StPO II: Verurteilung aufgrund einer DNA-Mischspur, oder: Anhaltspunkte für eine Sekundärübertragung?

In der zweiten BGH-Entscheidung geht es um die Beweiswürdigung bei Vorliegen einer DNA-Mischspur.

Das LG hat die Angeklagte wegen der Verletzung des Dienstgeheimnisses in drei Fällen verurteilt. Im Übrigen hat es sie vom Vorwurf der Beteiligung an einem BtM-Handel freigesprochen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie angreift, dass die Angeklagte in einem Fall der Anklage nicht auch wegen tateinheitlicher Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und in einem anderen Fall der Anklage freigesprochen wurde. Das vom GBA vertretene Rechtsmittel hatte Erfolg. Der BGH beanstandet im BGH, Beschl. v. 16.08.2023 – 5 StR 434/22 – die Beweiswürdigung des LG:

„a) Die Beweiswürdigung erweist sich, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Revisionsgerichts (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2022 – 3 StR 185/22; NStZ-RR 2022, 372 f.), als rechtsfehlerhaft.

aa) Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, dass die Angeklagte bestritten habe, in irgendeiner Form von dem Betäubungsmittelhandel der Nichtrevidenten gewusst zu haben. Sie habe zu keinem Zeitpunkt Betäubungsmittel gelagert oder transportiert. Ihre Einlassung sei „nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit zu widerlegen“. Für den Umstand, dass am 27. Januar 2021 die Betäubungsmittel in ihrer Wohnung gelagert wurden, gebe es eine Erklärung, die die Strafkammer „nicht mit der nötigen Sicherheit“ habe ausschließen können. Denn der Lebensgefährte der Angeklagten, A., dessen Daumenabdruck an einer Rewe-Tüte festgestellt wurde, die sich zusammen mit den Betäubungsmitteln in einer Media-Markt-Tüte befand, habe glaubhaft angegeben, dass die Angeklagte vom Rauschgift nichts gewusst habe. Dem stehe nicht entgegen, dass an der Außenseite einer der Vakuumverpackungen (des Marihuanas) innerhalb der Media-Markt-Tüte die DNA der Angeklagten als abgrenzbare Hauptkomponente in einer Mischspur gesichert werden konnte. Insoweit hat es die Strafkammer für „ohne weiteres vorstellbar“ gehalten, dass die DNA durch A. übertragen worden sei.

bb) Die Ausführungen werden den Maßstäben, die der Bundesgerichtshof an die Beweiswürdigung stellt, nicht gerecht.

Denn sie geht von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes aus und erweist sich als lückenhaft.

(1) Das Landgericht hat sich mit dem Beweiswert der festgestellten DNA der Angeklagten in einer Mischspur am Verpackungsmaterial der Betäubungsmittel nicht ausreichend auseinandergesetzt, obwohl es sich hierbei um ein gewichtiges, auf die Angeklagte als Teilnehmerin der Betäubungsmittelstraftat hindeutendes Indiz gehandelt haben könnte. Dessen Bedeutung hat das Landgericht sogleich – der Sache nach unter fehlerhafter Anwendung des Zweifelssatzes – mit Verweis auf eine „vorstellbare“ Sekundärübertragung relativiert. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Sekundärübertragung tatsächlich stattgefunden haben kann, lassen sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen. Das Landgericht hat vielmehr Zweifeln Raum gegeben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen. Ein auf Tatsachen beruhendes Geschehen, das Rückschlüsse auf einen möglichen Übertragungsweg zuließe, wird nicht mitgeteilt. Insbesondere ergeben sich dafür keine weiterführenden Erkenntnisse aus der nur rudimentär wiedergegebenen Einlassung des A., wonach er „die Tüte dort deponiert“ habe. Weil das Landgericht auch nicht erörtert hat, wie sich der Fundort dieser DNA-Spur zu der ebenfalls festgestellten Daumenabdruckspur des A. verhält, fehlen dem Revisionsgericht wichtige Gesichtspunkte für die Überprüfung der Annahme einer Sekundärübertragung. Dies gilt auch, soweit im Urteil nicht angegeben wird, ob und gegebenenfalls welche weiteren Spuren an den Betäubungsmitteln und dem Verpackungsmaterial festgestellt wurden, und welche Erkenntnisse zu Anzahl und gegebenenfalls Identität der Mitverursacher der DNA-Mischspur vorgelegen haben. Solche Umstände sind aber von entscheidender Bedeutung. Denn eine Sekundärübertragung ist unwahrscheinlich, wenn Spuren des vorgeblichen Sekundärüberträgers völlig fehlen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 – 6 StR 120/21 Rn. 14). Nichts Anderes kann gelten, wenn zwar eine Spur eines möglichen Sekundärüberträgers vorhanden ist (Daumenabdruck des A.), zwischen dieser und einer festgestellten DNA-Spur (der Angeklagten) aber kein Zusammenhang erkennbar ist, so wie möglicherweise hier. Demgegenüber schließt die vom Landgericht in diesem Kontext angeführte Überlegung, dass die Angeklagte selbst im Ermittlungsverfahren die Überprüfung möglicher DNA-Spuren angeregt habe, und es deshalb „fernliegend“ sei, dass sie mit dem Auffinden solcher Spuren gerechnet habe, sie als direkte Verursacherin der Spur nicht aus; eine Sekundärübertragung wird allein hierdurch nicht „plausibel“.

(2) Zudem leidet die Beweiswürdigung unter einem durchgreifenden Darlegungsmangel, da die Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens zu der festgestellten DNA-Mischspur nur unzureichend mitgeteilt werden.

Wenn sich das Tatgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf das Gutachten eines Sachverständigen stützt, hat es im Urteil dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Die Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung sind dabei so darzustellen, dass sie nachvollziehbar sind. Dies gilt auch für die hier bedeutsame Frage eines indirekten Transfers von DNA-Material, weil insoweit der DNA-Gehalt einer Spur und die Anzahl der Übereinstimmung untersuchter DNA-Profile, neben anderen Faktoren, von wesentlicher Bedeutung sein kann (vgl. zum Forschungsstand: Vennemann/Oppelt/Grethe/Anslinger/H. Schneider/P.M. Schneider, NStZ 2022, 72, 78).

Bei DNA-Mischspuren muss danach grundsätzlich mitgeteilt werden, wie viele DNA-Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen des Angeklagten ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 29. April 2021 – 4 StR 46/21 Rn. 8; Beschlüsse vom 12. August 2021 – 2 StR 325/20; vom 29. Juli 2020 – 6 StR 211/20; jeweils auch zu den Darstellungsanforderungen bei Mischspuren).

Diese Anforderungen erfüllen die Ausführungen des Landgerichts nicht im Ansatz. Sie erschöpfen sich in der Mitteilung, dass eine DNA-Mischspur festgestellt worden sei, deren abgrenzbare Hauptkomponente von der Angeklagten stamme.“

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