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Keine Umdeutung des Kostenfestsetzungsantrages, oder: Schön aufpassen……..

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Heute ist Freitag und damit der Tag, an dem ich i.d.R. gebührenrechtliche Entscheidungen oder solche mit zumindest gebührenrechtlichem Einschlag vorstelle. So dann auch heute, und zwar zunächst den LG Arnsberg, Beschl. v. 13.12.2106 – 2 Qs 90/16. Die Entscheidung enthält nichts weltbewegend Neues auf dem Gebiet des Gebühren- bzw. Kostenrechts. Aber sie nimmt noch einmal zu der Frage Stellung, ob ggf. ein Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung auszulegen ist. Das würde ja in manchen Fällen, in denen das Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung „übersehen“ worden ist, helfen. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das LG hat sie verneint:

„Die Kammer hält jedoch weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass eine solche Auslegung nicht möglich ist (vgl. LG Arnsberg, Beschluss vom 09.02.2007, 2 Qs 18/07; Beschluss vom 02.07.2008, 2 Qs 11/08). Eine Auslegung oder Umdeutung eines Rechtsmittels nach § 300 StPO kommt immer dann in Betracht, wenn die Bezeichnung des Rechtsmittels fehlt, falsch ist oder unklar bleibt, welches von mehreren Rechtsmitteln eingelegt werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 2 f.). Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ein Rechtsmittel bezweckt ist. Aus der Eingabe selbst muss sich deshalb ein Anfechtungswille ergeben. Es muss also deutlich werden, dass sich der Erklärende mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden möchte. Maßgebend für die Auslegung ist der Sinngehalt, der sich aus der Gesamtheit der innerhalb der Anfechtungsfrist eingehenden Erklärungen ergibt (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190; Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 3). Für die Auslegung des Anfechtungswillens ist im Übrigen die Person des Erklärenden von Bedeutung. Bei Rechtskundigen ist eher als bei Rechtsunkundigen auf den gewählten Wortlaut abzustellen. Einem Rechtsanwalt, der in Strafsachen tätig wird, ist aber bekannt, dass das Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO allein die Aufgabe hat, die Höhe der notwendigen Auslagen zu bestimmen, bezüglich derer eine rechtskräftige gerichtliche Grundentscheidung vorliegt, und dass dieses Verfahren nicht dem Zweck dient, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts zu korrigieren (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).

Darüber hinaus rechtfertigt sich selbst aus Billigkeitsgründen keine andere Wertung. § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten wäre, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieser Säumnis freizustellen (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).

Eine sofortige Beschwerde kann in einem Kostenfestsetzungsantrag mithin nur dann gesehen werden, wenn in irgendeiner Weise aus diesem hervorgeht, dass er die vorliegende Kostengrundentscheidung nicht akzeptiert (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.10.2010, 2 Ws 350/10, zit. nach juris; KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190 f.).

Hierfür fehlt es aber in der vorliegenden Sache an jedem Anhaltspunkt. Vielmehr schreibt der Verteidiger in der Einleitung des Kostenfestsetzungsantrages irrig, dass durch das strafrichterliche Urteil die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden seien. Aufgrund dieser irrigen Annahme ist ein Anfechtungswille ausgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass das Fehlen der Auslagenentscheidung durch den Verteidiger erst bemerkt wurde, als er hierauf durch das Amtsgericht hingewiesen wurde.“

Fazit: Immer schön darauf achten, ob die Kosten- und Auslagenentscheidung einer gerichtlichen Entscheidung zutreffend ist und dann dagegen das passende Rechtsmittel einlegen. Dann braucht man solche Krücken nicht……….

400-500 m vom Unfallort weg – Unfallflucht?

entnommen wikimedia.org Urheber Opihuck

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Derzeit ist – ich habe es schon mehrfach „beklagt“ – im Verkehrsrecht Flaute. Daher bin ich dann immer froh, wenn ich auf eine Entscheidung stoße, die man hier vorstellen kann. Und das ist bei dem LG Arnsberg, Beschl. v. 11.09.2014 – 6 Qs 81/14 – der Fall. Der behandelt ein (potentielles) unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) und ist aus zwei Gründen interessant:

Einmal geht es um die Frage, wann = ab welcher Entfernung denn nun ein „Entfernen vom Unfallort“ vorliegt. Dazu das LG:

„Für ein tatbestandsmäßiges Entfernen genügt eine Absetzbewegung derart, dass der räumliche Zusammenhang zwischen dem Beteiligten und dem Unfallort aufgehoben und seine Verbindung mit dem Unfall nicht mehr ohne Weiteres erkennbar ist, sodass der Beteiligte nicht mehr uneingeschränkt zu sofortigen Feststellungen an Ort und Stelle zur Verfügung steht, sondern erst durch Umfragen ermittelt werden muss (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Auflage 2014, § 142 StGB Rn. 10 m. w. N.). Der Unfallbeteiligte darf sich nicht schon so weit von der Unfallstelle entfernt haben und es darf noch nicht so viel Zeit verstrichen sein, dass an dem inzwischen erreichten Ort feststellungsbereite Personen ohne Weiteres nicht mehr zu erwarten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.10.2007 – III-2 Ss 142/07-69/07 III; eingrenzend BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10).

Hier hielt der Beschuldigte ausweislich der Aussage des Zeugen C. erst „ca. 400 – 500 Meter nach der eigentlichen Unfallstelle“ (Bl. 43 d. A.) an. Ausweislich der Aussage der Geschädigten hat sie das beteiligte Unfallfahrzeug nach dem Unfallgeschehen lediglich „in einiger Entfernung“ wahrgenommen (Bl. 35 d. A.). Da ihr die Feststellung, ob das Fahrzeug fuhr oder stand, nicht möglich war, bestand jedenfalls kein eine sofortige Feststellung ermöglichender Sicht- und Rufkontakt fort. Ausweislich der Aussage der Zeugin N. war der Unfallbeteiligte „wohl schon über den Berg“ (Bl. 51 d. A.).“

Der zweite Punkt ist die Frage, ob man sich eigentlich (noch einmal) unerlaubte vom Unfallort entfernen kann, wenn man zurückkehrt und dann wieder wegfährt. Dazu das LG: Nein, denn…

„4. Nach Aktenlage ist auch unerheblich, dass der Beschuldigte anlässlich seiner Rückkehr zu dem Unfallort keine Feststellungen ermöglicht hat und erneut weggefahren ist.

a) Das erneute Wegfahren ist nicht tatbestandsmäßig. § 142 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass sich ein Unfallbeteiligter „nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt“. Der danach erforderliche zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem Sich-Entfernen und dem Unfallereignis war hier bereits durch das erstmalige Sich-Entfernen unterbrochen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15.11.2010 – 4 StR 413/10; Mitsch, JuS 2009, 341).“

Ach so: Fahrerlaubnis ist dann aber doch nicht vorläufig entzogen worden. Das LG konnte nämlich nicht feststellen, dass der Beschuldigte den Unfall bemerkt hatte.

Akteneinsicht verweigert – dann Konfliktverteidiger?

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Die mit der Akteneinsicht (im Bußgeldverfahren) zusammenhängenden Fragen beschäftigen die Rechtsprechung. Dabei geht es i.d.R. um die Art und Weise der Akteneinsicht und immer wieder auch um die Frage, ob bei (teilweiser) Verweigerung von Akteneinsicht durch das Gericht ein Rechtsmittel gegeben ist. Die Frage war schon früher umstritten; m.E. ging die wohl h.M. (für das Strafverfahren) zu einem „Ja“. Derzeit weht der Wind aber aus einer anderen Richtung. Zunehmend wird auf § 305 S. 2 StPO verwiesen und die Beschwerde als unzulässig angesehen. So auch der LG Arnsberg, Beschl. v. 24.04.2012 – Qs 24/12:

„Mit den abgelehnten Anträgen begehrte die Verteidigung nach eigenem Vortrag um-fassende Akteneinsicht gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 147 StPO. Bei der Entscheidung des Amtsgerichts hinsichtlich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts handelt es sich um eine der Urteilsfällung sachlich und zeitlich vorausgehende und mit ihr in einem inneren Zusammenhang stehende Entscheidung des erkennenden Richters, die gern. § 305 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG unanfechtbar ist.

Das grundsätzlich bestehende Recht auf Akteneinsicht durch einen Verteidiger sichert den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, wodurch eine effektive Verteidigung ermöglicht werden soll. Dies wird gesichert durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO, der über § 79 Abs. 3 OWiG auch im Bußgeldverfahren Anwendung findet. Jede im Hauptverfahren getroffene Entscheidung des erkennenden Richters, die dieses Recht des Betroffenen berührt, steht mit der Urteilsfällung in innerem Zusammenhang, da sie Einfluss auf den Inhalt des Urteils haben kann (LG Limburg, Beschluss vom 30.08.2011, 1 Qs 116/11; LG Lüneburg, Beschluss vom 19.07.2011, 26 Qs 190/11, VRR 2011, 436, OLG Hamm NStZ 2005, 226 m. w. N.; LG Arnsberg, Beschluss vom 08.12.2011, 2 Qs 79/11).

Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde vorliegend nach zulässigem Einspruch und unmittelbar vor der Terminierung, mithin im Hauptverfahren gern. §§ 71 ff. OWiG getroffen.

Sie kann daher gem. § 305 S. 1 StPO i. V. m. § 46 OWiG nicht mit der Beschwerde, sondern nur mit dem entsprechenden Rechtsmittel nach Urteilserlass, hier – je nach dem Inhalt des Urteils – die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG oder der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gern. § 80 Abs. 1 OWiG, angegriffen werden.“

Ist m.E. nicht richtig, aber: Der Verteidiger muss sich darauf einstellen und in der Hauptverhandlung einen Beschluss herbeiführen (§§ 338 Nr. 8, 238 Abs. 2 StPO). Das bringt natürlich Unruhe und wahrscheinlich demnächst den Vorwurf der „Konfliktverteidigung“ im Bußgeldverfahren. Das sind dann aber die Geister, die man rief.