Im Moment ist es am juristischen Nachrichtenmarkt ziemlich ruhig, nur die Sicherungsverwahrung ist weiter on Top, und zwar nicht nur mit der neuen Divergenzvorlage, um eine einheitliche Rechtsprechung der OLG zu erlangen, sondern auch mit den Plänen, die den materiellen Teil der SV betreffen. Da ist zu lesen, dass die Sicherungsverwahrung mit der Fußfessel kombiniert werden soll (vgl. hier und hier). Man fragt sich natürlich: Kann das funktionieren. M.E. ist das ein Ansatz, der – wenn überhaupt – nur über eine Verschärfung der Vorschriften über die Führungsaufsicht möglich ist, wenn man nicht (wieder) Ärger mit dem EGMR bekommen will (oder ggf. auch mit dem BVerfG).
Allerdings betritt man hier wohl rechtspolitisches Neuland. Bislang hat es die elektronische Fußfessel nur in Hessen als Modellprojekt gegeben (vgl. hier die Evaluation). Dort war sie aber vornehmlich wohl u.a. als Maßnahme bei Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls (§ 116 StPO) eingesetzt. In Baden-Württemberg beginnt jetzt im Oktober 2010 ein Test auf des Basis eines GPS-Systems (vgl. hier und hier). Hier soll es aber wohl um Freigänger und um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gehen. Die SV fällt also im Anwendungsbereich ein wenig aus dem Rahmen. Man darf gespannt sein, wie das Ministerium den Spagat löst (vgl. hier), jedenfalls scheint die sog. nachträgliche SV – aus der Sicht des Ministeriums – vor dem Aus zu stehen und eine „verstärkte vorbehaltene Sicherungsverwahrung“ scheint zu kommen.
Positives Abfallprodukt des Diskussion: Wenn die elektronische Fußfessel für die SV kommt, dann kommt sie auch in den anderen Fällen, in denen sie sicherlich durchaus sinnvoll ist.
Gestern sendete die ARD in der Sendung „Fakt“ einen Bericht über die Entlassung von Untergebrachten aus der Sicherungsverwahrung, der von erschütternder Ahnungslosigkeit zeugte. Einleitend erläuterte Moderator Thomas Kausch, sichtlich betroffen, wie es einem modernen Journalisten gut zu Gesicht steht, daß die Verurteilten aus „rein formaljuristischen Gründen“ entlassen würden. Sodann wurde der Eindruck vermittelt, die Europäische Menschenrechtskonvention und das entsprechende Urteil des EGMR beschäftigen sich nur mit einer überflüssigen Formalie namens „Rückwirkungsverbot“.
Unverständnis wurde darüber geäußert, daß die unter Rot-Grün beschlossene Verschärfung des Gesetzes nunmehr nicht mehr gelten soll, nicht berücksichtigend, daß die Verurteilten ohne diese rechtswidrige (!) Verschärfung schon vor Jahren entlassen worden wären und dies auch in hunderten anderen Fällen jährlich das Normalste der Welt ist, ohne daß es massenhaft zu Rückfällen kommt.
Sodann schob „Fakt“ den Schwarzen Peter dem mit dem vorgestellten Fall beschäftigten Oberlandesgericht zu. Dieses habe es „nicht für nötig befunden“, die Polizei und den Bürgermeister vorher über die beabsichtigte Freilassung zu informieren. Daß dies der Vollzugsbehörde und der Staatsanwaltschaft oblägen hätte, die sich seit Monaten auf diesen Fall hätten einstellen können, kam dem Reporter nicht in den Sinn. Oder hat man den Behörden zugebilligt, bis zur letzten Minute auf die Nichtfreilassung der Verurteilten vertraut zu haben, statt sich auf den „worst case“, nämlich eine Freilassung einzustellen?
Offenbar halten es die Staatsanwaltschaften „nicht für nötig“, sich auf diese Fälle vorzubereiten. Als ich kürzlich bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt unter Hinweis auf die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 und die daraufhin ergangenen Freilassungsentscheidungen des OLG Frankfurt für einen Mandanten gemäß § 458 StPO Einwendungen gegen die Zulässigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung erhobt, antwortete mir die StA einige Wochen später, ich möge ihr die Entscheidungen doch einmal zufaxen. Von dieser „neuen“ Entwicklung hatte man nämlich bei der Staatsanwaltschaft noch nichts gehört und wurde von diesem Ansinnen offenbar völlig überrascht.
Fußfesseln anstelle der SV? Rein technisch betrachtet sicherlich ein nettes Spielzeug. Bei Einsatz von GPS könnten Areale definiert werden, so dass bei Annäherung an diese die Fußfessel ein Signal sendet oder akustischen Alarm gibt. Doch wie ist es mit einzelnen Personen die sich außerhalb der definierten Bereiche befinden? Sollen diese dann einen Sender tragen der die Fußfessel zum „Hupen“ bringt?
@ Michael
Bei der STA sind auch nur Beamte. Die sind nicht so schnell und die Journalie der Zwangsversorgungsmedien achten mittlerweile auch mehr auf Quote als auf Qualität. Hier galt wohl nicht Nomen est Omen.