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Das OVG Lüneburg und die PTB, oder: Die Herausgabe von Unterlagen aus dem Bauartzulassungsverfahren

Im Moment bin ich nach meinem Umzug in der „das Erste-Mal-Phase“. Und die gilt heute auch für den „Kessel Buntes“.

In dem schwimmt dann zunächst der der OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.04.2019 – 14 PS 4/19.In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem VG Braunschweig – 9 A 209/16 – begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, weitere Unterlagen aus einem Verfahren über die Bauartzulassung von Geschwindigkeitsmessgeräten offenzulegen. Der Kläger haatte bei der Beklagten mit E-Mail vom 07.01.2014 die Überlassung näher bezeichneter, auf die Bauartzulassung bezogener Informationen. Hierauf legte die Beklagte mit Bescheid vom 17.04.2015 nur einen Teil der geforderten Unterlagen offen und lehnte im Übrigen einen Informationszugang gemäß § 5 Abs. 1, § 6 Satz 2 IFG ab. Darum wird jetzt beim VG/OVG gestritten. Das OVG hat der PTB weitgehend Recht gegeben und lediglich die „Herausgabe“ einiger weniger Blätter angeordnet:

2. Der Antrag ist teilweise begründet. Die Sperrerklärung ist in dem im Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang rechtswidrig.

a. Die Sperrerklärung genügt – noch – den sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebenden formellen Anforderungen (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Beschl. v. 6.11.2008 – 20 F 7.08 -, Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 51; Senatsbeschl. v. 2.7.2015 – 14 PS 1/15 -, NdsVBl. 2016, 60; Thüringer OVG, Beschl. v. 27.3.2003 – 10 SO 337/01 -, juris Rn. 33; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 99 Rn. 20 m.w.N.).

Der Beigeladene zu 2. hat im Hauptsacheverfahren seine Weigerung, die vom Hauptsachegericht angeforderten Akten vollständig vorzulegen, deutlich zum Ausdruck gebracht und das Vorliegen von Geheimhaltungsgründen geltend gemacht. Eine präzisierende Umschreibung und Zuordnung der geltend gemachten Weigerungsgründe unter Angabe von Seiten- oder Blattzahlen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.7.2015 – 14 PS 1/15 -, juris Rn. 14 m.w.N.) fehlt allerdings. Sie ist hier ausnahmsweise – noch – entbehrlich, weil eine Zuordnung der Gründe zu dem Akteninhalt möglich ist. Dies beruht auf dem noch überschaubaren Umfang der Unterlagen, die Gegenstand des Zwischenverfahrens sind, und der Tatsache, dass klar ersichtlich ist, welche der in der Sperrerklärung angeführten Weigerungsgründe in Bezug auf diesen Gegenstand des Zwischenverfahrens erheblich sind (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 13.2.2014 – 20 F 11.13 -, juris Rn. 11 ff.).

b. Die Aktenbestandteile, die dem Fachsenat vorgelegt worden sind, reichen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung aus. Allerdings handelt es sich nicht um einen Verwaltungsvorgang oder einen Auszug aus einem Verwaltungsvorgang, sondern um einen eigens für das Zwischenverfahren zusammengestellten Ordner, der die geschwärzten und ungeschwärzten Seiten, die in dem Zwischenverfahren gegenständlich sind, gegenüberstellt. Der Fachsenat hat jedoch geschwärzte und ungeschwärzte Seiten verglichen und hat keinen Zweifel, dass es sich bei den vorgelegten ungeschwärzten Seiten dem Inhalt nach um diejenigen Aktenbestandteile handelt, auf die sich die Sperrerklärung bezieht.

c. Der Fachsenat kann nicht feststellen, dass die vom Beigeladenen zu 2. in der Sperrerklärung vom 7. September 2017 geltend gemachten Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 VwGO für alle der nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile gegeben sind.
aa. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde (Var. 1) oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz (Var. 2) oder ihrem Wesen nach (Var. 3 ) geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

Zu den Vorgängen, die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, gehören Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Zu den nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind. Neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen setzt ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Beschl. v. 27.4.2016 – 20 F 13.15 -, juris Rn. 20; vgl. Senatsbeschl. v. 24.1.2003 – 14 PS 1/02 -, NVwZ 2003, 629; v. 8.5.2017 – 14 PS 1/17 -, NVwZ-RR 2017, 697, juris Rn. 30).
bb. Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe fehlt es für Blatt 104 bis 107, 126 bis 127, 131 bis 133 und 161 bis 164 teilweise an einem Geheimhaltungsgrund.

(1) Entgegen dem Klägervorbringen scheidet ein Schutz von Betriebsgeheimnissen in Bezug auf die Geschwindigkeitsmessgeräte, auf die sich der Informationszugangsanspruch bezieht, allerdings nicht von vornherein aus.

Ein nachteiliger Einfluss auf die Wettbewerbsposition ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Gerät F. nicht mehr hergestellt wird und die Beigeladene zu 1. sich aus diesem Gebiet der Messtechnik zurückgezogen hat. Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, hat die Beigeladene zu 1. sich darauf berufen, weiterhin Entfernungsmessgeräte zu produzieren. Nähere Kenntnisse über in der Vergangenheit bei Geschwindigkeitsmessgeräten verwendete Messtechnik und Programmkomponenten können bereits deswegen Wettbewerbsrelevanz besitzen. Im Übrigen kann die Exklusivität technischen Wissens für ein weiterhin am Markt tätiges Unternehmen selbst dann einen wirtschaftlichen Wert besitzen, wenn in dem konkreten Marktsegment keine Produktion mehr erfolgt, weil das Wissen auch auf andere Weise, etwa über Lizenzvergaben in das Ausland, wirtschaftlich genutzt werden kann.

Auch der Vortrag, Bauteile könnten kein Betriebsgeheimnis darstellen, überzeugt nicht. Soweit der Kläger auf Patente verweist, trägt er nur vor, dass darin die Funktionsweise erklärt werde. Daraus ergibt sich nicht, dass die verbauten Komponenten offengelegt worden wären. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die verwendeten Bauteile leicht dadurch festgestellt werden könnten, dass das Geschwindigkeitsmessgerät geöffnet oder sonst untersucht wird. Auf elektronischen Bauteilen, auch Laserdioden, ist nicht notwendig eine Typenbezeichnung vorhanden. Ohne eine solche Bezeichnung mag es zwar noch möglich sein, den verwendeten Typ durch Messungen, insbesondere die Aufnahme von Kennlinien, oder Vergleich mit im Handel erhältlichen Stücken zu bestimmen. Der damit verbundene Aufwand führt aber dazu, dass es an der Offenkundigkeit fehlt (vgl. zur Bedeutung des Erfordernisses, einzelne Informationen zusammenzuführen, BVerwG, Beschl. v. 21.2.2008 – 20 F 2.07 -, BVerwGE 130, 236, juris Rn. 37).

(2) In dem Umfang, in dem der Beigeladene zu 2. Dateinamen und -größen sowie diesbezügliche Erläuterungen geschwärzt hat, rechtfertigt die in der Sperrerklärung gegebenen Erläuterung die Geheimhaltung nicht. Es kommt nur eine Teilschwärzung in geringerem als dem bisherigen Umfang in Betracht. Dies betrifft Bl. 104 bis 107, 131 bis 133, 161 bis 164.
Die Sperrerklärung führt insoweit aus, aus den Dateinamen könnten sich Rückschlüsse auf implementierte Funktionen des Geräts ergeben. Informationen über Dateigrößen erlaubten Rückschlüsse auf die Komplexität der Umsetzung und damit auf die Qualität bestimmter Geräteeigenschaften. Eine Begründung, warum die Erläuterungen zu den Änderungen ein Betriebsgeheimnis enthalten, fehlt ganz. Nach Lektüre dieser Erläuterungen drängt sich auf, dass sie nur teilweise Geheimnisschutz genießen können. Auch im Übrigen ist nicht hinreichend zwischen bereits bekannten oder offengelegten und noch nicht offenkundigen Sachverhalten unterschieden worden. Beispielsweise ergibt sich aus Bl. 162 der offengelegten Unterlagen, dass das Gerät eine „Jammed“-Anzeige besitzt. Vor diesem Hintergrund kann der Dateiname „JAM“ keine als Geheimnis einzustufende Information über die implementierten Funktionen enthalten. Eine rechtmäßige Sperrerklärung kann insoweit nur abgegeben werden, wenn eine saubere Trennung zwischen Funktionen, deren Vorhandensein bekannt ist, und solchen, deren Vorhandensein nicht bekannt ist, erfolgt, und nur aussagekräftige Dateinamen, die sich auf letztere beziehen, geschwärzt werden. Auch soweit Angaben zu Dateigrößen Rückschlüsse ermöglichen sollen, muss erkennbar gemacht werden, dass konkret geprüft worden ist, bei welchen Dateien das der Fall sein könnte. Will der Beigeladene zu 2. weiterhin Angaben über Änderungen schwärzen, muss er begründen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang derartige Angaben ein Betriebsgeheimnis darstellen.

(3) Hinsichtlich des Datenblatts ist ein Geheimhaltungsgrund bezogen auf Blatt 126 bis 127 nicht anzuerkennen. Es handelt sich um Folgeseiten des Datenblatts, die, anders als die erste Seite des Datenblatts (Blatt 125), nicht typenspezifisch sind. Während die Umrahmung auf dieser ersten Seite die Identifikation des Bauteils zuließe, ist eine derartige Möglichkeit bei den Folgeseiten nicht erkennbar. Das Datenblatt selbst war frei verfügbar. Der Senat konnte eine neuere Fassung ohne Schwierigkeiten im Internet abrufen. Warum die auf Blatt 126 bis 127 des Datenblatts enthaltenen Informationen ein Betriebsgeheimnis darstellen oder den Rückschluss auf ein Betriebsgeheimnis zulassen könnten, ergibt sich aus der Sperrerklärung nicht.
(4) Hinsichtlich der weiteren nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile hat sich der Senat anhand der vom Beklagten vorgelegten, vollständig lesbaren Akten davon überzeugt, dass die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen.“

Zum Ermessen dann bitte selbst im Volltext weiterlesen.

 

Fahrtenbuch I: Anhörung als Zeuge, oder: Ausreichende Mitwirkung bei der Fahrerermittlung

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Heute im Kessel Buntes dann seit längerem mal wieder zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen. Beide behandeln „Fahrtenbuchfragen“.

Zunächst stelle ich den OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.01.2019 – 12 ME 170/18. Gestritten wird im Verfahren um eine Fahrtenbuchanordnung. Es geht mal wieder um die Frage der ausreichenden Mitwirkung an der Fahrerermittlung im Bußgeldverfahren. Der Halter hatte die ihm erteilte Belehrung:

„Wenn Sie die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben, werden Sie hiermit als … Zeuge angehört. Teilen Sie bitte innerhalb einer Woche ab Zugang dieses Schreibens … die Personalien des Verantwortlichen … mit; hierzu sind sie nicht verpflichtet.“

als falsch angesehen, weshalb er nicht habe mitwirken müssen. Das hat das OVG anders gesehen:

„Zum anderen kann die oben angeführte Rechtsprechung (Beschl. v. 24.4.2012 – 12 ME 33/12 -, juris) auf die vorliegende Gestaltung des Anhörungsbogens nicht übertragen werden. Denn die dem Antragsteller auf diesem Anhörungsbogen erteilte Belehrung ist in der hier umstrittenen Passage nicht zu weitgehend und falsch. Sie trifft vielmehr deshalb zu, da ein Fahrzeughalter – unabhängig vom Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts – im Bußgeldverfahren generell keiner Verpflichtung unterliegt, allein auf die Zusendung eines (auch oder allein) für Zeugen bestimmten Anhörungsbogens mit einer Mitteilung des Verantwortlichen an die Verfolgungsbehörde zu reagieren. Die Zusendung eines solchen Anhörungsbogens stellt nämlich keine Vernehmung dar. Gemäß § 46 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 161a StPO besteht im Bußgeldverfahren weder eine Verpflichtung von Zeugen, schriftlich zur Sache auszusagen, noch, ohne vorherige ordnungsgemäße Ladung zwecks Einvernahme die Verfolgungsbehörde aufzusuchen oder diese anzurufen, um ihr so mündlich Angaben zur Sache zu machen (vgl. Kölbel, in: MüKOStPO, 1. Aufl. 2016, StPO § 160 Rn. 27 und § 161a Rn. 3). Dass es – insbesondere bei fehlendem Zeugnisverweigerungsrecht – nicht generell an einer Zeugnispflicht mangelt, ergab sich aber für den Antragsteller aus dem der oben zitierten Passage nachfolgenden Text der Belehrung in dem Anhörungsbogen vom 27. Juli 2016 (Bl. 65 GA), die sich mit der Möglichkeit einer (richterlichen) Vernehmung befasste. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung bereits zutreffend anerkannt, dass eine zusätzliche förmliche Befragung (Vernehmung) als Zeuge keine stets erforderliche Voraussetzung für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung im vorgenannten Sinne ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.10.1987 – BVerwG 7 B 162/87 -, NJW 1988, 1104 f., hier zitiert nach juris, Rnrn. 4 f.), sondern hierzu sehr wohl bereits das Schweigen auf eine quasi hilfsweise schriftliche Anhörung als Zeuge genügen kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 21.4.2008 – 8 B 482/08 -, juris, Rnrn. 9 f.).2

Und der Beschluss enthält darüber hinaus auch interessante Ausführungen des OVG zur Frage der Verhältnismäßigkeit. Der Halter hatte insoweit geltend gemacht, dass der Verkehrsverstoß bei Erlass der Fahrtenbuchanordnung bereits zwei Jahre und zwei Tage zurückgelegen habe sowie, dass nicht ersichtlich sei, aus welchem Grund 16 Monate zwischen seinem Freispruch und dem Ergehen der Anordnung hätten vergehen müssen. Auch insoweit: Kein Erfolg. Die Passagen bitte selbst lesen 🙂 .

VW-Skandal I: Gewerberechtliche Untersagung bei VW wegen des Abgas-Skandals?, oder: Unzuverlässig?

entnommen wikimedia.org
Urheber User: High Contrast

Heute dann zweimal VW-Skandal bzw. dessen Auswirkungen. Zunächst der Hinweis auf den OVG Lüneburg , Beschl. v. 28.08.2018 – 7 ME 51/18. Entschieden worden ist über den Anspruch eines Bürgers auf gewerberechtliches Einschreiten gegen VW wegen der Diesel-Affäre.

Der Antragsteller wohnt in Potsdam. Er hatte sich an die Stadt Wolfsburg gewandt und beantragt, der Volkswagen AG die Gewerbeausübung zu untersagen. Er hatte u.a. geltend gemacht, die Verantwortlichen des Unternehmens seien gewerberechtlich unzuverlässig. Außerdem sei die Gewerbeuntersagung zum Schutz seiner Gesundheit erforderlich. Die Stadt Wolfsburg hatte entsprechende Maßnahmen abgelehnt und zur Begründung unter anderem mitgeteilt, sie wolle die strafrechtlichen Ermittlungen abwarten.

Den daraufhin vom Antragsteller beim VG Braunschweig gestellten Eilantrag gegen die Stadt Wolfsburg auf gewerberechtliches Einschreiten hat dieses abgelehnt. Begründung: Der Antrag des Antragstellers sei bereits unzulässig sei. Dieser könne nicht geltend machen, durch die Unterlassung der Gewerbeuntersagung in eigenen, subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein.

Die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Antragstellers hat das OVG zurückgewiesen. Das VG habe zu Recht entschieden, dass der Antrag des Antragstellers bereits unzulässig sei. Dem Antragsteller stehe kein subjektiv-öffentliches Recht zur Seite. So diene § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, der die Gewerbeuntersagung regele, dem Schutz der Allgemeinheit, aber nicht den Individualinteressen einzelner Dritter. Dritte wie der Antragsteller hätten daher keinen Anspruch auf Erlass einer Untersagungsverfügung, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Untersagung nachgewiesen worden seien.

Der Antragsteller könne sich auch nicht auf sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit berufen. Zwar könne aus Grundrechten unter bestimmten Umständen ein staatliches Tätigwerden mit dem Ziel der Sicherung grundrechtlich geschützter Rechtsgüter geboten sein. Der Staat sei möglichen Gesundheitsgefahren, die auf den Ausstoß von Schadstoffen zurückzuführen seien, vorliegend jedoch bereits auf vielfältige Weise begegnet, so das Gericht.

Fahrtenbuchauflage: Neun Monate bei einem „Einpunktdelikt“ muss man begründen

Die Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) bietet immer wieder neuen Berichtsstoff. So ist jetzt hinzuweisen auf die Entscheidung des OVG Lüneburg v. 10.02.2011 – 12 LB 318/08. Danach ist eine neunmonatige Dauer bei einem „Einpunktdelikt“ zu begründen, sonst liegt ein Ermessensfehler vor, weil bei diesen geringen Verstößen eine Dauer von sechs Monaten die Regel ist.

Und was auch interessant ist: Die Ausgangsentscheidung des VG Stade war vom 31.05.2007 – das ist doch mal eine beschleunigte Erledigung :-).

Erkennungsdienstliche Behandlung nicht wegen einer Bagatelle

Die mit der erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b Alt. 2 StPO zusammenhängenden Fragen spielen in der Praxis immer wieder eine Rolle. Dazu verhält sich jetzt der Beschl. des OVG Lüneburg v. 24.11.2010 – 11 LA 468/10. Folgender Sachverhalt:

„Gegen den 1978 geborenen Kläger sind in der Vergangenheit drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts, gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben, anhängig gewesen. Einzelheiten über ein 2002 geführtes Verfahren wegen der Einfuhr von geringen Mengen Betäubungsmittel sind nicht mehr bekannt. Im April 2008 und im Juni 2009 wurden jeweils anlässlich von Verkehrskontrollen im Blut des Klägers THC-Werte kleiner als 1,0 ng/ml sowie THC-COOH-Werte von 8,99 bzw. 6,8 ng/ml festgestellt. Die beiden letztgenannten Ermittlungsverfahren wurden jeweils nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da ein strafloser Konsum von Cannabisprodukten nicht auszuschließen war.

Die Beklagte nahm das letzte der o. a. Ermittlungsverfahren (vor seiner Einstellung im Oktober 2009) zum Anlass, mit Bescheid vom 16. September 2009 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers anzuordnen. Der dagegen gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschuss vom 31. August 2010 (- 11 ME 288/10 -, juris) offen gelassen, ob gegen den Kläger überhaupt ein hinreichend konkreter (Rest-)Verdacht eines Verstoßes gegen § 29 BtMG durch den unerlaubten Erwerb und Besitz von Cannabis bestehe. Jedenfalls sei nach den o. a. Ergebnissen der Blutuntersuchungen davon auszugehen, dass der Kläger allenfalls in Einzelfällen Cannabis auch besessen bzw. erworben habe. Dieses Verhalten stelle eine Bagatelle dar und führe zur Unverhältnismäßigkeit seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.“

Vom VG ist die Berufung nicht zugelassen worden. Die dagegegen gerichtete Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg.