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Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: Einwand „unbewusste Drogenaufnahme“

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In der zweiten Entscheidung, dem OVG Sachsen,-Anhalt Beschl. v. 26.10.2022 – 3 M 88/22 -geht es mal wieder um die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde. Gestützt worden ist die Entziehung auf die Nichteignung des Betroffenen wegen der Einnahme eines Betäubungsmittels. Der Betroffene wendet ein: Unbewusste Drogenaufnahme. Ohne Erfolg:

„Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich darauf beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Dezember 2021 – 11 CS 21.1896 – juris Rn. 11; OVG Saarl, Beschluss vom 2. September 2021 – 1 B 196/21 – juris Rn. 47; OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2016 – 16 B 166/16 – juris Rn. 11; OVG Brem, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 LA 261/15 – juris Rn. 6; OVG MV, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11 juris Rn. 8). Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu welchem Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt (OVG Bremen, a.a.O.).

Unter diesen Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass er unbewusst Metamphetamin zu sich genommen haben könnte. Nach seiner Schilderung kommt für eine (unbewusste) Einnahme von Betäubungsmitteln nur die Zeit seines Aufenthalts bei einem Schausteller in Betracht, den er gemeinsam mit zwei Aushilfsmitarbeitern beim Aufbau eines Karussells unterstützt hat. In dieser Zeit hat der Antragsteller nach seinen Angaben eine von einem Lieferdienst bestellte Thunfischpizza gegessen und eine Cola getrunken. Sein Getränk und die Getränke der anderen Anwesenden hätten, so der Antragsteller, auf einem Tisch zusammengestanden. Er habe sein Getränk nicht über den ganzen Tag beobachtet.

Dieser Vortrag ist nicht hinreichend plausibel, um von einer unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln ausgehen zu können. Die Beschreibung des Antragstellers gibt keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ihm jemand in der Situation eines gemeinsamen Arbeitstages gezielt Metamphetamine „unterschieben“ wollte. Für keinen der Anwesenden wäre es von Nutzen gewesen, dem Antragsteller heimlich Drogen beizubringen. Für die dem Antragsteller unbekannten Aushilfsarbeiter bestand ersichtlich keinerlei Motiv, auf eigene Kosten erworbene Betäubungsmittel dem nichtsahnenden Antragsteller zu überlassen. Der Schausteller dürfte für ein Unterschieben von Drogen schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil er mit dem Antragsteller offensichtlich freundschaftlich verbunden war. Er würde auch damit gerechnet haben, dass der Antragsteller auf eine unbewusste Einnahme von Metamphetaminen beunruhigt über die unerklärlichen körperlichen Veränderungen und nicht mit einer Leistungssteigerung aufgrund der aufputschenden Wirkung reagieren würde. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller versehentlich aus einem Glas getrunken hat, in dem sich ein mit Drogen vermischtes Getränk befunden hat. Ginge man davon aus, dass einer der anwesenden Männer selbst Metamphetamine zu sich nehmen wollte und diese in sein eigenes Getränk gegeben hat, würde eine unbewusste Drogenaufnahme des Antragstellers voraussetzen, dass er seine Cola mit dem drogenhaltigen Getränk dieses Mannes verwechselt hat. Wie es hierzu gekommen sein könnte, hat der Antragsteller jedoch nicht näher beschrieben. Eine Verwechslung käme von vornherein nur in Betracht, wenn mindestens einer der Anwesenden das gleiche Getränk (Cola) aus einem gleichen Behälter (z.B. Glas, Flasche, Dose) getrunken hätte. Der Antragsteller hat jedoch nicht einmal beschrieben, welche Getränkebehälter mit welchen Getränken auf dem Tisch gestanden haben. Die Angaben hierzu sind vage („Flaschen und/oder Gläser“). Es ist auch wenig plausibel, dass mindestens einer der Anwesenden ebenfalls eine Cola aus einem gleichen Trinkgefäß getrunken hat, da der Antragsteller nach seiner Schilderung sein Getränk selbst mitgebracht hatte, die Getränke also nicht von dem Schausteller gestellt wurden. Unabhängig davon, dass sich die Schilderung des Antragstellers schon aus diesen Gründen als unergiebig erweist, müsste hinzukommen, dass sich die beiden Trinkgefäße nebeneinander befunden haben und der Antragsteller deshalb das falsche Gefäß „erwischt“ hat. Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil derjenige, der Metamphetamine hat einnehmen wollen, ein Interesse daran gehabt haben wird, eine solche Verwechslung gerade auszuschließen, und die Anzahl der Trinkgefäße angesichts der geringen Zahl von vier Anwesenden überschaubar gewesen sein muss. Lückenhaft ist die Schilderung des Antragstellers auch im Hinblick auf die an dem fraglichen Tag anwesenden Personen. Angesichts einer gemeinsamen Arbeit über einen Zeitraum von über zwölf Stunden wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller genauere Angaben über die beiden Aushilfsarbeiter hätte machen können, von denen die Betäubungsmittel nach seiner Schilderung stammen mussten. Der Antragsteller hat keine Namen genannt und auch sonst keine Angaben gemacht, die auf die Identität dieser Männer schließen lassen könnten. Es fehlen auch Erläuterungen, warum der Antragsteller von dem mit ihm befreundeten Schausteller die Namen der Aushilfsmitarbeiter nicht erfahren konnte. Auch der Schausteller dürfte ein Interesse daran haben, Drogenkonsum seiner Mitarbeiter während der Arbeitszeit auszuschließen. Insgesamt ergeben sich aus der lückenhaften und vagen Schilderung des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller am fraglichen Tag unbewusst Metamphetamine zu sich genommen haben könnte…..“