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Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten, oder: Unbedingter oder bedingter Auftrag, das ist die Frage

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Die zweite Gebührenentscheidung, das OLG Koblenz, Urt. v. 25.08.2022 – 7 U 559/22 -, nimmt zum Entstehen der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG Stellung. Das ist eine Frage, die die Strafrechtler nicht tangiert, aber sie kann im Zivilverfahren von Bedeutung sein.

Im entschiedenen Fall geht es um vorgerichtliche Anwaltskosten. Der Klägerhatte mit Kaufvertrag vom 07.05.2016 einen Gebrauchtwagen Porsche Macan S 3.0 V6 TDI Euro 6 erworben. Das LG hat die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs Zug-um-Zug gegen Zahlung eines Betrages von 55.255,03 EUR nebst Zinsen verpflichtet. Den als Nebenforderung geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 2.994,04 EUR hat es hingegen abgewiesen.

Mit der Berufung wird geltend gemacht, der deliktisch geschädigte, rechtsunkundige Kläger habe einen Anspruch auf Freistellung von seinen vorgerichtlichen Anwaltskosten. Das verfasste Aufforderungsschreiben sei zweckmäßig gewesen, ein unbedingter Klageauftrag habe nicht vorgelegen.

Das hatte beim OLG keinen Erfolg:

„Die nach §§ 516 ff ZPO statthafte und zulässige Berufung des Klägers hat unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (III ZR 205/17, Urteil vom 15.08.2019, juris Rn. 43-44 m. w. Nachw.; VI ZR 353/20, Urteil vom 22.06.2021 juris Rn. 7-8; VI ZR 354/20, Urteil vom 30.07.2021, juris Rn. 25 und VII ZR 320/21, Urteil vom 24.02.2022 juris Rn. 24) keinen Erfolg.

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, aaO).

Der Kläger behauptet hier zwar, seine Bevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche beauftragt zu haben, bleibt den hierfür erforderlichen Beweis jedoch schuldig. Dem vom Kläger als Anlage K7 vorgelegten außergerichtlichen Aufforderungsschreiben vom 13.02.2020 ist keine Vollmacht beigefügt. Allerdings gleichen Aufbau und Diktion des Aufforderungsschreibens, mit dem die Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung binnen einer Woche gefordert wurde, bereits derart der späteren Klageschrift, dass von einem unbedingten Klageauftrag auszugehen ist.

Bei der in dem Schreiben enthaltenen Aussage: „Zurzeit ist unserem Mandanten noch an einer gütlichen Einigung gelegen. Wir stellen Ihnen daher anheim, einen für unseren Mandanten akzeptablen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten.“ handelt es sich um eine auf die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach o. g. Rechtsprechung abzielende prozesstaktische Formulierung, ohne tatsächlichen Hintergrund, was bereits durch den Nachsatz „Sollten wir bis zum vorgenannten Zeitpunkt keine Rückmeldung von Ihnen erhalten, werden wir unserem Mandanten die klageweise Durchsetzung der berechtigten Ansprüche zu empfehlen haben.“ verdeutlicht wird.

Dem Aufforderungsschreiben vom 13.02.2020 ist damit nicht zu entnehmen, dass der Kläger seine Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm nur einen bedingten Klageauftrag erteilt hat.

Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.06.2021, Aktenzeichen VI ZR 353/20 (juris Rn. 7) ausgeführt, dass die Würdigung dieser Umstände als unbedingter, keine zusätzliche außergerichtliche Gebühr auslösender Klageauftrag einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt.

Gegenteiliges hat der Kläger auch im Rahmen der Berufungsbegründung nicht aufgezeigt, so dass das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen war.“