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Der vernommene Polizeibeamte im Schichtdienst, oder: (Welche) Entschädigung für Freizeitverlust?

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Die zweite Entscheidung, der OLG Celle, Beschl. v. 05.01.2021 – 3 Ws 258/20 – hat nichts mit RVG-Gebühren zu tun, sondern mit der Zeugenentschädigung. Er passt damit aber ganz gut als Posting an einem Freitag.

Entschieden hat das OLG über eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG bei einem Polizeibeamten, der als Zeuge vernommen worden war.  Dem sind 3,50 EUR je angefangener Stunde bewilligt worden. Zu Begründung ist ausgeführt worden, „der Antragsteller sei als Polizeibeamter im Schichtdienst tätig und während seiner Freizeit als Zeuge herangezogen worden. Zwar sei die hierdurch verlorene Freizeit nachträglich als Arbeitszeit angerechnet worden, dem Antragsteller sei aber gleichwohl ein Nachteil entstanden, da bei Beamten im Schichtdienst die eingetretene Freizeitunterbrechung zu einer Minderung der erforderlichen körperlichen Erholung führe.

Dagegen die Beschwerde der Landeskasse. Im Verfahren ist der Beschluss des LG zunächst aufgehoben worden, nachdem der Antragsteller nicht innerhalb der vom OLG hierzu gesetzten Frist nachgewiesen hatte, dass er für die fragliche Zeit nicht vertreten worden war und die versäumte Arbeitszeit nachgeholt werden muss. Dagegen dann die Gehörsrüge des Antragstellers, die Erfolg hatte. Und dann hat das OLG nun die Beschwerde der Landeskasse verworfen.

„In der Sache bleibt die Beschwerde der Landeskasse ohne Erfolg. Das Landgericht hat aus zutreffenden tatsächlichen wie rechtlichen Erwägungen, die der Senat auch seiner Entscheidung zugrunde legt, dem Antragsteller für seine Tätigkeit als Zeuge in der Hauptverhandlung am 13. Februar 2020 vor der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Stade nach § 20 JVEG eine Entschädigung für die von ihm hierdurch erlittene Zeitversäumnis bewilligt. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung kann hiernach zunächst grundsätzlich Bezug genommen werden.

Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 11. November 2020 angedeutet hat, entspricht es nunmehr der als gefestigt zu betrachtenden Rechtsprechung, dass Polizeibeamten, die in ihrer Freizeit als Zeuge vor Gericht aussagen müssen, auch dann eine Entschädigung für die hierdurch erlittene Zeitversäumnis als Nachteil zusteht, wenn Ihnen dieser Zeitaufwand durch den Dienstherrn nachträglich als Arbeitszeit anerkannt wird (OLG Düsseldorf VRS 111, 159; OLG Karlsruhe VRS 113, 79; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 295; NK-GK/Pannen/Simon, 2. Aufl., § 20 JVEG Rn. 6; Schneider JVEG, 3. Aufl., § 20 Rn. 12). Grundsätzlich ist in diesen Fällen vom Eintritt eines Nachteils durch die Heranziehung als Zeuge auszugehen (OLG Karlsruhe a.a.O.) und sind hierbei auch immaterielle Nachteile zu berücksichtigen sind (Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 21 JVEG Rn. 7).

Schichtdienst mit unterschiedlichen Dienstzeiten im Wechseldienst ist bekanntermaßen gesundheitlich besonders anstrengend und erfordert von den Beamten eine Anpassung an die jeweils geforderte Dienstzeit. Dies führt dazu, dass den zwischen den Dienstzeiten liegenden Freizeiten eine besondere Bedeutung für die Erholung zukommt, u.a. damit der nachfolgende Dienst ausgeruht wieder angetreten werden kann. Dabei ist von besonderer Wichtigkeit, dass die zur Verfügung stehende Freizeit so gestaltet werden kann, dass sie die erforderliche Erholung gewährleistet. Dazu gehört auch, dass sie nicht unnötig von dienstlichen Anforderungen unterbrochen wird. Durch die Heranziehung zu dienstlichen Aufgaben, insbesondere zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen, wird die dringend benö-tigte Freizeit unterbrochen und damit deren Erholungswert massiv herabgesetzt. Dieser kann naturgemäß auch nicht dadurch wieder ausgeglichen werden, dass Freizeitausgleich gewährt wird, da dieser – entsprechend den dienstlichen Möglichkeiten – erst zu einem späteren Zeitpunkt genommen werden und den Umstand der Unterbrechung der Freizeit nicht vollumfänglich ausgleichen kann. Auch wenn die Zeit des Zu- und Abgangs zu Gerichtsterminen nachträglich als Arbeitszeit gewertet wird, ändert dies am Eintritt eines Nachteils in Form von Freizeitbeeinträchtigung und damit im Sinne von § 20 JVEG nichts (ebenso OLG Düsseldorf a.a.O.).

Die vom Senat in seiner Entscheidung vom 11. November 2020 noch vermissten Nachweise hat der Antragsteller zwischenzeitlich nachgeholt. Der Antragsteller hat hierbei durch Vorlage einer Bescheinigung seines Dienstherrn dargelegt, dass er im Schichtdienst tätig ist, sich zurzeit seiner Zeugenaussage in seiner Freizeit befand und dass ihm für die Zeit-versäumnis nachträglich Arbeitszeit angerechnet worden ist.“