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Corona II: Ausstellen falscher Corona-Bescheinigungen, oder: Kein Sonderdelikt für Ärzte und Apotheker

Bild von André Globisch auf Pixabay

Als zweite Entscheidung aus dem Bereich „Corona-Nachbereitung“ dann hier der BGH, Beschl. v. 18.10.2023 – 1 StR 146/23 – zu der Frage: Handelt es sich bei § 75a Abs. 1 Alt. 1 IfSG i.V.m. § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG i.d.F. v. 28.05.2021 – um ein Sonderdelikt für Ärzte und Apotheker mit der Folge, dass das Ausstellen falscher Corona-Bescheinigungen durch andere Personen nicht erfasst wird.

Zugrunde liegt dieser Entscheidung des BGH ein Urteil des LG München I, das einen Mann u.a. wegen unrichtiger Bescheinigung der Durchführung einer Schutzimpfung in 1.073 Fällen – davon in 637 Fällen in Tateinheit mit Fälschung technischer Aufzeichnungen – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt hat.

Die „zündende“ Idee zu diesen Taten war dem Angeklagten gekommen, als ihm und seiner Verlobten von einer befreundeten pharmazeutisch-technischen Assistentin von ihrer Arbeitsstelle aus über den Rechner ihrer Apotheke ein digitales Covid-Impfzertifikat ausgestellt wurde, obwohl die PTA wusste, dass beide gar nicht geimpft waren. Zusammen mit der PTA beschloss der Angeklagte dann, weitere digitale Zertifikate zu erstellen und über das Darknet zu verkaufen. Dazu griff er u.a. während der Öffnungszeiten der Apotheke mit der Software „Teamviewer“ aus der Ferne auf den Apothekenrechner zu. Zu diesem Zweck mietete er einen bulgarischen Server an. Außerdem schaltete er im BIOS des Apotheken-PC einen „Wake-up-Timer“, der sich so jeden Tag um 21.00 Uhr selbstständig einschaltete. Darüber konnte er dann  Zertifikate auch außerhalb der Öffnungszeiten herstellen. Insgesamt hat der Angeklagte rund 100.000 EUR „eingenommen“. Die Revision des Angeklagten hatte teilweise Erfolg.

Zu § 75a Abs. 1 IfSG a.F. stellt der BGH in der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Entscheidung fest, dass es sich bei § 75a Abs. 1 IfSG a.F. um ein Allgemein- und nicht um ein Sonderdelikt handele, das den Täterkreis auf Ärzte und Apotheker beschränke. Damit hat der BGH diese bislang umstrittene Frage geklärt. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Der BGH stellt darauf ab, dass die vom Gesetzgeber genutzte Verweisungstechnik auf § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG a.F. den möglichen Täterkreis nicht einschränkt. Zwar könne die Verweisung auf § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG a.F. und den dort aufgeführten Personenkreis darauf hindeuten, dass lediglich diese Personen Täter sein können. Dagegen spreche aber, dass der Gesetzgeber in §  75 Abs. 1 IfSG a.F. das Merkmal „wer“ und damit einen nicht beschränkten Täterkreis gewählt habe. Damit habe er Strafbarkeitslücken schließen wollen und einen effektiven Rechtsgutsschutz gegen die Ausstellung falscher Zertifikate bezweckt.

Aufgehoben hat der BGH das landgerichtliche Urteil jedoch insoweit als der Angeklagte in 637 Fällen der Fälschung technischer Aufzeichnungen nach § 268 Abs. 3 StGB i.V.m. mit § 268 Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt worden war, weil er durch die von ihm nach der Änderung der BIOS-Einstellung des Apothekenrechners erstellten digitalen Impfzertifikate auf einen Aufzeichnungsvorgang störend eingewirkt habe. Dabei handele es sich lediglich – so der BGH – um eine von § 268 StGB nicht geschützte sogenannte Input-Manipulation, der Arbeitsablauf des Rechners selbst sei nicht verändert worden.