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Strafrecht meets Familienrecht – wo?

Ja, eine der Schnittstellen von Straf- und Familienrecht sind die mit einer Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB zusammenhängenden Fragen, vor allem, wenn es um die sog. Leistungsfähigkeit, aber auch um das Bestehen der gesetzlichen Unterhaltspflicht geht. Das kann für den Amtsrichter recht mühsam werden, wenn er da die Einzelheiten aufdröseln muss.

In dem Zusammenhang passt dann der Beschl. des OLG Celle v. 19.04.2011 -32 Ss 37/11, der mir mit folgenden Leitsätzen übersandt worden ist:

  1. Bei der Anwendung von § 170 StGB haben die Strafgerichte das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Angeklagten sowie deren Höhe eigenständig zu prüfen und zu beurteilen.
  2. Die Strafgerichte genügen aber der vorgenannten Pflicht im Regelfall dadurch, dass sie die in einem familiengerichtlichen Erkenntnis über Bestehen und Höhe eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs festgestellten Tatsachen und Berechnungen nach selbständiger Überprüfung verwenden. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Änderung der relevanten Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des zivilgerichtlichen Erkenntnisses bestehen.
  3. Die im vorstehenden Leitsatz genannten Erleichterungen an die strafgerichtlichen Feststellungen kommen bei Fehlen eines familiengerichtlichen Entscheidung oder einer im Vergleichswege erzielten Einigung über den zu leistenden Unterhaltsbetrag nicht zur Anwendung.

Unterhaltspflichtverletzung – keine Ausforschungsanordnung für Sozialdaten

In Verfahren wegen einer Unterhaltspflichtverletzung werden Anträge der StA, die gem. § 73 SGB X darauf gerichtet sind, dass die AOK und Agentur für Arbeit/ARGE Auskünfte über Sozialdaten des Beschuldigten zu erteilen hat, von den AG häufig nur durchgewunken.

Das LG Aurich, Beschl. v. 18.03.2011 – 12 Qs 17/11 nimmt dazu jetzt Stellung und betont, dass in dem Bereich wegen der Eingriffsqualität der Anordnung anders als sonst keine bindende Einschätzungsprärogative der Staatsanwaltschaft besteht.  Vielmehr habe der Ermittlungsrichter das Vorliegen eines Anfangsverdacht eigenständig zu prüfen. Hierfür sei das Vorliegen konkreter Tatsachen erforderlich, die es als möglich erscheinen liessen, dass ein verfolgbare Straftat vorliege, bloße Vermutungen genügen hierfür nicht (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl. 2010, Rn. 191). Der Amtsrichter muss sich auch mit der ungeschriebenen Voraussetzung der strafbaren Unterhaltspflichtverletzung, d.h. die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, im Rahmen des § 170 StGB auseinandersetzen und diese aufgrund der bereits vorliegenden Umstände begründen. Eine Ausforschungsanordnung gibt es also nicht.