Einen Abschleppfall der besonderen Art hat das AG Charlottenburg im AG Charlottenburg, Urt. v. 16.11.2016 – 227 C 76/16 – entschieden. Gestritten wurde um die Rückzahlung von 150 EUR, die der Kläger an ein Abschleppunternehmen hatte zahlen müssen, um sein Elektrofahrzeug wieder zu bekommen. Das hatte er gegen 15:00 Uhr in einem Straßenabschnitt in Berlin, der zur Privatstraße umgewidmet worden und entsprechend als solche ausgeschildert war, abgestellt. In dem Straßenabschnitt hatte die Eigentümerin ein Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ anbringen lassen; darunter war ein weiteres Schild mit dem Zusatz „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs frei“ befestigt. Dort befanden sich zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Eine der beiden Ladestationen war bereits durch ein Fahrzeug belegt, das sich im Aufladevorgang befand; bei der zweiten – freien – Ladestation war das Kabel nicht für das von dem Kläger genutzte Fahrzeug des Typs BMW i3 geeignet. Der Kläger stellte dennoch sein Fahrzeug auf den entsprechend markierten Stellplatz. Als er gegen 18:30 Uhr zurückkehrte, war sein Fahrzeug abgeschleppt worden war. Er erhielt es vom Abschleppunternehmen nur gegen Zahlung von 150,00 € zurück. Das AG hat seine Rückzahlungsklage abgewiesen:
„Der Anspruch der Zedentin ergibt sich hier aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 858 Abs. 1 BGB.
Hiernach kann Schadensersatz verlangen, wer durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitzrecht gestört wird.
Das Abstellen eines Fahrzeuges im Bereich eine Privatstraße stellt grundsätzlich eine Beeinträchtigung im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar (BGH, Urteil vom 05. Juni 2009 – V ZR 144/08 -, BGHZ 181, 233-242; BGH, Urteil vom 02. Dezember 2011 – V ZR 30/11 -, Rn. 6, juris).
Ein Schadensersatzanspruch scheidet jedoch aus, wenn die Besitzstörung nicht rechtswidrig war. Hierzu ist erforderlich, dass die Beeinträchtigung gegen den Willen des Berechtigten – hier der Zedentin – erfolgte.
Dies ist hier der Fall. Durch die Kennzeichnung der Privatstraße mit den als Anlage K3 vorgelegten Schildern brachte die Zedentin eine antizipierte, aber inhaltlich beschränkte Einwilligung in eine Inanspruchnahme des Besitzes dahingehend zum Ausdruck, dass Elektrofahrzeuge während des Ladevorganges auf dem Gelände innerhalb der gekennzeichneten Flächen geduldet werden.
Die mit der Beschilderung zum Ausdruck gebrachte partielle Einwilligung in die Besitzbeeinträchtigung lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht dahingehend auslegen, dass jegliche Elektrofahrzeuge, oder Elektrofahrzeuge, für die momentan keine freie Ladedosen verfügbar sind, auf unbegrenzte Zeit auf den speziell für den Ladevorgang gekennzeichneten Flächen stehen dürfen.
Die Auslegung führt im hiesigen Fall vielmehr dazu, dass ein Fahrzeug nur dann nicht rechtswidrig und gegen den Willen der Zedentin abgestellt wird, wenn durch Verbindung mit der Ladestation entweder der Akkustand geladen oder gehalten wird. Für die Auslegung spricht zunächst der eindeutige Wortlaut, welcher den Ladevorgang als Einwilligungsvoraussetzung beinhaltet. Wenn es auf dem Schild heißt: „während des Ladevorgangs“, so bedeutet dies grundsätzlich, dass ein Elektrofahrzeug tatsächlich Strom beziehen muss, oder durch den Anschluss an der Ladesäule den gegenwärtigen Akkustand jedenfalls hält.
Ob die Einwilligung auch für den Fall gilt, dass ein Elektrofahrzeug geladen wurde und nach dem Ladevorgang noch mit der Ladesäule verbunden ist, muss hier nicht entschieden werden, da der Kläger den Ladevorgang zu keinem Zeitpunkt begann.
Für eine erweiternde Auslegung der antizipierten Einwilligung besteht insofern schon nach dem Wortlaut kein Raum.
Auch Sinn und Zweck der Einwilligung widersprechen hier der Auslegung, auf die sich der Kläger berufen möchte. Denn es ist erkennbar nicht das Ziel der Regelung, kostenlosen Parkraum für Elektrofahrzeuge an sich anzubieten, sondern nur für den Zweck des Ladevorgangs.
Das Ziel der Regelung würde untergraben werden, wenn jedes Elektroauto, für welches keine Ladebuchse vorhanden ist, den Parkraum dauerhaft nutzen könnte und somit aufladebedürftige Fahrzeuge an der Inanspruchnahme der Ladesäule gehindert werden. Dies leuchtet insbesondere ein, da Elektrofahrzeuge für den Ladevorgang besonders viel Zeit benötigen und damit ein besonderes Bedürfnis besteht, Plätze für eben diese zeitintensive Ladetätigkeit zur Verfügung zu stellen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger – was unbestritten blieb – jedenfalls ursprünglich vorhatte, das Fahrzeug zu laden, es aber mangels freier Ladebuchse für einen i3 nicht laden konnte und dann führ mehrere Stunden an der Ladesäule stehen ließ. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes ergibt sich hier kein anderes Ergebnis. Sonst würde der für die Ladung von Elektrofahrzeugen bestimmte Parkraum von jeglichen Elektrofahrzeugen, die keinen passenden Anschluss für die dort befindliche Ladesäule haben, dauerhaft in Anspruch genommen werden können und ladewillige Halter von aufladebedürftigen Elektrofahrzeugen hätten das Nachsehen.
Die Elektroladesäule und der davor befindliche Parkraum ist insofern mit einer Zapfsäule für Verbrennungsfahrzeuge auf einem Tankstellengelände zu vergleichen. Es leuchtet ein, dass derjenige, der auf einem Tankstellengelände nicht den für ihn richtigen Kraftstoff oder eine freie Zapfsäule finden kann, sein Fahrzeug nicht für mehrere Stunden auf dem Gelände des Tankstellenpächters in Erwartung des Freiwerdens einer Zapfsäule stehen lassen kann. Selbst ohne Beschilderung des Tankstellengeländes muss jedem klar sein, dass der Verbleib von Fahrzeugen auf dem Privatgelände nur für die Inanspruchnahme der dort angebotenen Leistungen, vor allem den Betankungsvorgang und dessen Abwicklung geduldet wird.
Nichts anderes kann auch für privat zur Verfügung gestellte Elektroladesäulen angenommen werden.“
M.E. auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung zutreffend gelöst.
> M.E. auf der Grundlage der BGH-Rechtsprechung zutreffend gelöst.
Sehe ich auch so. Was mich allerdings stört ist der Passus, dass der Abschleppunternehmer nur gegen Zahlung den Wagen herausgab – ist das so rechtlich ok? Ich dachte immer, für Ansprüche (also im Zweifel die 150 vom Fahrzeughalter einklagen) muß man sich ans Gericht wenden und kann sie nicht einfach privat erzwingen?
Wie sieht es mit einem Zurückbehaltungsrecht aus?
Ohne, dass man es vorher dem Abschleppdienst in Obhut gegeben hat?
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