begründung der Antragsgegnerin für die abgelehnte Maßnahme erschöpft sich darin, dass eine medizinische Indikation beim Antragsteller nicht vorliege und er bei der Firma M. aus einem mit der Gefangeneninteressenvertretung abgestimmten Sortiment zusätzliche Lebensmittel beziehen könne. Erwägungen der Art, ob dem Antragsteller darüber hinaus der Bezug von Reformkost – etwa durch einen externen Händler – ermöglicht werden kann, sind nicht erkennbar gewesen. Erst in der Begründung der Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass dies zu organisatorischem und sicherheitsrelevantem Mehraufwand führen würde. Worin dieser Mehraufwand aber genau bestehen soll, ist der Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen und liegt auch nicht auf der Hand. Darüber hinaus lässt die Stellungnahme der Antragsgegnerin zum Antrag auf gerichtliche Entscheidung besorgen, dass sie der besonderen Stellung des Antragstellers nicht genügend Gewicht beigemessen hat. Der Antragsteller befindet sich nicht im Strafvollzug, sondern in Untersuchungshaft. Die besondere Stellung Untersuchungshaftgefangener (vgl. § 135 NJVollzG), der nach § 169 Abs. 2 NJVollzG gerade bei Ermessensentscheidungen besondere Bedeutung zukommt, ist in der abgelehnten Maßnahme offenbar ohne Berücksichtigung geblieben, wenn die Antragsgegnerin statt auf § 142 Abs. 3 NJVollzG nur auf § 24 NJVollzG ? der entsprechenden Vorschrift für Strafgefangene – abstellt.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert