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Fachanwalt für Medizinrecht?, oder: Doch nur „Fachanwalt für Inkasso“?

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Samstags ist ja „Kessel-Buntes-Tag“. Und da passt ganz gut der BGH, Beschl. v. 07.03.2019 – AnwZ (Brfg) 67/18. Es geht um die Verleihung des Fachanwalts-Titels an den klagenden Rechtsanwalt. Der ist bereits berechtigt, den Titel „Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht“ zu führen. Nun wille er auch den Titel „Fachanwalt für Medizinrecht“ führen. Das ist abgelehnt worden. Die Klage hatte keinen Erfolg:

„b) Für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung hat der Antragsteller gemäß § 2 Abs. 1 FAO besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen nachzuweisen. Besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen liegen gemäß § 2 Abs. 2 FAO dann vor, wenn sie auf dem betreffenden Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und die praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Gemäß § 5 Abs. 1 lit. i FAO setzt der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwalt 60 Fälle auf dem Gebiet des Medizinrechts bearbeitet hat.

Nach Ansicht der Beklagten und des Anwaltsgerichtshofs hat der Kläger den Erwerb dieser besonderen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Medizinrechts nicht nachgewiesen. Der Kläger hat eine Fallliste vorgelegt, die insgesamt 245 Fälle aufweist; noch im Verwaltungsverfahren hat er eine ergänzte Liste mit insgesamt 262 Fällen vorgelegt. 228 Fälle auf der ersten und 230 Fälle auf der zweiten Liste betrafen den in § 14b Nr. 5 FAO genannten Bereich des Vergütungsrechts der Heilberufe, 225 dieser Fälle Forderungen einer bestimmten laboratoriumsmedizinischen Praxis. Nur zwei dieser Fälle, die Fälle Nr. 78 und Nr. 232, hat der Anwaltsgerichtshof als Fälle im Sinne von § 5 FAO anerkannt. Im Übrigen habe es sich nur um Mahn- und Vollstreckungsfälle gehandelt; fachspezifische Fragen hätten sich insoweit nicht gestellt.

c) Die Begründung des Zulassungsantrags ist nicht geeignet, Zweifel an den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen dieses Ergebnisses zu wecken.

aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats stellt eine reine Inkassotätigkeit keinen Fall im Sinne der Fachanwaltsordnung dar. Mahnt ein Rechtsanwalt eine nicht bezahlte ärztliche Rechnung an, betreibt er anschließend das Mahnverfahren, erwirkt er einen Vollstreckungsbescheid und betreibt er erforderlichenfalls hieraus die Zwangsvollstreckung, erwirbt er keine besonderen medizinrechtlichen Kenntnisse. Von einem Fall aus dem Vergütungsrecht der Heilberufe kann von vorneherein nur gesprochen werden, wenn medizinrechtliche Vergütungsfragen bearbeitet werden (BGH, Beschluss vom 14. November 2018 – AnwZ (Brfg) 29/18, juris Rn. 7). Von diesem Grundsatz ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen.

bb) Der Kläger meint demgegenüber, es müsse ausreichen, dass eine medizinrechtliche Fragestellung erheblich werden könnte. Dies trifft indes nicht zu, wie sich schon aus dem Senatsbeschluss vom 14. November 2018 (aaO) ergibt. Die praktische Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet kann sinnvoll nur mit Fällen nachgewiesen werden, in denen Fragen aus dem betreffenden Gebiet tatsächlich eine Rolle gespielt haben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2015 – AnwZ (Brfg) 54/13, NJW-RR 2015, 745 Rn. 20). Überdies geht es hier um „Fälle“, die diesen Namen nicht verdienen, weil keine juristische Aufarbeitung eines Sachverhalts stattgefunden hat. Der Kläger hat lediglich Forderungen seiner Auftraggeberin eingezogen.

cc) Der Kläger meint weiter, er habe auftragsgemäß die Richtigkeit der jeweiligen Rechnung kontrolliert, etwa im Hinblick auf § 6 GOÄ (richtig wohl: § 6a GOÄ). Vor Durchsetzung der jeweiligen Forderung habe er ihre Fälligkeit gemäß § 12 GOÄ sowie Verjährungsfragen geprüft. Dem Anwaltsgerichtshof hat dieser bereits in erster Instanz gehaltene Vortrag nicht ausgereicht. Der Senat teilt diese Auffassungen, ohne dass es auf die formalen Rügen ankäme, welche die Aktenführung betreffen. Der Kläger erhielt die fertigen Rechnungen von seiner Auftraggeberin, der laboratoriumsmedizinischen Praxis. Anhaltspunkte dafür, dass diese Rechnungen nicht den Vorgaben der Bundesärzteordnung entsprachen, gibt es nicht. Der Kläger hat keinen einzigen Fall dargelegt, in welchem er eine Rechnung dieser Praxis verbessert hat.

dd) Der Kläger trägt außerdem vor, er habe besondere medizinrechtliche Kenntnisse bei der Prüfung von Verjährungsfragen eingesetzt, weil die Fälligkeit der ärztlichen Vergütung in § 12 GOÄ gesondert geregelt sei. Die Fälligkeitsvoraussetzung einer den Anforderungen der Gebührenordnung für Ärzte entsprechenden Rechnung erfordert jedoch in aller Regel nur eine formale, routinemäßig zu erledigende Prüfung mit geringem zeitlichen Aufwand (BGH, Beschluss vom 14. November 2018, aaO Rn. 9). Besonderer medizinrechtlicher Kenntnisse bedarf es hierzu nicht. Auch in anderen Rechtsgebieten knüpft die Fälligkeit einer Forderung an eine ordnungsgemäße Abrechnung an (vgl. etwa § 10 RVG, § 15 HOAI).“