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Und noch ein Sturz – nun auf dem Weg in die REHA. Wird gehaftet?

entnommen wikimedia.org Urheber Bubinator

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Die Klägerin im Verfahren, das dem OLG Koblenz, Beschl. v. 26.02.2014 – 5 U 1441/13 – zugrunde gelegen hat, wurde in einer Klinik nach einem invasiven Hüftgelenkspfannenwechsel bis zum 22.12.2008 stationär behandelt und am 11. postoperativen Tag zunächst nach Hause entlassen, wo sie sich mit Hilfe ihres Mannes selbst versorgte. Dort wurde sie auf Veranlassung der Beklagten, einer Rehabilitaionsklinik, von einer derer Mitarbeiter bis zum 29.12.2008 mit einem Kleinbus zur Verbringung in die Reha-Klinik der Beklagten abgeholt. Beim Einstieg in das Fahrzeug stürzte die Klägerin, was nach ihren Behauptungen einen komplikationsbehafteten weiteren Behandlungsweg nach sich zog. Sie wirft der Beklagten vor, sich nicht ausreichend über ihren Gesundheitszustand informiert zu haben, so dass es versäumt worden sei, zwei Begleitpersonen oder jedenfalls eine medizinisch oder pflegerisch geschulte Begleitperson mit dem Transport in die Rehaklinik zu betrauen. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Anhaltspunkte für das Erfordernis eines Liegendtransports oder eines sonstigen Rettungstransports seien ihr nicht bekannt geworden und lägen auch nicht vor.

Im Verfahren ging es dann um materiellen und immateriellen Schadensersatz aus der Verletzung eines Behandlungsvertrages zur Rehabilitation. Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG weist in seinem Beschluss die Klägering darauf hin, dass ihre Berufung keinen Erfolg haben wird. Das OLG verneint eine Pflichtverletzung der Beklagten.

Es kann dahinstehen, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles zu einem abweichenden Vertragsinhalt führen können. Jedenfalls im konkret zu entscheidenden Fall lagen keine besonderen Umstände vor. Es kommt deshalb weder darauf an, welche Kenntnis die Beklagte hiervon hatte oder hätte haben können und wie weit eine Informationspflicht möglicherweise reicht. Die Berufungsbegründung zeigt auch keine über das allgemein bei endoprothetisch behandelten Patienten bestehende erhöhte Sturzrisiko hinausgehenden Umstände auf.

Die allgemein erhöhte Sturzgefahr ist in der Praxis bekannt und wird nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, belegt durch die Richtlinie zu AHB-Anschlussrehabilitation, dadurch berücksichtigt, dass zwischen einer allgemeinen Anschlussrehabilitation nach hinreichender postoperativer Mobilisation und einer geriatrischen Nachbehandlung unterschieden wird. Nur letztere führt zur Notwendigkeit eines qualifizierten Krankentransportes. Die Indikation zu einer „AHB – Anschlussrehabilitation“, wie sie von der Streithelferin zu 1 gestellt wurde, setzt nach der von dem Sachverständigen vorgelegten Richtlinie eine hinreichende Reisefähigkeit voraus. Diese ist definiert als die Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel oder einen Pkw zu nutzen. Zu den öffentlichen Verkehrsmitteln gehören auch Busse und Bahnen, bei denen erforderlich sein kann, eine oder zwei Stufen zu steigen, und bei denen kein pflegerisch oder medizinisch geschultes Personal eingesetzt wird. Dass die Indikation der Streithelferin zu 2 falsch war und dass dies für die Beklagte erkennbar war, wird mit der Berufung nicht vorgetragen. Im Gegenteil ist deren Richtigkeit gutachterlich bestätigt.

Besondere Umstände des Einzelfalles geboten auch keine abweichende Verfahrensweise. Auch hier steht das Gegenteil zur Überzeugung des Senates aufgrund des unstreitigen Vortrages der Parteien und der Ausführungen des Sachverständigen fest.

Die Klägerin wurde bereits am 22.12.2008 hinreichend mobilisiert entlassen. Da schon in diesem Zeitpunkt, d.h. schon am 11. postoperativen Tag die Indikation für eine AHB – Anschlussrehabilitation gestellt werden konnte, ist von einem sehr guten postoperativen Verlauf auszugehen. Die Indikation setzt eine Frühmobilisation, eine Rehabilitationsbelastbarkeit und die – selbstständige (!) – Reisefähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln voraus.

Die Klägerin war dann eine Woche zu Hause, ohne dass sie pflegerische oder medizinische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Auch im häuslichen Bereich sind regelmäßig Höhenunterschiede zu überwinden (Dusche, Badewanne, Treppen). Gleiches gilt für die außerhäusliche Mobilität wie bei Spaziergängen. Von diesbezüglichen Schwierigkeiten berichtet die Klägerin ebenso wenig wie von einer entsprechenden Information der Beklagten.

Der Transport wurde von einem Unternehmen durchgeführt, das über entsprechende Erfahrung verfügte. Vergleichbare Vorfälle aus der Vergangenheit sind nicht bekannt. Der Fahrer war unstreitig zur Gewährung von Hilfestellung angehalten. Dass er dem nicht nachgekommen ist, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Eine Einstiegshilfe war vorhanden und hat nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten (Bl. 180 GA) die Hälfte der Höhe zwischen Bürgersteig und Fahrzeug überwunden. Ein erheblicher Höhenunterschied ist damit nicht verblieben. Der Vortrag der Klägerin lässt auch nicht erkennen, dass sie sich den Einstieg nicht zutraute. Weder wird von entsprechenden Hinweisen an den Fahrer berichtet, noch hat sie Anlass gesehen, ihren Mann zur Hilfe zu rufen, der als zweite Person zur Einstiegshilfe zur Verfügung stand. Es ist nicht zu ersehen, dass der Fahrer oder die Beklagte eine besondere Gefahr im Einzelfall erkennen sollten, die die Klägerin nicht hätte sehen können.“

Streitwert: Mehr als 138.000 €.