Schlagwort-Archive: Kostengrundentscheidung

Wenn die Kostengrundentscheidung für Auslagen fehlt, oder: Umdeutung des Kostenfestsetzungsantrages?

Und als zweite, na ja, dritte, Entscheidung des Tages kommt hier der OLG Hamm, Beschl. v. 14.11.2023 – 3 Ws 376/23 – zur Umdeutung eines Kostenfestsetzungsantrages, eine Problematik, die die Gerichte immer mal wieder beschäftigt. Denn die Umdeutung eines Kostenfestsetzungsantrages in eine sofortige Beschwerde gegen eine Kostengrundentscheidung ist häufig die einzige Möglichkeit ggf. vielleicht doch noch nachträglich die „Nachholung“ einer „vergessenenW Auslagenentscheidung zu erreichen.

So auch hier. Der Angeklagte war vom AG vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung freigesprochen worden. Dagegen hatte der Nebenkläger Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung zurück genommen hat. Darauf hat das LG eine Entscheidung getroffen, die im Sitzungsprotokoll wie folgt wiedergegeben ist: „Der Nebenkläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, nachdem er die Berufung zurückgenommen hat.“ Anschließend ist im Protokoll vermerkt: „Es wurde auf Rechtsmittelbelehrung und Rechtsmittel gegen diesen Beschluss verzichtet. Vorgelesen und genehmigt.

Mit seiner Beschwerde wendet sich nun der Angeklagte, der vergblich versucht hat, seine Auslagen festsetzen zu lassen, gegen die protokollierte Entscheidung. Das OLG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen:

„Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

1. Statthaftes Rechtsmittel gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung ist gem. § 464 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde. Diese hat der Angeklagte entgegen § 311 Abs. 2 StPO nicht innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe eingelegt. Die Frist begann gem. § 35 mit Verkündung in der Berufungshauptverhandlung am 9. Juni 2022, in der der Angeklagte und sein Verteidiger anwesend waren. Mithin lief die Frist am 16. Juni 2022 ab. Der Angeklagte hat jedoch erst mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 7. April 2023, also nach Fristablauf, gegenüber dem Landgericht erklärt, höchst vorsorglich und hilfsweise sofortige Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung zu erheben.

2. Zwar hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Juni 2022 innerhalb der Beschwerdefrist gegenüber dem Amtsgericht Kostenfestsetzung beantragt. Solche innerhalb der Beschwerdefrist gestellten Kostenfestsetzungsanträge werden von der Rechtsprechung gelegentlich als sofortige Beschwerden gegen die Kostengrundentscheidung ausgelegt (vgl. die Nachweise bei Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Auflage 2023, § 464, Rn. 12).

Im vorliegenden Fall scheidet eine solche Umdeutung indes mangels hinreichend erkennbaren Willens des Verurteilten, gegen die Kostengrundentscheidung vorzugehen, aus (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 26. Februar 2004 – 5 Ws 696/03 -, juris). Denn er hat seinen Kostenfestsetzungsantrag durchgehend darauf stützen lassen, am Schluss der Hauptverhandlung sei eine – der gesetzlichen Regelung in § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO entsprechende – Auslagenentscheidung zu seinen Gunsten getroffen worden. Für eine Abänderung der Kostenentscheidung durch das Rechtsmittelgericht ist demnach kein Raum.

So hat er seinen Kostenfestsetzungsantrag mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Juli 2022 u. a. damit begründet, „… dass es eine solche Entscheidung [über die notwendigen Auslagen des Angeklagten betreffend die zweite Instanz] gibt. Am Ende der Berufungshauptverhandlung hat die Berufungskammer die notwendigen Auslagen des Angeklagten für das Berufungsverfahren dem Nebenkläger auferlegt…“. Mit weiterem Schriftsatz vom 7. April 2023 hat er Protokollberichtigung beantragt und auch in diesem Antrag ausgeführt: „… Im Anschluss beschloss die Frau Vorsitzende, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dem Nebenkläger auferlegt werden. Genau aus diesem Grunde habe ich unmittelbar im Nachgang zum HVT mit Schriftsatz vom 13.06.2022 … beantragt, die notwendigen Auslagen des Angeklagten betreffend die zweite Instanz gegen den Nebenkläger festzusetzen. … All dieser Schriftverkehr … unmittelbar im Nachgang zum Hauptverhandlungstermin wäre völlig sinnlos gewesen, wenn es eine solche Entscheidung tatsächlich (mündlich) nicht gegeben hätte…“ Daran hat er selbst in seiner Gegenerklärung zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 2. November 2023 festgehalten: „Aus § 473 Abs. 1. S. 3 StPO ergibt sich die zwingende gesetzliche Folge, dass, wenn allein der Nebenläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt hat, ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten (Angeklagten) aufzuerlegen sind. Genau diese Entscheidung wurde – anders als im Protokoll niedergeschrieben – getroffen. Es wäre mehr als sinnfrei, wenn der Angeklagte bei einer solchen Konstellation und einer solchen (vermeintlichen) Kostenentscheidung auf Rechtsmittel verzichten würde. Damit wäre auch keinesfalls in Einklang zu bringen, dass am 13.06.2022 für den am 09.06.2022 stattgefundenen HVT von Seiten der Verteidigung ausdrücklich beantragt wurde, die ‚Gebühren und Auslagen der zweiten Instanz gegen den Nebenkläger festzusetzen‘“. Beanstandet wird damit nicht die Unrichtigkeit der Kostengrundentscheidung, sondern ihre Wiedergabe im Protokoll und die darauf beruhende, aus Sicht des Angeklagten falsche Behandlung des Kostenfestsetzungsantrags.

3. Auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Wochenfrist zur Erhebung der sofortigen Beschwerde gem. §§ 44, 45 StPO scheidet aus. Denn der Angeklagte hat entgegen § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht dargetan, ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen zu sein.

Zwar ist die Versäumung der Frist gem. § 44 Satz 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn eine Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Verteidigung auf die Rechtsmittelbelehrung verzichtet hat (Schmitt, a. a. O., § 44, Rn. 22). Daran bestehen hier keine Zweifel. Der Verzicht ist nicht nur in das Protokoll über die Berufungshauptverhandlung aufgenommen, vorgelesen und genehmigt worden, so dass er an der förmlichen Beweiskraft des Protokolls gem. §§ 274, 273 Abs. 3 Satz 1 StPO teilnimmt. Er wird darüber hinaus von der Verteidigung – wie erörtert – ausdrücklich auch als Beleg dafür herangezogen, dass am Schluss der Hauptverhandlung eine Auslagenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten getroffen worden ist.“

Tja, das war es dann. Voraussetzung für eine Umdeutung ist eben ein hinreichend erkennbarer Willen des Verurteilten gegen die Kostengrundentscheidung vorzugehen (neben KG, Beschl. v. 26.02.2004 – 5 Ws 696/03 u.a. auch KG, Beschl. v. 14.08.2007 – 1 AR 1086/071 Ws 107/07; OLG Rostock, Beschl. v. 11.04.2008 – 5 W 63/08). Das wird aber insbesondere dann verneint, wenn der Antragsteller zu erkennen gibt, dass er erst im Kostenfestsetzungverfahren auf das Fehlen einer Kostengrundentscheidung hingewiesen wurde und ihm dies zunächst nicht aufgefallen ist. Dabei macht es natürlich einen Unterschied, ob es sich um eine rechtskundige Person, wie z.B. hier ein Rechtsanwalt, handelt.

Und: Vorsicht ist geboten, wenn in der Hauptverhandlung auf Rechtsmittel verzichtet wird. Denn ein Rechtsmittelverzicht ist endgültig. Wiedereinsetzung ist, wenn der Verzicht dann ins Protokoll aufgenommen worden ist, nicht mehr möglich.

Gebühren des Pflichtverteidigers = Verfahrenskosten, oder: Es röhrt der Elefant, er gebiert eine Maus

Bild von Alexa auf Pixabay

Und im zweiten Posting dann etwas zu den Verfahrenskosten, die der Angeklagte im Fall seiner Verurteilung zu tragen hat.

Dem LG Halle, Beschl. v. 10.08.2023 – 16 KLs 540 Js 17049/21 (16/21) – lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Anklageschrift der Staatanwaltschaft wurden dem Angeklagten drei Straftaten zur Last gelegt, nämlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Tat 1.), unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG (Tat 2.) und unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG (Tat 3.).

Mit Beschluss der Strafkammer wurde das Verfahren bezüglich der Tat 3. der Anklageschrift mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten gemäß § 153 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 StPO eingestellt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Erinnerungsführers der Staatskasse auferlegt, § 467 Abs. 1 StPO. Am 14.12.2022 wurde der Angeklagte durch die große Strafkammer wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Tat 2.) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. Im Übrigen (wegen der Tat 1.) wurde das Verfahren gemäß §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO eingestellt, da dem Verfahren ein Verfahrenshindernis wegen rechtsstaatswidriger Tatprovokation entgegenstand. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt. Das Urteil vom 14.12.2022 ist seit dem 22.12.2022 rechtskräftig.

Mit Kostenrechnung vom 18.04.2023 stellte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Kosten des Verfahrens in Höhe von insgesamt 7.981,42 EUR in Rechnung. Hierunter fielen ausweislich der lfd. Nr. 5 dieser Kostenrechnung auch „an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge“ in Höhe von 6.985,02 EUR gemäß Nr. 9007 KV GKG zu § 3 Abs. 2 GKG.

Dagegen die Erinnerung des Angeklagten, die Erfolg hatte:

„Die Erinnerung, die sich nach ihrer insoweit auszulegenden Begründung ausschließlich gegen den Ansatz der Pflichtverteidigerkosten in Höhe von 6.985,02 Euro richtet, ist gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Staatsanwaltschaft Halle hat zu Unrecht die Pflichtverteidigerkosten in Höhe von 6.985,02 Euro in Ansatz gebracht.

Der Erinnerungsführer hat aufgrund der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung aus dem Urteil der Kammer vom 14.12.2022 die Kosten des Verfahrens nur insoweit zu tragen, soweit er verurteilt wurde, also für die Verurteilung wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln. Konkret wurde er wegen des Erwerbs von 4 g Methamphetamin zum Preis von 200,00 Euro, die für seinen Eigenkonsum bestimmt waren, verurteilt.

Die Ermittlung der im Zusammenhang mit dieser Verurteilung entstandenen Kosten hat nach der sog. Differenzmethode zu erfolgen. Nach dieser muss der Kostenbeamte auf ein fiktives Verfahren nur wegen der rechtskräftig verurteilten Taten abstellen und bei jeder Auslagenposition prüfen, ob diese auch in diesem fiktiven Verfahren angefallen wäre (exemplarisch: Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl., § 465 Rn. 7). Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Verteidigervergütung ist mithin zu prüfen, welcher Honoraranspruch dem Verteidiger gegen den Erinnerungsführer tatsächlich zusteht und wie hoch sich dieser Anspruch belaufen würde, wenn nur die von der Verurteilung umfasste Tat Gegenstand des Verfahrens und der Verteidigerbemühungen gewesen wäre. Dies zugrunde gelegt, ist vorliegend davon auszugehen, dass der Erinnerungsführer bei einer Anklage nur der Tat, wegen der er letztlich verurteilt worden ist (Tat 2.), gar keinen Verteidiger in Anspruch genommen hätte, jedenfalls keinen hätte in Anspruch nehmen müssen. Beim Erwerb von 4 g Methamphetamin zum Eigenkonsum handelt es sich angesichts der geringen Menge des Betäubungsmittels um eine minder schwere Form der Kriminalität, deren Einordnung als Bagatelldelikt jedenfalls nicht fernliegt. Wegen dieser Tat hätte die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Amtsgericht erhoben, gegebenenfalls hätte sie sogar nur den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Letztlich hat allein die Tat 14, die als Verbrechen zu qualifizieren ist und deretwegen der Erinnerungsführer in Untersuchungshaft war und Anklage vor dem Landgericht erhoben wurde, die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich gemacht. Im Hinblick auf diese Tat wurde das Verfahren jedoch mit Urteil der Kammer vom 14.12.2022 eingestellt. Die Verteidigung des Erinnerungsführers durch dessen Pflichtverteidiger war von Anfang an auf die Tat 1. fokussiert; die Tätigkeit des Verteidigers hinsichtlich der Tat 2., hinsichtlich der der Erinnerungsführer verurteilt wurde, war hingegen von völlig untergeordneter Bedeutung. Insoweit wäre es unbillig, den Erinnerungsführer auch nur mit einem geringen Teil der Pflichtverteidigerkosten, der seiner Verurteilung entspricht, zu belasten.“

M.E. richtig. Zu der Entscheidung passt der Satz: Es röhrt der Elefant, er gebiert eine Maus.

Nachgeholte Kostengrundentscheidung, oder: Geht das eigentlich?

© artefacti – Fotolia.com

Die zweite Entscheidung des Tages, der LG Dortmund, Beschl. v. 29.11.2019 – 53 Qs 56/19 – behandelt eines Problematik, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt, nämlich die Frage nach der Möglichkeit der Nachholung einer Kostengrundentscheidung. Ja, ggf. geht das, und zwar:.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen im Bußgeldverfahren frei gesprochen. Dagegen legte die  Staatsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein, die sie auch begründete. Mit Schriftsatz vom 13.12.2018 nahm der Verteidiger des Betroffenen Stellung zum Rechtsmittel. Nach Prüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft Hamm nahm die Staatsanwaltschaft die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts zurück. Eine Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund über die Kostentragung im Rechtsbeschwerdeverfahren erging nach Rücknahme der Rechtsbeschwerde nicht.

Der Verteidiger hat dann Kostenfestsetzung beantragt. Die Rechtspflegerin teilte ihm mit, dass seinem Kostenfestsetzungsantrag nicht entsprochen werden könne, da keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsbeschwerdeverfahren vorliege. darum entbrennt Streit. Das Amtsgericht  hat den Kostenfestsetzungsantrag des Verteidigers schließlich zurückgewiesen. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 19.08.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 25.07.2019 ist nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 464b, 304 ff., 311 StPO, 103 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO, 1 1 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Bei Zurücknahme eines Rechtsmittels (§ 302 StPO) kommt es regelmäßig zu einer isolierten Kostenentscheidung. Darin werden demjenigen die Kosten des zurückgenommenen Rechtsmittels auferlegt, der es eingelegt hat (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO). Hat die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zu Ungunsten des Betroffenen eingelegt, muss die Staatskasse außerdem neben den Kosten des Verfahrens nach § 473 Abs. 2 S. 1 StPO auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Rechtsmittelverfahren tragen.

Dabei ist eine ausdrückliche Kostenentscheidung entgegen der Ansicht des Verteidigers allerdings auch dann notwendig, wenn sich die Kostenfolge unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz ergibt. Erst der gerichtliche Ausspruch bildet als Kostentitel die Grundlage der Kostenfestsetzung (vgl. § 464b S. 3 StPO i. V. m. § 103 ZPO; vgl. Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/ Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 464, Rn. 7).

Zuständig für die Kostenentscheidung ist jeweils das Gericht, bei dem die Sache anhängig ist (BGH NJW 1959, 348; Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/Temming/ Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 473, Rn. 5). Das Amtsgericht Dortmund hätte somit nach der Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft eine entsprechende Kostengrundentscheidung treffen müssen.

Dass dies unterblieben ist, kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen. Eine Kostengrundentscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen an den Betroffenen aus der Staatskasse kann — und muss — vom Amtsgericht Dortmund im vorliegenden Fall vielmehr nachträglich getroffen werden.

Da die Kostenentscheidung eine notwendige Nebenentscheidung der das Verfahren abschließenden Hauptentscheidung ist, kann eine in der Hauptentscheidung unterbliebene Kostenentscheidung zwar nach Rechtskraft der Hauptentscheidung nicht nachgeholt werden (BGH NStZ-RR 1996, 35). Vorliegend ist aber hinsichtlich des Rechtsbeschwerdeverfahrens gerade keine Hauptentscheidung ergangen; dieses endete allein durch die Rücknahme der Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft. Eine Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens steht noch aus; diese kann auch noch nachgeholt werden.“

 

Kostengrundentscheidung prüfen/angreifen, oder: Der frühe Vogel fängt den Wurm

© frogarts -Fotolia.com

© frogarts -Fotolia.com

Nach dem (gebührenrechtlichen) Aufmacher zum (schönen) LG Dortmund, Beschl. v. 25.11.2015 – 31 Qs 83/15 (vgl. dazu Nachahmenswert: Rücknahme der StA-Berufung – Verfahrensgebühr für den Verteidiger) mache ich dann mit dem LG Köln, Beschl. v. 27.11.2015 – 117 Qs 3/15 – weiter. Auch gestern rein gekommen, aber: Den Beschluss bringe ich nicht, weil er so „schön“ ist, sondern weil er m.E. als Warnung/Hinweis dienen kann für den Verteidiger, sich im Fall des Freispruchs des Mandanten auf jeden Fall die Kostengrundentscheidung anzusehen. Und sie muss man auf jeden Fall daraufhin überprüfen, ob sie auch eine Regelung hinsichtlich der „notwendigen Auslagen des Angeklagten“ enthält. Ist das nicht der Fall und ist die Frage geregelt, wer die Verfahrenskosten trägt, wird es später schwer, den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten durchzusetzen. Da hilft es dann auch nicht, wenn der Vorsitzende des Gerichts mitteilt: „Die Auslagen sollten der Staatskasse auferlegt werden.“ oder: „Ja, trägt die Staatskasse als Verfahrenskosten; Entscheidung entsprechend auszulegen.“ Die Vertreter der Staatskassen = Bezirksrevisoren sind da nämlich im Zweifel hartnäckig und greifen auf der „Auslegung“ ergehende Kostenentscheidungen an.

Und dann wird im Zweifel entschieden wie im LG Köln, Beschl. v. 27.11.2015 – 117 Qs 3/15: Man geht davon aus, dass die Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse nicht auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten umfasst (?):

„b) Die vom Amtsgericht – damit rechtskräftig und unabänderlich – getroffene Kostengrundentscheidung umfasst lediglich die Verfahrenskosten, nicht aber auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Denn grundsätzlich gilt, dass beim Fehlen einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung die notwendigen Auslagen jeweils bei demjenigen verbleiben, dem sie entstanden sind (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, 2015, 464 Rz. 12 mwN).

Werden der Staatskasse – wie vorliegend – nur die Verfahrenskosten auferlegt, so darf dies selbst dann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass davon auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten umfasst sind, wenn es sich zweifelsfrei um einen Fall des § 467 Abs. 1 StPO handelt (Beschluss des OLG Köln vom 14.01.2013, 2 Ws 308/11; KG, NStZ-RR 2004, 190; LG Koblenz, NSt-RR 2003, 191; Meyer-Goßner, aaO, § 464 Rz. 12 und § 467, Rz 20 mwN; a.A. OLG Naumburg, NStZ-RR 2001, 189, allerdings für den hier nicht gegebenen Fall, dass in den Gründen ausdrücklich § 467 Abs. 1 StPO benannt wird; inzwischen überholt: OLG Köln, JurBüro 1985, 1206). Denn dass von dem Begriff „Verfahrenskosten“ die notwendigen Auslagen nicht umfasst sein können, ergibt sich bereits daraus, dass § 464 Abs. 1 und Abs. 2 StPO eindeutig zwischen Verfahrenskosten einerseits und notwendigen Auslagen andererseits unterscheidet (KG, NStZ-RR 2004, 190). Auf der gleichen Linie liegt, dass § 464a Abs. 1 StPO die Kosten des Verfahrens nur als Gebühren und Auslagen der Staatskasse definiert (LG Koblenz, NStZ-RR 2003, 191).“

Und das war es dann, denn im Zweifel ist die Kostengrundentscheidung dann auch nicht mehr anfechtbar. Deshalb: Früh prüfen und ggf. dann – ausdrücklich – sofortige Beschwerde einlegen. Der frühe Vogel fängt den Wurm 🙂

Kann der Nebenkläger eine falsche Kostengrundentscheidung anfechten?

© fotomek -Fotolia.com

© fotomek -Fotolia.com

Ohne Kostengrundentscheidung klappt das nicht mit der Kostenerstattung. Daher ist bei „Kostenerstattungsfragen“ immer meine erste „Rückfrage“: Haben Sie denn eine Kostengrundentscheidung zu Ihren Gunsten? Und häufig stellt sich dann heraus, dass das (leider) nicht der Fall ist. Manchmal kann man dann noch etwas retten und die Kostengrundentscheidung, in der z.B. ein Verfahrensbeteiligter „übersehen“ worden ist, nach § 464 Abs. 3 StPO anfechten. Häufig läuft die Beschwerdefrist ja nicht bzw. es ist Wiedereinsetzung zu gewähren, weil über die Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung nicht belehrt worden ist.

Ein wenig schwieriger wird es, wenn es sich um den Nebenkläger handelt. Dann ergibt sich nämlich die Frage: Steht der Anfechtung durch den Nebenkläger nicht ggf. § 464 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz StPO entgegen? Mit der Frage hatte sich vor kurzem das OLG Hamburg zu befassen.Das AG hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten auferlegt. Die hiergegen vom Angeklagten unbeschränkt geführte Berufung hat dieser dann vor Beginn der Berufungshauptverhandlung zurückgenommen. Durch Beschluss des LG hat dieses dem Angeklagten die in der Berufungsinstanz entstandenen Verfahrenskosten und die ihm entstandenen notwendigen Auslagen nach Rücknahme der Berufung auferlegt, den Nebenkläger und seine Kosten/Auslagen aber übersehen. Dagegen richtete sich das Rechtsmittel des Nebenklägers. Mit Erfolg, denn dazu heißt es im OLG Hamburg, Beschl. v. 09.06.2015 – 1 Ws 69/15:

„c) Der Zulässigkeit steht auch nicht § 464 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 StPO entgegen. Nach dieser Bestimmung ist die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen unzulässig, wenn eine Anfechtung der § 464 Abs. 1 StPO genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Hierzu müsste die Beschwerde schon nach der Art der Entscheidung schlechthin unzulässig oder der Rechtsmittelführer grundsätzlich nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt sein (vgl. nur KK/Gieg, 7. Aufl., § 464 Rn. 8 m.w.N.). So lag es hier aber nicht. Das Urteil der Berufungskammer über die unbeschränkt eingelegte Berufung des Angeklagten wäre für den Nebenkläger grundsätzlich mit der Re-vision anfechtbar gewesen (§ 401 StPO). Etwas anderes kann für die Anfechtbarkeit der Hauptentscheidung und die damit einhergehende Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auch dann nicht gelten, wenn das Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zurückgenommen worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12. Juli 2001 — 2 Ws 141/2001, BeckRS 2001, 30193309; KG, Beschl. v. 26. Mai 2000 — 3 Ws 112/00, BeckRS 2000, 05184).“

Antwort auf die Frage in der Überschrift also: Ja, er kann 🙂 .