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Revisionen der Staatsanwaltschaft – auch die werden verworfen

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Vor einiger Zeit ist die Diskussion über die „Revisionsverwerfungspraxis“ des BGH geführt und beklagt worden, dass beim BGH (fast) nur Angeklagtenrevisionen verworfen werden. Dass das so nicht stimmt, zeigt der BGH, Beschl. v. 01.08.2012 – 5 StR 176/12, in dem der BGH auch eine Revision der Staatsanwaltschaft verworfen hat. Und mit ebenso harschen Worten, wie er sich bei Angeklagtenrevisionen anwendet, nämlich:

„2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind unbegründet.

a) Das Landgericht hat die Voraussetzungen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) rechtsfehlerfrei verneint. Es hat – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist – Tatsachen nicht feststellen können, die eine Bandenabrede der Angeklagten mit weiteren beteiligten Personen hinreichend belegen könnten. Die insoweit gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Beschwerdeführerin dringen nicht durch. Sie beschränken sich mit zum Teil urteilsfremden Erwägungen auf eine eigene Bewertung der Beweise. Verfahrensrügen, die das Beweisergebnis in Frage stellen könnten, sind nicht erhoben worden.“

Auch der GBA hatte im Übrigen von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht viel gehalten. Denn er hatte sie nur teilweise vertreten. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass er ihr nur geringe Chancen eingeräumt hat. Allerdings hatte der GBA mit der Revision auch insoweit keinen Erfolg, wie er sie dann durchgeführt hat. Werden die Behördenleiter nicht gerne lesen…

Zeugenbeistand von der StA – welche Gebühren?

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Nicht selten haben Änderungen im Verfahrensrecht auch Auswirkungen im Gebührenrecht, an die bei Erlass der verfahrensrechtlichen Neuregelung dann aber niemand gedacht hat. Und dann geht es los. Es beginnt die Diskussion um die gebührenrechtlichen Auswirkungen.

Ein Beispiel dafür sind z.B. Änderungen durch das 2. OpferrechtsreformG im Herbst 2009. So kann danach nun auch die Beiordnung eines Zeugenbeistandes gemäß §§ 161a Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 3 S. 2, 68b StPO  durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Frage, die sich dann später stellt: Welche Gebühren erhält er?. Vor allem: Erhält er Gebühren aus der Staatskasse? Hintergrund ist die Formulierung in § 45 Abs. 3 RVG, wo es heißt: „…. sonst gerichtlich bestellt oder beigeordnet….“ Das ist der Zeugenbeistand in den Fällen aber nicht, so dass nur eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht kommt (s. auch Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A: Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse [§§ 44, 45, 50], Rn. 1479).

Mit der Problematik setzt sich der LG Düsseldorf, Beschl. v. 15.02.2012 – 4 Qs 86/11 auseinander und löst das Dilemma – m.E. zutreffend – mit einer analogen Anwendung:

„Der Beschwerdeführer hat einen Festsetzungs- und Vergütungsanspruch aus § 45 Abs. 3 RVG analog. Nach ihrem Wortlaut gilt die Vorschrift nur für den Fall der gerichtlichen Beiordnung. Vor dem Inkrafttreten des zweiten Opferrechtsreformgesetzes am 1. Oktober 2009 war in der alten Fassung der §§ 68b S. 3, 141 Abs. 4 StPO für die Beiordnung allein, also auch im Falle einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung (§ 161a Abs.1 S.2 StPO a.F.), der Vorsitzende des Gerichts zuständig, das für das Hauptverfahren zuständig oder bei dem das Verfahren anhängig war. Nach der Neufassung der StPO durch das zweite Opferrechtsreformgesetz kann die Entscheidung nun die Staatsanwaltschaft selbst treffen (§§ 161a Abs. 1 S. 2, 163 Abs. 3 S. 2 StPO). Das Opferrechtsreformgesetz brachte zwar auch Folgeänderungen im RVG. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12098) ist indes nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber an dem bislang bestehenden Vergütungsanspruch beigeordneter Zeugenbeistände etwas ändern wollte, nur weil diese im Ermittlungsverfahren nicht mehr durch das Gericht beigeordnet werden müssen. Der Gesetzesbegründung lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber auch an eine Übertragung der Beiordnungsbefugnis an die Polizei gedacht, eine solche jedoch verworfen hat, weil eine solche Entscheidung mit Kostenfolgen verbunden ist (BT-Drucks. 16/12098, S. 27). Vor diesem Hintergrund ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber von Kostenfolgen bei der Beiordnung eines Zeugenbeistandes durch die Staatsanwaltschaft ausging und die Anpassung der entsprechenden Vorschriften im RVG lediglich versehentlich unterließ.“

 

Schokolade für den Staatsanwalt

Nachdem wir alle noch etwas ratlos wegen der Verhaftung des Verteidigers in Münsters LG sind und alle nicht so recht wissen, warum wieso, weshalb,  hat mir gestern ein Kollege eine Bericht aus dem Westfalenblat OWL zugesandt, in dem über ein „charmante Idee“ des Kollegen und seiner Sozia berichtet wird. „Süßes für den Staatsanwalt“ – mal was anderes. Wer nachlesen will, der kann es hier tun – Westfalenblatt OWL 02 06 12. Und: Bemerkenswert die Reaktion der Staatsanwaltschaft (allerdings Bielefeld :-).

Wer arbeitet, muss auch Geld bekommen…

Umstritten ist die Frage, ob der Rechtsanwalt, der im Rahmen einer von der Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten eingelegten Berufung tätig wird, die Erstattung der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG aus der Staatskasse verlangen kann.

M.E. ja, das der Angeklagte auch in der Phase des Verfahrens Anspruch auf Bertaung/Verteidigung hat, die wohl h.M. in der Rechtsprechung der Obergerichte sieht das leider anders (so z.B. das KG, vgl. hier). Um so wohltuender ist es dann, wenn man mal auf eine Entscheidung eines AG trifft, die diese h.M. nicht einfach nachbetet, sondern sich selbst Gedanken macht. So das AG Iserlohn, Beschl. v. 11.10.2011 –  9 Ls 335 Js 330/10 4/11. Danach steht dem Rechtsanwalt auch dann Erstattung einer Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für von ihm erbrachte Tätigkeiten aus der Staatskassezu , wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor deren Begründung zurücknimmt. Sehr schön formuliert dann vom AG:

Nachdem die Staatsanwaltschaft Hagen unbedingt und unbefristet das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat, ist dies dem Verteidiger seitens des Gerichts mitgeteilt Worden, er hat dann pflichtgemäß dies dem Angeklagten mitgeteilt, worauf dieser bei ihm anrief und um Beratung bat. Er wurde dann laut unbestrittener Einlassung umfassend darüber beraten, was die Berufung bedeutet, welche prozessualen Möglichkeiten bestehen und welcher Verfahrensausgang gegebenenfalls durch das Rechtsmittel zu erwarten sei. Darüber hinaus wurde gemeinsam beraten, welche möglicherweise zusätzlichen Beweismittel noch beschafft werden können und zur Verfügung stehen.

Diese entfaltete Tätigkeit des Pflichtverteidigers ist notwendig und nicht nur rein hypothetischer Art und auf keinen Fall überflüssig noch bedeutungslos, da mit der Zäsurwirkung des Rechtsmittels der Berufung ein neues Verfahrensstadium beginnt, mithin der Freigesprochene wieder den Status des Angeklagten erhält und der Verteidiger im Rahmen rechtsstaatlich begründeter Verteidigung seine Tätigkeit so auszurichten hat, dass sie erfolgsversprechend und wirksam ist, vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 140, Randnummer 1 m.w.N.. Diesbezüglich hat der Verteidiger einen nicht überprüfbaren Ermessensspielraum, wann, wie schnell und wie er tätig wird…

Richtervorbehalt verkehrt; oder: Von der schnellen Truppe

§ 165 StPO sieht vor, dass der Ermittlungsrichter bei Gefahr im Verzug der Richter die erforderlichen Untersuchungshandlungen auch ohne Antrag vornehmen, wenn ein Staatsanwalt nicht er­reichbar ist. Diese „Erlaubnis“ hat ein Richter beim AG Dresden sehr weit gefasst. Dieser hatte im Rahmen einer Haftbefehlseröffnung von dem davon betroffenen Beschuldigten erfahren, dass auch ein bislang nicht bekannter Dritter in Rauschgiftgeschäfte verstrickt sein sollte. Flugs wurde vom Richter die Durchsuchung bei diesem angeordnet, und zwar mit undatiertem Vermerk in der Akte. Der „Beschluss“ wurde dann vom Zollfahndungsamt ausgeführt.

Das LG Dresden, Beschl. v. 24.08.2011 – 3 Qs 105/11 sieht die „mündliche Durchsuchungsanordnung als rechtswidrig an, und zwar aus folgenden Gründen:

„Im vorliegenden Fall ist aber bereits eine fehlende Erreichbarkeit eines Staatsanwalts nicht erkennbar. Der Ermittlungsrichter gewann seine Erkenntnisse im Rahmen der Haftbefehlseröffnung in dem Strafverfahren gegen A., deren Vernehmung ausweislich des Protokolls um 10.50 Uhr begann und um 12.20 Uhr endete, also zu den normalen Dienstzeiten an einem Werktag. Eine Rücksprache mit der Staatsan­waltschaft Dresden gab es nicht.“

Außerdem geht das LG davon aus, dass die Durchsuchungsanordnung zwar grds. auch mündlich ergehen kann, i.d.R. aber schriftlich erfolgen sollte. Dazu heißt es im Beschluss.

„Folglich liegt es nahe, dass aus Dringlichkeitsgründen eine mündliche Durchsuchungsanordnung nur ergehen sollte, wenn bei Erlass eines schriftlichen Durchsuchungsbeschlusses das Interesse an einer wirksamen und effektiven Strafverfolgung beeinträch­tigt wäre und die Gefahr eines Beweismittelverlustes droht.

Derartige Gründe für eine mündliche Anordnung sind hier auch nicht ersichtlich, zumal diese während der normalen Dienstzeiten erlassen wurde. Nachdem die richterliche Vernehmung der gesondert Verfolgten abgeschlossen war, hätte der zuständi­ge Richter ohne Zeitverzug per Telefax ,die Staatsanwaltschaft Dresden über den Ermittlungsstand informieren und diese hätte ohne Weiteres die Durchsuchung der ent­sprechenden Räume wiederum bei dem Amtsgericht Dresden beantragen können. Der dann schriftlich ergangene Durchsuchungsbeschluss wäre angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten binnen kürzester Zeit erneut zu den zuständigen Beamten des Zollfahndungsamtes gelangt. Die Gefahr eines Beweismittelverlustes bestand – soweit ersichtlich – nicht…“

Also: Von der ganz schnellen Truppe zu sein schadet i.d.R. auch.