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„Ich bin in Strafhaft – kann daher nicht kommen“….

entnommen wikimedia.org Urheber Robb at de.wikipedia

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Gegen den Angeklagten war beim LG Berlin ein Berufungsverfahren anhängig. Zur Berufungshauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen, die Berufung ist dann verworfen. Nachträglich hat sich der Angeklagte dann sein Ausbleiben mit dem Vollzug von Strafhaft im Ausland entschudligt. Und? Dem KG hat das im schon etwas älteren KG, Beschl. v. 09.04.2015 – (2) 161 Ss 67/15 (20/15) – in Übereinstimmung mit der h.M. gereicht:

„Die Verwerfung der Berufung ist rechtsfehlerhaft, denn maßgeblich ist nicht, ob sich ein Angeklagter genügend entschuldigt hat, sondern einzig, ob er es ist, wobei grundsätzlich eine weite Auslegung zu Gunsten des Angeklagten geboten ist. Hierbei trifft ihn zwar eine Informationspflicht insoweit, als er dem Gericht die Gründe für seine Verhinderung mitzuteilen hat, zu einer weiteren Mitwirkung an deren Aufklärung ist er jedoch – anders als im Wiedereinsetzungsverfahren – nicht verpflichtet. Die – wie hier – erfolgte Inhaftierung eines Angeklagten in anderer Sache, insbesondere im Ausland [hier einer Haftanstalt in Polen], ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich als ausreichende Entschuldigung anzusehen, wenn der Freiheitsentzug den Angeklagten am Erscheinen in der Berufungshauptverhandlung hindert, es sei denn, dieser verweigert selbst grundlos die erforderliche Vorführung aus der Haft (vgl. OLG Köln StraFo 2008, 248; OLG Braunschweig NStZ 2002, 163 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 329 Rdnr. 24; Gössel in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 329 Rdnr. 20; Paul in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 329 Rdnr. 12; Frisch in Systematischer Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 329 Rdnr. 37). Es kann vorliegend auch dahin stehen, ob die Inhaftierung in anderer Sache demgegenüber dann keine ausreichende Entschuldigung für die Terminsäumnis begründen soll, wenn sich der Angeklagte nicht selbst um seine ÜbersteIlung an den Ort des Berufungsverfahrens gekümmert habe, denn die im angefochtenen Urteil diesbezüglich angeführte Rechtsprechung des Kammergerichts zu Wiedereinsetzungsanträgen nach Maßgabe von § 329 Abs. 3 StPO entbindet das Tatgericht vor Verwerfung der Berufung gleichwohl nicht von der Verpflichtung, hinsichtlich ihm noch vor Urteilserlass bekannt gewordener Entschuldigungsgründe die zur Beurteilung der Verschuldensfrage erforderliche Aufklärung von Amts wegen im Freibeweisweg zu betreiben (vgl. KG VRS 107, 119, 120; OLG Köln StraFo 2006, 205 f.). Die in den Urteilsgründen enthaltene pauschale Feststellung des Unterbleibens entsprechender Überstellungsbemühungen des Angeklagten (‚Dies hat der Angeklagte nicht getan‘ UA S. 3) erweist sich indes bei näherer Betrachtung als reine Vermutung (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juni 2009 – (4) 1 Ss 232/09 (154/09) –). Tatsächliche Aufklärungsversuche zur Frage, ob der Angeklagte entgegen der bloßen gegenteiligen Annahme des Landgerichts möglicherweise bei den polnischen Behörden im Hinblick auf den Berufungstermin vorstellig geworden ist, etwa durch fernmündliche Nachfrage bei der dem Gericht bekannt gegebenen Haftanstalt in Polen (UA S. 2), hat die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe und des Hauptverhandlungsprotokolls ersichtlich nicht entfaltet. Gründe, die das Landgericht an derartigen zumutbaren Erkundigungen, welche auch nicht von vornherein als aussichtslos zu erachten gewesen wären, gehindert haben könnten, sind der angefochtenen Entscheidung aber nicht zu entnehmen.“

Einspruchsverwerfung: Vor der Verwerfung musst du forschen

Auf die Kurzformel: Vor der Verwerfung des Einspruchs muss der Amtsrichter seiner Aufklärungspflicht hinsichtlich dews geltend gemachten Entschuldigungsgrundes nachgehen, lassen sich die Gründe des OLG Bamberg, Beschl. v. 28. 11. 2011 – 3 Ss OWi 1514/11 – zusammenfassen. Allerdings mit einer Einschränkung: Der Betroffene muss schon etwas zur Entschuldigung vortragen. Die Leitsätze der Entscheidung:

1. Die Regelung des § 74 II OWiG birgt nicht nur die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urteils in sich, sondern auch, dass dem Betroffenen das rechtliche Gehör (Art. 103 I GG) entzo­gen wird. Der Begriff der ‚genügenden Entschuldigung’ darf deshalb nicht eng ausgelegt werden.

 2. Den Betroffenen trifft hinsichtlich des Ent­schuldi­gungsgrundes grundsätzlich keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder zum lücken­losen Nachweis. Das Gericht hat vielmehr, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt oder Zweifel an einer genügenden Entschuldigung bestehen, dem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht – gegebenen­falls im Wege des Freibeweises – nachzugehen (Anschluss u.a. an BayObLGSt 1998, 79/82; 2001, 14/16; OLG Bamberg wistra 2007, 79 f.; NZV 2009, 303 f.; NZV 2011, 409 f.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.03.2010 – 3 Ss [OWiZ) 37/10 [bei Juris]; KG DAR 2011, 146 f.).

 3. Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt (wenigstens) voraus, dass der Betroffene vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt, der geeignet ist, sein Aus­bleiben genügend zu entschuldigen (Anschluss u.a. an KG VRS 108, 110 ff.; OLG Bamberg OLGSt StPO § 329 Nr. 29 = DAR 2008, 217 [Ls]; BayObLGSt 1997, 145/147 f.; 1998, 79/81 f.).

 4. Legt der Betroffene eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, besteht regelmäßig ein konkreter Hinweis auf die Existenz eines berechtigten Entschuldigungsgrunds, sofern nicht Gründe dafür vorliegen, dass das Attest als erwiesen falsch oder sonst als offensichtlich unrichtig oder unzureichend anzusehen ist (Anschluss an OLG Hamm NZV 2011, 562 f.).

5. In der Vorlage des ärztlichen Attests durch den Betroffenen liegt regelmäßig zugleich die Entbindung des ausstellenden Arztes von seiner Schweigepflicht.

OLG Celle: Magath muss zu Fuß gehen

Das OLG Celle meldet gestern:

„Mit Beschluss vom 4. Februar 2010 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle (OLG) die Rechtsbeschwerde des Fußballtrainers Felix Magath gegen das Urteil des Amtsgerichts Uelzen vom 26. Oktober als unbegründet verworfen (Aktenzeichen: 322 SsBs 347/09). Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Der Landkreis Uelzen hatte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 18. Mai 2009 wegen einer am 30. März 2009 begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 320 € und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht unter dem 5. August 2009 Termin zur Hauptverhandlung auf den 26. Oktober 2009 anberaumt. Im Hauptverhandlungstermin am 26. Oktober 2009 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf darauf den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 18. Mai 2009, weil der Betroffene nicht genügend entschuldigt sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Trainer mit der Rechtsbeschwerde und macht geltend, der Bußgeldrichter habe den Begriff der „genügenden Entschuldigung“ verkannt. Das Amtsgericht hätte den Termin verlegen müssen. Der Prozessbevollmächtigte habe mitgeteilt, verhindert zu sein und ein Erscheinen ohne ihn sei dem Betroffenen nicht zuzumuten gewesen.

Die Rüge des Trainers ist nach der Entscheidung des Strafsenats erfolglos. Das Amtsgerichtsurteil lasse einen Verfahrensfehler nicht erkennen. Auch habe der Trainer keine Tatsachen vorgetragen, die aus sich heraus einen solchen Fehler schlüssig nachvollziehen lassen. Das Amtsgericht habe sich ausführlich mit der Frage eines Entschuldigungsgrundes auseinander gesetzt und die beteiligten Interessen abgewogen. Für eine inhaltliche Prüfung durch den Senat fehle der erforderliche umfassende Vortrag, warum besondere Umstände eine Verlegung des Termins erfordert hätten.“

Also eine verfahrensrechtliche Entscheidung – auf die vorgetragenen Entschuldigungsgründe darf man im Volltext gespannt sein. Jedenfalls: Laufen ist angesagt.