Archiv für den Tag: 13. Juli 2010

Und täglich grüßt das Murmeltier, oder Neues aus dem Osten? VerfGThüringen zum BVV bei Verletzung des Richtervorbehalts (§ 81a Abs. 2 StPO)

Der Kollege Melchior hat mich gestern dankenswerter Weise auf den Beschl. des VerfGH Thüringen v. 25.03.2010 – verfGH 49/09 und VerfGH 50/09 hingewiesen.

Auch Backe, das sind rund 30 Seiten (warum muss ein Verfassungsgericht eigentlich immer so viel schreiben?), die ich bislang nur habe überfliegen können. Auf den ersten Blick bringt der Beschluss nichts wesentlich Neues, aber auf zwei Dinge will ich nach einem ersten Lesen doch hinweisen:

  1. Der VerfGH betont ausdrücklich, dass § 81a StPO auch für die Anordnung einer Blutentnahme zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt gilt. Davon sind bisher zwar alle Gerichte ausgegangen – sonst hätten wir die Diskussion ja nicht, aber keins hat es so ausdrücklich erwähnt (ist mir jedenfalls nicht aufgefallen, kann man aber bei der Vielzahl der Entscheidungen auch überlesen haben).
  2. Zur in der Praxis vornehmlich interessierenden Frage :“Beweisverwertungsverbot?“ hält sich die Entscheidung, die sich auch mit der Frage der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auseinandersetzt, auf dem Level der dazu vorliegenden Rechtsprechung: Abwägung und Verstoß gegen Willkürverbot? (so ganz gut kommen AG und LG aber nicht weg).

Aber halt Stopp!! Von Bedeutung ist m.E. dass von den entscheidenden neun Richtern drei abweichender Auffassung waren und das auch ausgeführt haben. Sie sehen die Frage des Beweisverwertungsverbotes teilweise anders. Insofern also: Ein wenig Neues aus dem Osten.

Man wird die Entscheidung dann mal in Ruhe lesen müssen, um zu sehen, was sie sonst ggf. noch Neues bringt.

Gewogen und zu leicht befunden: „Winterreifenpflicht“ verfassungswidrig (!!) und damit endgültig begraben

Vor vier Jahren hat der Verordnungsgeber in § 2 Abs. 3 a Satz 1 StVO eine sog. „Winterreifenpflicht“ eingeführt. Schon danmals war man sich darüber einig, dass es mit diesem Gebot nicht weit her ist (vgl. dazu u.a. VRR 2006, 168) . Denn was ist ein „Winterreifen“? Die StVO definiert das nicht. Zu der Zeit gab es dann auch den schönen Spruch des damaligen Bundesverkehrsministers (wer wer das eigentlich noch?), dass auch ein guter Sommerreifen ein Winterreifen sein kann, was nicht unbedingt zur Klarheit beigetragen hat.

Die neue Vorschrift des § 2 Abs. 3a S. 1 StVO hat aber in der Praxis nicht die Bedeutung erlangt, die man zunächst vermutet hatte. Entscheidungen, die sich mit ihr beschäftigt haben, sind nicht bekannt geworden. Jetzt ist die Vorschrift im offenbar ersten Anlauf auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand gescheitert.

Das OLG Oldenburg hat in seinem Beschl. v. 09.07.2010 – 2 SsRs 220/09 – die Vorschrift als zu unbestimmt und damit als verfassungswidrig angesehen. Die Formulierung in der StVO sei zu ungenau. Wenn man ein Bußgeld für das Faharen mit Sommerreifen im Winter wolle, müsse man klar vorschreiben, welche Reifen bei welchem Wetter zu verwenden seien.Das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und den Betroffenen nur wegen überhöhter Geschwindigkeit bei Glatteis verurteilt. Die „Winterreifenpflicht“ ist damit endgülitg begraben.