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Verkehrsbedingter Halt – Ja oder nein? – die Antwort entscheidet über § 316a StGB

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Vor einigen Jahren hat der BGH drei Grundsatzentscheidungen zu § 316a StGB erlassen (BGHSt 49, 8; 50, 169, 52, 44), mit denen die früher – nach Auffassung des BGH zu – weite Rechtsprechung zu dieser Vorschrift eingeschränkt worden ist.

Voraussetzung für eine Verurteilung nach § 316a StGB ist nun, dass die Tat unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs begangen wurde. Der BGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass dieses Tatbestandsmerkmal in der Regel erfüllt, wenn der Angriff i.S. des § 316a StGB zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem sich der Fahrer mit dem Fahrzeug im fließenden Verkehr befindet (BGHSt 49, 8, 14 f.; 50, 169, 172 f.). Entsprechendes gilt auch, wenn das Pkw während der Fahrt verkehrsbedingt mit laufendem Motor hält, die Fahrt aber nach Veränderung der Verkehrssituation sogleich fortgesetzt werden soll. Diese Situation wird so angesehen, als befinde sich das Fahrzeug weiterhin im fließenden Verkehr. In diesen Fällen habe auch der Geschädigte i.d.R. keine Möglichkeit, sich dem Angriff zu entziehen. In allen anderen Fällen, insbesondere bei einem nicht verkehrsbedingten Halt, bedarf es nach der Rechtsprechung des BGH zusätzlicher, in den Urteilsgründen darzulegender Umstände, die die Annahme rechtfertigen, dass die Tat unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen worden ist.

Diese Rechtsprechung fasst noch einmal der BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 244/12 – zusammen. Da hatte das LG lediglich festgestellt, dass einer der Angeklagten den Geschädigten im Einvernehmen mit seinen Mittätern „nach dem Halt im Wohngebiet“ zur Leerung seiner Taschen aufforderte. Zu den näheren Umständen dieses „Anhaltens“ in einem Wohngebiet war in den Urteilsgründen nichts ausgeführt. Der BGH hat insbesondere Angaben dazu vermisst, ob das Anhalten verkehrsbedingt, wie z.B. vor einer Lichtzeichenanlage, war. Somit ergab sich aus den Feststellungen nicht, dass die Angeklagten unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ge handelt hatten.

Ergebnis: Aufhebung und Zurückverweisung. Man sieht, es kann auf Kleinigkeiten ankommen, ob eine Verurteilung erfolgt oder nicht.

Aufhebung mit ggf. weitreichenden Folgen

Das LG hat den Angeklagten wegen erpresserischen Men­schenraubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, §§ 239a, 255, 316 a StGB. Das Ganze auf der Grundlage eines m.E. etwas skurrilen Sachverhalts: Der Angeklagte ist bereits geschäftlich mehrfach gescheitert, er plante die finanzielle Schädigung der Stadt N., da er die Vertreter dieser Stadt für seinen beruflichen Misserfolg verant­wortlich machte. Nachdem er herausgefunden hatte, dass die mit der Stadt verbundene gemeindliche Siedlungs-Gesellschaft (GSG) über große liquide Geldmittel verfügte, wollte er der GSG diese Mittel durch eine Überweisung entziehen und damit mittelbar die Zahlungsunfähigkeit der Stadt N. herbeiführen. Hierzu wollte er die Leiterin des Rechnungswesens der GSG (L.) in seine Gewalt bringen und dazu zwingen, eine Überweisung vom Konto der GSG auf ein Spenden­konto zugunsten der Opfer der Erdbebenkatastrophe in Haiti im Januar 2010 vorzunehmen, wobei er sich vorstellte, dass die betreffende Geldsumme durch die Überweisung für die GSG und die Stadt N. endgültig verloren sein würde. Als die Geschädigte am Tattag mit ihrem Fahrzeug auf dem Weg zur Arbeit an einer Baustelle verkehrsbe­dingt halten musste, stieg der Angeklagte überraschend auf der Beifahrerseite ihres Pkw ein und zwang sie unter Vorhalt einer von ihr als echt eingeschätzten Pistole, auf einen nahe gelegenen Parkplatz zu fahren. Von dort aus transpor­tierte der Angeklagte zunächst die nunmehr von ihm gefesselte L. in deren Pkw auf der Rücksitzbank liegend zu seinem Wohn­haus, später zu einer von ihm früher betriebenen Gaststätte. Dort befragte er sie zu den bei der GSG vorhandenen Geldmitteln. L. bestätigte, dass diese in Höhe von mehreren Millionen vorhanden seien. Durch vom Ehemann der L. alarmierte Polizeibeamte konnte L. befreit werden konnte.

Das LG hat darin einen erpresserischen Men­schenraubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer gesehen und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der BGH, Beschl. v. 24. 5. 2011 – 4 StR 175/11 hat aufgehoben und zu den Anforderungen an die Bereicherungsabsicht Stellung genommen. Die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, sei nicht gegeben, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens voraus­sieht. Das hat der BGH auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht erkennen können.

So weit, so gut, und: Die erfolgreiche Revision hat für den Angeklagten ggf. erhebliche Auswirkungen. Die hohe Freiheitsstrafe beruhte bislang jedenfalls auch auf dem vermeintlichen Vorliegen eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316a StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren. Bei gleichbleibenden Feststellungen hat die Verurteilung nach dem Tatbestand zu entfallen, ebenso die Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs. Da eine Geiselnahme erkennbar ebenfalls nicht gegeben ist, muss der Angeklagte lediglich mit einer Bestrafung wegen versuchter Nötigung hinsichtlich der erstrebten Überweisung sowie Freiheitsberaubung rechnen. Ende gut, alles gut? Na ja, aber m.E. ein Ergebnis, dass dem Sachverhalt gerechter wird.